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Katja Kraus: "DFB hält an Machtstrukturen fest"

8. Februar 2022

Am Freitag endet die Nominierungsfrist für den Posten an der Spitze des DFB. Zwei Kandidaten gibt es bisher: zwei Männer. Warum sich keine Frau zur Wahl stellt, sagt Katja Kraus von der Initiative "Fußball will mehr".

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Katja Kraus, Mitbegründerin der Frauen-Initiative "Fußball kann mehr"
Katja Kraus, Mitbegründerin der Frauen-Initiative "Fußball kann mehr"Bild: Martin Hoffmann/Imago Images

Am 11. März wählt der Bundestag des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) in Bonn den Nachfolger des im Mai 2021 zurückgetretenen DFB-Präsidenten Fritz Keller. Einen Monat vor dem DFB-Bundestag, am kommenden Freitag (11. Februar), endet die Nominierungsfrist für eine Kandidatur. DFB-Vizepräsident Peter Peters und Bernd Neuendorf, Präsident des Landesverbands Mittelrhein, haben ihren Hut in den Ring geworfen. Die Frauen-Initiative "Fußball kann mehr", die sich unter anderem für mehr Frauen in DFB-Führungspositionen einsetzt, hat sich gegen eine eigene Kandidatin entschieden. Katja Kraus hat die Initiative im Mai 2021 - auf dem Höhepunkt der DFB-Krise - mit ins Leben gerufen.

DW: Vor acht Monaten haben Sie und Ihre acht Mitstreiterinnen die Initiative "Fußball kann mehr" gegründet, um den Einfluss von Frauen im deutschen Fußball zu steigern. Jetzt haben Sie der Initiative auch eine neue Rechtsform gegeben. Wie sieht Ihre Zwischenbilanz aus?

Katja Kraus: Ich freue mich sehr, dass wir am vergangenen Freitag "Fußball kann mehr" institutionalisiert haben. Die neue gemeinnützige GmbH wird sich nun, mit professionellen Strukturen ausgestattet, für mehr Diversität und eine Veränderungskultur im Fußball einsetzen. Die Erfahrungen und Gespräche der vergangenen Wochen haben uns darin bestätigt: Es gibt einfach unglaublich viel zu tun.

Wo hakt es besonders?

Es gibt einfach zu wenige Frauen in Führungspositionen, und es wird auch weiterhin stereotyp besetzt. Das führt dazu, dass bei Frauen keine Fantasie da ist, tatsächlich die Möglichkeit zu haben, in Entscheidungsfunktionen zu kommen. Frauen werden nur dann dazu motiviert sich zu engagieren, wenn sie Vorbilder an der Spitze haben. Leider fehlt im Fußballgeschäft nach wie vor das Bewusstsein dafür, verschiedene Kompetenzen und unterschiedliche Biographien einzubringen.

Auch Sie selbst waren eine Zeit lang in den Medien als Kandidatin für den Posten an der Spitze des DFB gehandelt worden. Warum gibt es aus Ihren Reihen keine Bewerberin?

Weil wir keine Hasardeurinnen sind, sondern ein größeres Veränderungsanliegen haben. Die DFB-Landesvorsitzenden haben bei einer Sitzung im November klargemacht, dass sie sich auf einen ihrer Kollegen [Bernd Neuendorf -Anm. d. Red.] festlegen. Sie verfügen bei der DFB-Bundesversammlung über eine Mehrheit der Stimmen. Deshalb ist es widersinnig, jemanden ins Rennen zu schicken.

Wir wollten eine Doppelspitze aus einem Mann und einer Frau und unterschiedlichen Erfahrungshorizonten, auch außerhalb des Fußballs. Menschen, die zudem die Unabhängigkeit haben, das Beste für den Fußball zu wollen und das Amt nicht aus anderen Gründen brauchen. Doch wer stellt sich schon für einen Wettbewerb zur Verfügung, dessen Ergebnis vorher feststeht?

Ist der DFB noch nicht reif für seine erste Präsidentin?

Offenkundig nicht. Der DFB hält mit allen Mitteln an bestehenden Machtstrukturen fest. Es gab keine Offenheit dafür, einen demokratischen Prozess zuzulassen, Kandidatinnen, Kandidaten und Teams mit unterschiedlichen Programmen zu begrüßen und zu sagen: Am Ende gewinnt, wer das Beste für den Fußball will. Schon eine ernst gemeinte Diskussion darüber, was der Fußball in Zukunft braucht, im Spannungsfeld all der unterschiedlichen Interessen, wäre ein Gewinn gewesen. Diese Chance wurde vergeben.

