Kein Weg zurück zum deutschen Pass
5. September 2013Rebekka Haas-Cetin sieht aus, wie sich viele Menschen eine deutsche Frau vorstellen. Sie ist groß und schlank, ihre Haare sind blond, die Augen blau. Die 48-Jährige ist im süddeutschen Rottweil aufgewachsen und lebt mit ihrem Mann, dem Filmemacher Sinan Cetin, im Istanbuler Stadtteil Taksim. Sie wäre glücklich und zufrieden. Aber etwas nagt an ihr: Sie ist keine Deutsche mehr. Vor zwei Jahren musste sie Reisepass und Ausweis im deutschen Konsulat in Istanbul abgeben. Eine traumatische Erfahrung. "Ich möchte meinen deutschen Pass wieder haben", sagt sie. "Es fühlt sich falsch an, nicht mehr deutsch zu sein."
Das deutsche Recht will vermeiden, dass Bürger neben der deutschen auch eine zweite Nationalität haben. Das stellt nicht nur in der Bundesrepublik lebende Menschen mit ausländischen Wurzeln vor Probleme. Auch im Ausland wohnende Deutsche kämpfen damit. Tausende haben die deutsche Staatsbürgerschaft gegen ihren Willen verloren, schätzt der Verwaltungsjurist Meinhard Ade. Er hat einst unter Richard von Weizsäcker im Bundespräsidialamt die Abteilung Innenpolitik geleitet.
Jetzt versucht der 69-Jährige, ehemaligen Bundesbürgern dabei zu helfen, vom Ausland aus wieder deutsch zu werden. Haben sie die Staatsangehörigkeit eines EU-Landes angenommen, ist das kein Problem. Für jene aber, die außerhalb der EU leben, ist die Wiedereinbürgerung nach Ades Erfahrungen fast unmöglich. Nicht die Rechtslage sei dafür verantwortlich, sondern das zuständige Bundesverwaltungsamt in Köln, sagt der Jurist. Die Behörde verstoße regelmäßig gegen das Gesetz und verhindere, dass Deutsche wieder Deutsche würden.
Behörde schweigt zu Vorwürfen
Das Bundesverwaltungsamt will auf Anfrage der Deutschen Welle keine Angaben dazu machen, ob ehemalige Deutsche wieder eingebürgert werden und wenn ja, wie viele. Es nimmt auch keine Stellung zu Ades Vorwurf. In den Briefen an die Antragsteller äußern sich Sachbearbeiter dagegen offener. Die Bundesrepublik müsse von der Einbürgerung profitieren, heißt es in einem Brief an eine ehemalige Deutsche, die im Nahen Osten lebt und ungenannt bleiben möchte. Das sei der Fall, wenn der Aufenthalt der Antragstellerin oder ihres Mannes im Interesse Deutschlands liegt. "Da das sehr selten nachgewiesen werden kann, werden die meisten Einbürgerungsanträge abgelehnt", schreibt der Sachbearbeiter.
Das ist Rebekka Haas-Cetin schmerzhaft bewusst. Seit 1990 lebt die Kamerafrau und Filmemacherin in Istanbul. Ihre drei Kinder haben einen deutschen und einen türkischen Pass. Als sie ein Grundstück mit Olivenbäumen kaufen will und erfährt, dass in der Türkei nur Türken Land erwerben können, will sie wie ihre Kinder beide Staatsbürgerschaften haben.
Sie weiß, dass sie sich erst eine sogenannte Beibehaltungsgenehmigung besorgen muss. Das ist seit der Reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts im Jahr 2000 vorgesehen. Nur wer diese Genehmigung hat, kann eine andere Nationalität annehmen, ohne die deutsche Staatsangehörigkeit zu verlieren. "Erst als ich die Urkunde hatte, habe ich die türkische Staatsbürgerschaft beantragt", sagt Haas-Cetin und hat damit alles richtig gemacht. Doch die türkische Staatsbürgerschaft zu bekommen, ist kompliziert. Es dauert eine kleine Ewigkeit - vier Jahre. Schließlich klappt es aber: "Ich musste auf ein Amt gehen und die türkische Nationalhymne singen, dann habe ich den türkischen Personalausweis erhalten", sagt sie.
Urkunde mit Verfallsdatum
Ohne Argwohn ruft sie im deutschen Konsulat an, um dort den Erhalt des neuen Passes zu melden. "Können Sie mal vorbei kommen? Ich glaube, Sie haben ein Problem", sagt ein Beamter zu ihr am Telefon. Sie geht zum Konsulat. Und ist geschockt. Die Beibehaltungsurkunde war zwei Jahre gültig und deshalb bereits abgelaufen, als sie den türkischen Pass bekam. Viele Auslandsdeutsche wissen nach Angaben von Anwalt Ade nicht, dass sie eine Erlaubnis brauchen, wenn sie eine weitere Staatsbürgerschaft annehmen - oder dass die Urkunde zeitlich befristet ist.
Rebekka Haas-Cetin ist erschüttert, als sie von ihrer Ausbürgerung erfährt. Wird sie die Mutter in Rottweil weiterhin regelmäßig besuchen können? Was geschieht, wenn sich die politischen Verhältnisse in der Türkei weiter zuspitzen? Sie fühlt sich schuldig, weil sie die Frist zur Urkundenverlängerung versäumt hat. Sie will das wiedergutmachen, aber sie weiß nicht wie. "Es ist ja ein Missverständnis, ich bin ja Deutsche", sagt sie.