Katholische Kirchen zwischen Bauhaus und heute
In der Zeit von 100 Jahren Bauhaus sind auch viele neue Kirchenbauten entstanden. Wenn auch kein direkter Bezug zu der Kunstschule besteht, erinnern viele Kirchenbauten auch an den Architekturstil des Bauhaus
St. Fronleichnam in Aachen
100 Jahre Bauhaus – und was ist mit der katholischen Kirche? Im vergangenen Jahrhundert entstanden in Deutschland zwar viele Kirchen, doch eine Architektur, die sich explizit auf die Schule des Bauhauses bezieht, gibt es nicht. Und dennoch: mit Rudolf Schwarz öffnete Ende der 20 Jahre ein Architekt im Rheinland der modernen Sachlichkeit die Kirchentür. Sein Kirchenbau ist heute eine Ikone.
Innenraum von St. Fronleichnam
In der 1928-30 gebauten Fronleichnamskirche brachte Rudolf Schwarz das zum Ausdruck, was er als Direktor der Aachener Kunstgewerbeschule lehrte: eine „Sakrale Moderne“. Schwarz inspirierte mit Ideen, die sich auch im Denken der Bauhäusler wiederfinden: klare Linien, ein heller und hoher Raum, schlicht und sachlich in der Ausstattung.
St. Engelbert in Köln-Riehl
Sachlichkeit und klare Linien finden sich auch in St. Engelbert in Köln-Riehl. Dominik Böhm, Professor für Sakrale Kunst an der Kölner Werkschule, errichtete mit dem 1932 geweihten Gotteshaus die erste moderne Kirche in der Rheinmetropole. Der rote Klinker überdeckt den eigentlichen Baustoff: Eisenbeton.
Beton im Kirchbau
Lange als zu profan betrachtet, galt Beton für den Kirchbau als unwürdig. Dominik Böhm überschritt mit St. Engelbert in Köln-Riehl bewusst diese rote Linie und zeigte, was mit Beton in Sachen Form und Lichtführung möglich ist. Erst mit Eisenbeton konnte er diese Bögen in einem einzigen Raum als Parabel schaffen. Ganz nach seinen Vorstellung: „Ein Raum, eine Gemeinde, ein Gott!“
Maria Regina Martyrum
Nach dem Krieg war Beton im Kirchbau ein eingeführter Baustoff. An den Wänden der Kirche Maria Regina Martyrum in Berlin-Plötzensee,bleibt der Beton unverputzter. Geplant vom Würzburger Dombaumeister Hans Schädel wurde die Kirche 1963 geweiht. Über dem Eingang der sonst ungegliederten, rechteckigen Fassade schwebt eine fünf Meter hohe Skulptur aus vergoldeter Bronze: Die Apokalyptische Frau.
Formenvielfalt
Mit der Wallfahrtskirche „Maria, Königin des Friedens“ in Velbert-Neviges schuf Gottfried Böhm ein monumentales Gebirge aus Beton. Der Sohn von Dominikus Böhm nutzte die Möglichkeiten des Baustoffs, um Formen umzusetzen, die der Kirchbau bis dato nicht kannte. So zeigt sich seine 1968 geweihte Kirche inspiriert vom Zelt Gottes, in Anlehnung an die Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils.
St. Rochus in Düsseldorf
In den 50er und 60er Jahren wurden in Deutschland rund 8.000 Kirchen gebaut, mehr als in den 400 Jahren zuvor. Die Architekten variierten insbesondere mit der Form der Sakralgebäude als Ausdruck der Moderne. So verwirklichte Paul Schneider-Esleben mit der 1955 fertiggestellten St. Rochuskirche einen eiförmigen Kuppelbau, der „einem Atommeiler“ gleicht, wie Der Spiegel im Dezember 1963 schrieb.
Herz-Jesu-Kirche München
Entworfen vom Architekturbüro Allmann Sattler Wappner, wird der dritte Neubau der Herz-Jesu-Kirche im Jahr 2000 geweiht. Gestaltet als einfacher gläserner Quader mit einem Innenraum aus Holz und transparenten Seiten. Die Kirche hat die größten Kirchentore der Welt. Auf der Eingangsseite befindet sich auch die Orgelempore. Durch den niedrigen Bereich darunter betritt der Besucher den Kirchenraum.
St. Canisius in Berlin
Mit der neuen St. Canisius-Kirche in Berlin-Charlottenburg der Architekten Heike Büttner, Claus Neumann und George Braun wurde 2002 ein Kirchbau der Moderne geweiht. Von außen zwei Kuben aus hellem Sichtbeton. Der eine, geschlossene Kubus bildet den Kirchenraum. Der anschließende offene Kubus kann nicht von außen, sondern nur aus dem Kircheninnenraum betreten werden.
St. Trinitatis Leipzig
Die 2015 geweihte Propstei St. Trinitatis in Leipzig ist der größte Kirchenneubau in Ostdeutschland nach dem Mauerfall. Ein Ensemble des Architekturbüros Schulz & Schulz. Der Bau ist monumental und schlicht zugleich, eingekleidet in Rochlitzer Porphyr, einem vulkanischen Gestein aus der Region. Der 50 Meter hohe, trapezförmige Kirchenraum besticht durch Reduktion und klare Linien.