Kaufrausch am Kunstmarkt
10. Dezember 2013Dass die Superreichen aus Deutschland nicht mitbieten, wenn es bei den internationalen Spitzenauktionen um Hunderte Millionen Dollar geht, sei auch ein Zeichen für Bescheidenheit. Gallus Pesendorfer von Sotheby's muss es wissen. Er vertritt eines der beiden großen, weltweit agierenden Auktionshäuser in Deutschland. "Es gibt sicher Länder mit einer größeren Anzahl an Reichen, die für Kunst Geld ausgeben", sagt der Direktor und Leiter der Kölner Filiale des amerikanischen Auktionshauses Sotheby's.
Keine Grenzen nach oben
Rund 142 Millionen Dollar für ein Triptychon von Francis Bacon, 58 Millionen für einen überdimensionierten Ballonpudel von Jeff Koons, mit 105 Millionen auch ein Rekordpreis für Andy Warhol - es scheint kaum noch Grenzen nach oben zu geben für die kaufsüchtige Kunst-Kundschaft weltweit. Doch die riesigen Auktionserträge, die Häuser wie Sotheby's und Christie's am Markt erzielen, lassen sich nicht auf deutsche Verhältnisse hochrechnen.
"Die tollen Preise sind faszinierend, aber auch abschreckend" räumt Markus Eisenbeis vom Kölner Auktionshaus van Ham ein. "Solch dreistellige Millionenbeiträge sind nicht mehr fassbar für normale Menschen." Potentielle Kunden könnten von solch enormen Summen auch verschreckt werden.
Auch außerhalb der Auktionshäuser, bei Galerien und Messen, legt man Wert darauf, dass es noch einen ganz anderen Markt gibt. "Die hohen Zahlen täuschen darüber hinweg, dass es eine ganz normale Käuferschicht gibt mit ganz normalen Preisen", sagt Gerlinde Teutschbein, die seit drei Jahrzehnten eine Galerie in Frankfurt betreibt.
Saisongeschäft mit der Kunst
Das Geschäft der Auktions-Häuser in Deutschland läuft weit weniger spektakulär ab als das in New York, London oder auch Hongkong. Trotzdem wird auch hierzulande viel Geld umgesetzt - es gibt dutzende kleinere Auktionshäuser in Deutschland. Im Bundesverband deutscher Kunstversteigerer sind die wichtigsten zusammengeschlossen. Lempertz und van Ham in Köln, Nagel in Stuttgart, Villa Grisebach in Berlin sowie Ketterer in München gehören zu den Großen der Branche.
Die Arbeit der Auktionshäuser ist ein Saisongeschäft. Im Frühjahr und im Herbst, finden Versteigerungen satt. "Es ist auch ein Routinegeschäft, es sind Zyklen mit stressigen und ruhigen Zeiten", sagt Karl-Sax Feddersen vom Auktionshaus Lempertz. In den Monaten vor einer Auktion wird eingeliefert, private Sammler vor allem, auch Erbengemeinschaften, seltener Museen, bringen ihre Kunstwerke zu den Auktionshäusern, lassen sich von den Experten beraten. Schließlich wird eine zu ersteigernde Preisspanne festgelegt. Dann werden die Objekte in der Regel vor den jeweiligen Auktionen für ein paar Tage ausgestellt. Potentielle Kunden soll die Möglichkeit eingeräumt werden, die Exponate live zu begutachten. Kein noch so aufwendig gestalteter Katalog und auch nicht das Internet können einen tatsächlichen Eindruck von Qualität und Zustand eines Werkes vermitteln.
Verkauft sich das?
"Vor der Auktion sind dann immer alle sehr angespannt" sagt Feddersen: "Die Ernte wird eingefahren und die Frage stellt sich: Verkauft sich das?" Kommt ein Werk unter den Hammer, erhält der Einlieferer die ersteigerte Summe und das Auktionshaus eine Provision. Objekte, die nicht verkauft werden, gehen zurück oder werden bei einer der kommenden Auktionen zu einem etwas niedriger angesetzten Preis noch einmal angeboten.
Dass sich Bilder und Objekte bestimmter Kunstepochen gut verkaufen, hat auch mit einer Verknappung am Markt zu tun. So hängen die meisten weltbekannten Impressionisten inzwischen fast alle in Museen oder befinden im Besitz privater Sammler. Falls dann doch einmal ein Monet oder van Gogh auftaucht, stürzen sich alle darauf und überbieten sich gegenseitig. Auch das Angebot der Künstlergruppen "Der Blaue Reiter" oder "Die Brücke" ist knapp und wird stark nachgefragt, außerdem das im Bereich der klassischen Moderne und des deutschen Expressionismus.
Lempertz konnte gerade erfolgreich Lyonel Feiningers "Stillleben" von 1912 verkaufen. Das Bild ging für eine Million Euro über den Tisch. Auch das Auktionshaus Villa Grisebach in Berlin war mit dem Ergebnis der aktuellen Versteigerung für zeitgenössische Kunst zufrieden: "Wir haben Weltrekorde erzielt für Isa Genzken, Gehard Marcks, Paula Modersohn-Becker und Ossip Zadkine. 2.720.000 Euro für Karl Schmidt-Rottluffs 'Watt bei Ebbe' ist ein Preis, wie ihn selbst die anglo-amerikanischen Häuser nicht erzielt hätten", sagt Geschäftsführer Bernd Schultz stolz.
"Im Vergleich zu internationalen Auktionen sind wir genauso stark", ist auch Irene Ketterer vom gleichnamigen Auktionshaus in München überzeugt. "Das hier nicht so große Summen erzielt werden, liegt einfach an der Tatsache, dass die Einlieferer mit ihren Spitzengemälden direkt nach London oder New York gehen."
Nicht alles geht gut...
Doch was derzeit für Impressionisten und Expressionisten gilt, für die klassische Moderne oder die zeitgenössische Kunst, das gilt für andere Epochen der Kunsthistorie nicht. "In allen anderen Bereichen ist es wesentlich verhaltener", meint Markus Eisenbeis, "Es gibt auch fallende Märkte." Rückläufig sei zum Beispiel die Malerei des 19. Jahrhunderts und die Alten Meister, das 16. bis 18. Jahrhundert.
Warum werden derzeit weltweit, aber auch in einem etwas niedrigeren Bereich in Deutschland, so viele Kunstwerke verkauft? "Es liegt an der vielbeschworenen Flucht in Sachwerte", sagt Karl-Sax Feddersen. "Es ist einfach wahnsinnig viel Geld auf dem Markt, aus dem Orient, aus China. Kunden kaufen Statusobjekte, nicht weil sie profilierte Sammler sind, sondern weil sie etwas suchen, mit dem sie ihren Status zeigen können." Letzteres ist zumindest eine Erklärung für die internationalen Spitzenpreise. Bei niedrigen Zinsen für Wertpapiere weltweit gerät das Anlageobjekt Kunst ins Visier der Superreichen.
In Deutschland wird Kunst dagegen weit weniger als reiner Renditebringer gesehen. Russische Oligarchen, neue Sammler aus China, amerikanische und britische Hedgefond-Manager, die sich auch nicht scheuen, mit ihrer neu erworbenen Kunst zu protzen - dies spielt am deutschen Markt eher keine Rolle. "Im Bereich über fünf Millionen Dollar mischt die Deutsche Klientel selten mit", sagt Gallus Pesendorfer von Sotheby's in Köln. Insofern trifft es wohl tatsächlich zu: Beim Kunstkauf üben sich die Deutschen in Bescheidenheit.