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Kein Durchbruch in Sicht

17. Februar 2005

Bosniens Serbenrepublik hat eine neue Regierung. Nach zwei Monaten scheint die Regierungskrise überwunden und das Kabinett wieder funktionsfähig. Ein Anlass für Optimismus? Nein, meint Fabian Schmidt in seinem Kommentar.

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Bosnien-Herzegowina hat zwar ein gemeinsames Präsidium, ist aber nach wie vor in zwei Entitäten - die größere kroatisch-muslimische Föderation und die kleinere Serben-Republik - geteilt. Die ohnehin schwerfällige Zusammenarbeit zwischen diesen beiden souveränen Staatsteilen war in den vergangenen zwei Monaten noch schwieriger, weil die Republika Srpska keine funktionierende Regierung hatte. An diesem Donnerstag soll die am Dienstagabend (15.2.) gewählte Regierung in ihr Amt eingeführt werden.

Nach nur zweimonatiger Pause gibt es in Banja Luka wieder eine Regierung. Damit hat das Parlament der Republika Srpska für bosnische Verhältnisse recht schnell eine Lösung gefunden und eine drohende langwierige und quälende Regierungskrise und Neuwahlen gerade noch vermieden. Die internationale Gemeinschaft hat hier wieder Ansprechpartner, mit denen sie ihre eingefrorenen Reformvorhaben angehen kann.

Ein Durchbruch ist trotzdem noch lange nicht in Sicht. Denn auch die neue Regierung wird, wie ihr Vorgänger, von den nationalistischen Rechtsparteien - der Serbischen Demokratischen Partei (SDS) und der Partei des Demokratischen Fortschritts (PDP) - dominiert. Mit dieser Regierung zeichnet sich bereits ab, dass Bosniens Weg hin zu einem Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen mit der EU ein endloser Schlingerkurs bleiben wird. Der Gesamtstaat droht so zur Geisel seiner kleineren Entität zu werden.

Furcht vor Entmachtung

Anzeichen dafür sind schon jetzt deutlich. Die Regierungsparteien haben sich im Koalitionsvertrag geeinigt, das ambitionierteste Reformprogramm des Hohen Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft, Paddy Ashdown, zu verhindern: die Polizeireform. Vor wenigen Wochen hatte Ashdown angekündigt, den gesamten Staat in zehn Polizeibezirke aufteilen zu wollen, wobei die Grenzen dieser Bezirke die Entitätsgrenzen überschreiten würden. Die Polizeihoheit würde damit an den Zentralstaat übergehen, was eine faktische Entmachtung der Republika Srpska und der muslimisch-kroatisch dominierten Föderation von Bosnien-Herzegowina bedeuten würde. Darin sehen die Koalitionspartner in Banja Luka einen Versuch, die Souveränität der Republika Srpska zu beschneiden. Und sie werden alles tun, um das zu verhindern.

Neue Gesichter sollen Kriegsverbrecher verfolgen

Auch zehn Jahre nach Kriegsende stellt die mangelnde Kooperation mit dem internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag den größten Stolperstein auf dem Weg Bosniens in die EU und NATO dar. Ende letzten Jahres bestrafte Ashdown die höchsten Funktionäre der jetzigen Koalitionsparteien mit Berufsverboten, weil er nachweisen konnte, dass diese Parteien in die Unterstützer-Netzwerke der meistgesuchten Kriegsverbrecher verstrickt waren. Dadurch löste er erst die jüngste Regierungskrise aus, denn die Parteien verließen die Koalition in Protest gegen Ashdowns Entscheidungen.

Nun sollen andere Gesichter derselben Parteien unter Beweis stellen, dass sie mit Nachdruck eben die Kriegsverbrecher verfolgen werden. Erfahrungen der Vergangenheit legen nahe, dass das nicht mehr als ein frommer Wunsch bleiben wird.

Bei aller Skepsis bleibt nur zu hoffen, dass die neue Regierung zumindest Reformen in den Bereichen voranbringt, die auch aus Sicht der Nationalisten unstrittig sind - vor allem Wirtschaft und Soziales. Denn auch jenseits der heißesten Konflikt-Themen gibt es genug zu tun: Bevor es überhaupt zu Verhandlungen über ein EU Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen mit Bosnien und Herzegowina kommt, muss das Land noch umfassende Reformen in 16 Bereichen umsetzen.

Fabian Schmidt

DW-RADIO/Bosnisch, 17.2.2005, Fokus Ost-Südost