Kein Ende der Streikwelle in Südafrika
6. Juni 2014Unzufriedene Arbeiter marschieren singend und tanzend auf der Straße, um die Menschen auf die Situation der Arbeiter aufmerksam zu machen. Das wird zunehmend zu einem vertrauten Bild in Südafrika. Allerdings warnen Experten davor, dass die Streikwelle, die bereits in den letzten Jahren die Wirtschaft getroffen hatte, nun das Wachstum gefährden könnte.
Im vergangenen Jahr brachten die Minenarbeiter beinahe die gesamte Industrie zum Stillstand, als sie für mehr Geld und bessere Lebensbedingungen streikten. Dann folgte ein Streik in der Autoindustrie, bei dem Autohersteller und Zulieferer im ganzen Land große Verluste erlitten.
So ging es in der ersten Hälfte dieses Jahres weiter. Am 23. Januar legten 80.000 Arbeiter in den Platinminen ihre Arbeit nieder und forderten einen monatlichen Mindestlohn von 12.500 Rand (1169 US-Dollar oder 858 Euro). Die Arbeiter gehören der Gewerkschaft AMCU (Association of Mineworkers and Construction) an.
Der Streik ist noch nicht ausgestanden. Bisher hat er die Platinminenbesitzer rund 20 Milliarden Rand Einnahmen gekostet, während die streikenden Arbeiter über mehr als neun Milliarden Rand Lohnverlust klagen.
Während die AMCU-Führer, die Minenbesitzer und die Regierung alle beteuerten, dass eine Lösung nicht mehr weit sei, sagen Experten, dass die Zeit knapp wird. Der Streik muss ihrer Meinung nach bald ein Ende finden, um die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes in Grenzen zu halten. Gavin Capps, Wirtschaftswissenschaftler an der Witwatersrand University, fordert, dass die Minenfirmen endlich ihre Bücher öffnen sollen und ihren Arbeitern erklären, warum sie ihre Lohnforderungen nicht erfüllen können. "Sie sollen präzise Daten der Firma darlegen und zeigen, was sie sich leisten kann und was nicht. Im Moment scheint es so zu sein, dass die eine Seite bei den Verhandlungen die Zahlen in der Hand hält, ohne sie mit der anderen Seite zu teilen", sagt Capps gegenüber der Deutschen Welle.
Mehr Streiks drohen
Fakt ist, dass das Problem der Streiks in Südafrika längst nicht gelöst ist. Mehrere Gewerkschaften haben mit Streikaufrufen gedroht, nachdem die Tarifverhandlungen in eine Sackgasse geraten sind. Am Donnerstag (05.06.2014) wandte sich die Minenkammer an ein Gericht, um Minenarbeiter von Streiks abzuhalten.
Am selben Tag drohte die Metallgewerkschaft (NUMSA) damit, dass ihre 220.000 Mitglieder im Maschinenbau und Metallsektor Ende Juni auf die Straße gehen werden, falls ihre Forderung nach einer 15-prozentigen Gehaltserhöhung nicht erfüllt wird. NUMSA-Generalsekretär Irvin Jim sagt, dass die Verhandlungen nicht annähernd die Ergebnisse erzielt hätten, die sich ihre Mitglieder gewünscht hatten. Er wirft den Arbeitgebern vor, den Arbeitern den Streik aufzuzwingen. "Ein Streik stand nie auf unserer Agenda, weil unsere Kernforderungen erfüllbar sind", sagt Jim.
Inzwischen hat die Reserve Bank eine starke Warnung ausgesprochen. Laut Kuben Naidoo, Berater der Bank, steige die Inflation bei einem sehr niedrigen Wachstum. "Die Arbeitslosigkeit betrug im ersten Quartal dieses Jahres 25,2 Prozent, fast so hoch wie in den Krisenjahren 2008 und 2009", sagt Naidoo.
Politikanalyst Daniel Silke glaubt, dass ein wichtiger Grund für die hohe Frequenz der Streiks darin liege, dass die Gewerkschaftsbewegung in der Politik Südafrikas eine wichtige Rolle gespielt habe. "Der regierende ANC (African National Congress) ist quasi ein Partner der Gewerkschaftsbewegung. Das heißt, die Regierungspartei sympathisiert mit den Arbeitern, deren Rechten und Forderungen, also erlaubt sie auch eine höhere Dosis Streiks, die allerdings nicht mehr gesund ist", sagt Silke.
Debatte innerhalb der ANC
Trotz dieser scheinbar aussichtslosen Situation geht Silke davon aus, dass es eine gewaltige Diskussion gebe "zwischen denen, die weiterhin die Gewerkschaften unterstützen, und denen, die verstanden haben, dass Südafrikas Wirtschaft unter den Streiks und den zerrütteten Verhältnissen zwischen den Arbeitern und dem Privatsektor leidet". Er sagt, dass diese Situation einen psychologischen Effekt auf die Investitionen habe. Sie führe dazu, "dass Privatunternehmen aus Angst vor weiteren Arbeitsunruhen in der Zukunft nicht bereit sind, zu expandieren und zu investieren."