Am Jangtse schwindet die Hoffnung
3. Juni 2015Die chinesischen Rettungsteams arbeiten auch die ganze Nacht. In einem verzweifelten Wettlauf gegen die Zeit tun sie alles, um zu den noch mehr als 400 eingeschlossenen Passagieren des Ausflugsschiffs "Dongfangzhixing" ("Stern des Ostens") auf dem Jangtse-Fluss vorzudringen. Nur 14 Überlebende wurden bislang von den Behörden bestätigt, erst wenige Leichen wurden aus dem Wrack geborgen.
In weniger als einer Minute war das Schiff am Montagabend (Ortszeit) im Sturm gesunken. Es ist möglicherweise das schwerste Schiffsunglück seit Jahren: Auf dem Weg zwischen den alten chinesischen Hauptstädten Nanking und Chongqing kenterte der Touristenkreuzer nahe der bei Reisenden beliebten Drei-Schluchten-Region. Nach Angaben des Kapitäns und seines Chefmaschinisten, die das Unglück überlebten, wurde das Schiff von einem Zyklon überrascht.
Obwohl ein kleiner Teil des Schiffs aus dem Jangtse ragt, kamen die Bergungsarbeiten im nach wie vor schlechten Wetter nur mühsam voran. Rund 150 Schiffe und mehr als 3000 Helfer beteiligten sich an der Rettungsaktion, darunter mehr als 200 Taucher. Ministerpräsident Li Keqiang koordinierte die Arbeiten persönlich.
In Luftblase überlebt
Zu den wenigen Überlebenden gehören eine 65 Jahre alte Frau und ein 21 Jahre alter Mann, die in Luftblasen überlebt haben und von Tauchern mit Hilfe von Atemgeräten aus dem Wasser gerettet werden konnten. Die Bergungskräfte mühten sich, in den Rumpf zu gelangen, konnten wegen des schlammigen Wassers aber kaum etwas erkennen. Die Hoffnung schwindet, dass viele der Eingeschlossenen in Luftblasen überlebt haben könnten.
An Bord des Ausflugsschiffes waren nach jüngsten offiziellen Angaben neben 46 Besatzungsmitgliedern und fünf Reiseleitern 405 Passagiere. Örtlichen Medienberichten zufolge sind meisten von ihnen über 60 Jahre alt und hatten die Tour über Reiseagenturen gebucht. Schiffseigner ist das auf Ausflüge in die Drei-Schluchten-Region spezialisierte Unternehmen Chongqing Dongfang. Dem "21st Century Business Herald" zufolge ist der "Stern des Ostens" seit 1993 in Betrieb und sollte in drei Jahren ausgemustert werden.
Unklar war zunächst, was genau das 76 Meter lange Schiff zum Kentern brachte. Erste Untersuchungen ergaben nach Informationen der Nachrichtenagentur Xinhua, dass es nicht überladen war und über genügend Rettungswesten verfügte. Der 43-jährige Reiseleiter Zhang Hui, der das Unglück ebenfalls überlebte, berichtete Xinhua, dass ein Regensturm am Montagabend kurz nach 21 Uhr dem Schiff schwer zu schaffen machte.
Das Wetteramt bestätigte, dass es zu der Zeit in dem Gebiet einen Tornado über 15 bis 20 Minuten gegeben habe. Gegen den Kapitän wurden bisher keine Vorwürfe erhoben. Bisher ist jedoch nicht geklärt, warum das Schiff trotz des schlechten Wetters weiter gefahren ist. Die Ermittlungen laufen.
SC/haz (afpe, ape)