Die beiden Präsidentschaftskandidaten, Peter Peters und Bernd Neuendorf, wollen nach eigenen Worten die Rolle von Frauen im Verband stärken. So sagte Neuendorf, er habe "keine Berührungsängste" mit Ihrer Initiative und sei "an einem ernsthaften Austausch interessiert". Wie weit ist es her mit diesem Interesse?

Ich glaube, das Interesse am Austausch besteht tatsächlich. Wie viel Überzeugung dahinter steht oder ob es nur dem Momentum geschuldet ist, wird sich in Zukunft daran zeigen, ob den Worten Taten folgen. In jedem Fall ist der Handlungsdruck deutlich gestiegen, Frauen und Diversität in Verantwortung zu denken.

Bernd Neuendorf
Aussichtsreichster Kandidat: Bernd NeuendorfBild: Marius Becker/dpa/picture alliance

Unabhängig von den beiden Kandidaten halte ich es für extrem wichtig, dass der DFB wieder Vertrauen bei den Menschen zurückgewinnt. In den vergangenen Jahren haben die Verantwortlichen mit ihrem Verhalten nicht nur das Ansehen des Fußballs ramponiert, sondern auch die vielen guten Dinge konterkariert, die innerhalb des DFB und den Verbänden passieren. Identifikation ist erst dann wieder möglich, wenn glaubwürdige Veränderung passiert. Kein "Weiter so", nur ein bisschen anders, sondern sichtbar disruptiv [radikal innovativ - Anm. d. Red.], mit Menschen, die das Spiel wieder in den Vordergrund stellen und Spielfreude ausstrahlen.

Ich entnehme Ihren Worten, dass Sie nicht davon überzeugt sind, dass sich unter der abzusehenden neuen Führung das katastrophale Erscheinungsbild des DFB durchgreifend ändern wird.

Ich würde mir wünschen, dass es nicht nur ein kosmetisches Modellieren des Vorhandenen ist, sondern dass der DFB verstanden hat, wie weitreichend der Ansehensverlust wirkt. Und dass er sich deshalb öffnet - auch für neues Personal in der Spitze.

An der Spitze der Deutschen Fußball Liga (DFL) steht seit Anfang des Jahres mit Donata Hopfen erstmals eine Frau. Sehen Sie in dieser Personalie bereits ein Anzeichen für einen Richtungswechsel im deutschen Fußball?

Ich finde es großartig, dass Donata Hopfen DFL-Chefin ist. Diese Personalentscheidung hat eine Signalwirkung und zeigt, dass es eigentlich völlig selbstverständlich ist. Ich habe jedenfalls keine Eruptionen aus Frankfurt vernommen. Man muss es einfach entscheiden. Und doch reicht eine Frau allein nicht aus. Kraft entfaltet sich erst, wenn es viele Frauen sind und wenn auch die notwendigen Strukturen dafür geschaffen werden.

Wie steht Deutschland in Sachen Frauen im Fußball im internationalen Vergleich da?

Es gibt Nationen, die in Sachen Gleichstellung deutlich voraus sind. Viele Verbände haben längst eine Frauenquote, immerhin zehn Länder haben die Prämien ihrer Nationalspielerinnen und Nationalspieler angeglichen. In Deutschland erleben wir gerade eine veritable Glaubwürdigkeitskrise des Fußballs. Wenn wir wollen, dass auch in Zukunft viele Kinder Fußball spielen, wenn wir an die Bedeutung des Spiels für Wertevermittlung, Sozialverhalten und Gemeinschaftserlebnisse glauben, dann muss sich etwas ändern. An der Haltung und am Angebot.

Und die weibliche Komponente würde in diesem Prozess helfen?

Auf jeden Fall. Frauen machen mehr als 50 Prozent der Gesellschaft aus. Wie repräsentativ kann eine Institution sein, die diese Hälfte weitestgehend ausschließt?

Katja Kraus stand von 1986 bis 1998 als Torhüterin für den FSV Frankfurt zwischen den Pfosten und holte mit dem Verein drei deutsche Meistertitel und viermal den DFB-Pokal. Sie bestritt sieben Länderspiele, 1995 wurde sie Europameisterin und Vizeweltmeisterin. Acht Jahre lang war Kraus auch Vorstandsmitglied des Hamburger SV. Die 51-Jährige ist Geschäftsführerin einer Sportmarketing-Agentur in Hamburg.

Das Interview führte Stefan Nestler.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter