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Katar - reicher Zwergstaat ganz groß

Nils Naumann30. März 2012

US-Alliierter, Revolutionsunterstützer, Islamistenhelfer - das kleine Emirat Katar ist zu einem wichtigen Akteur im Nahen und Mittleren Osten geworden. Die Verantwortung birgt Risiken.

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Die Skyline von Doha im Emirat Katar. (Foto: dapd)
Skyline von Doha im Emirat KatarBild: Oliver Lang/dapd

Wer Katar auf der Weltkarte finden will, der muss schon genau hinschauen. Der auf einer Halbinsel am Persischen Golf gelegene Zwergstaat ist gerade mal halb so groß wie das deutsche Bundesland Hessen. Politisch und wirtschaftlich aber ist der Einfluss Katars in den vergangenen Jahren immer größer geworden.

Grundlage des Höhenflugs sind die riesigen Erdgasreserven des Landes. Aus diesen Erlösen der Gasförderung werden Megavorhaben wie die Fußballweltmeisterschaft 2022, Beteiligungen an europäischen Großunternehmen oder die Unterstützung von Rebellenbewegungen finanziert. Und auch für die rund 1,7 Millionen Bewohner, von denen nur 300.000 katarische Staatsbürger sind, bleibt genug übrig: Sie haben das größte Pro-Kopf-Einkommen weltweit.

Karte von Katar (DW-Grafik: Per Sander)
Katar am Persischen Golf

Revolutionäre Unterstützung

In den vergangenen Jahren betätigte sich Katar vor allem als Vermittler in Regionalkonflikten, im Sudan oder im Süden des Libanon. Seit Beginn des Arabischen Frühlings aber hat das Land stärker Position bezogen.

Im Libyen-Konflikt stellte sich Katar frühzeitig auf die Seite der Gaddafi-Gegner. Die Unterstützung der Arabischen Liga für eine Flugverbotszone im libyschen Luftraum kam vor allem auf Druck Katars und Saudi-Arabiens zustande. Katar selbst beteiligte sich sogar mit Kampfflugzeugen an der Überwachung dieser Zone.

Ein Militärjet wird für einen Einsatz vorbereit (Foto: dapd)
Katars Luftwaffe beteiligte sich an der Überwachung der Flugverbotszone über LibyenBild: dapd

Katar war der erste arabische Staat der den Nationalen Übergangsrat in Bengasi anerkannte. Das Emirat half den Rebellen bei der Vermarktung libyschen Erdöls. Außerdem bildete das katarische Militär Kämpfer der Rebellen aus und lieferte Waffen. Eine Politik, die sich ausgezahlt hat: Heute macht Katar gute Geschäfte mit der neuen libyschen Regierung

Auch im Syrien-Konflikt steht das Land auf der Seite der Regimegegner. Im November 2011 trieb Katar die Suspendierung der syrischen Mitgliedschaft in der Arabischen Liga voran. Inzwischen fordert Katars Außen- und Premierminister Scheich Hamad bin Dschassem al Thani den Einsatz arabischer und internationaler Truppen, um das Blutvergießen in Syrien zu stoppen.

Machtverlagerung in der Region

Grund für den gestiegenen Einfluss von Katar, so Guido Steinberg, Nahost-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, sei vor allem die Schwäche der traditionellen regionalpolitischen Schwergewichte. Ägypten habe mit sich selbst zu tun und sei als traditionelle Führungsmacht ausgefallen. Saudi-Arabien leide unter dem Alter und der fehlenden Vision seiner politischen Elite. Und der Irak habe sich immer noch nicht wieder stabilisiert. Dieses "Machtvakuum", so Steinberg, versuchten die Kataris zu füllen. Langfristig aber fehle Katar das politisch-militärische Gewicht, um die regionalen Führungsmächte zu ersetzen.

Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft Politik
Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik

Ohnehin zweifeln viele Beobachter, dass die Kataris die revolutionären Bewegungen aus Liebe zur Demokratie unterstützen. Katar sei "unglaubwürdig", sagt der Nahost-Experte Hamadi El-Aouni von der Freien Universität Berlin. Schließlich sei das Land selbst alles andere als demokratisch.

Machthaber Hamad bin Chalifa al Thani regiert seit 1995. Damals verdrängte der Emir mit einem (wenn auch unblutigen) Putsch seinen Vater vom Thron. Das Land besitzt nur einen sogenannten Konsultativrat, dessen Mitglieder vom Emir ernannt werden. Ein Parlament oder Parteien gibt es nicht.

Portrait vom Emir von Katar (Foto: ap)
Der Emir von KatarBild: AP

"Der Emir ist kein Demokrat", betont Guido Steinberg. "Er möchte durch seine Demokratierhetorik vor allem die Unterstützung des Westens für seine Politik in der Region gewinnen." Al Thani fördert zwar die Demokratiebewegungen in Libyen, Ägypten oder Tunesien. Als die Aufstände aber auf das in unmittelbarer Nachbarschaft Katars gelegenen Bahrain übergriffen, bekam es der Emir offenbar mit der Angst zu tun und unterstützte deren brutale Niederschlagung.

Profiteur des Arabischen Frühlings

Offensichtlich ist, dass Katar versucht vom Arabischen Frühling zu profitieren. Dabei fördert das Land vor allem islamistische Kräfte aus dem Umfeld der Muslimbrüderschaft. Die Zusammenarbeit hat Tradition: Schon seit Beginn der 1990er Jahre gewährt Katar Islamisten Unterschlupf. Der libysche Islamist Ali Sallabi, heute wieder in Libyen, fand hier Zuflucht. Der bekannte ägyptische Fernsehprediger Youssef Qaradawi lebt in Katar, ebenso der Hamas-Führer Khaled Meschaal.

"Katar und Saudi-Arabien", sagt Hamadi El-Aouni, "setzen sich für eine Islamisierung der arabischen Staaten ein". Katar hoffe, so Guido Steinberg, dass die neuen islamisch geprägten Regierungen "ein besserer, ideologisch konformerer Partner" sein werden, als die alten republikanischen Regime von Assad oder Mubarak.

Doch diese Politik sorgt nicht überall für Begeisterung. Vertreter des libyschen Übergangsrates beklagten bereits, dass die Hilfe aus Katar vor allem den Islamisten zu Gute käme. Und viele Gegner der Islamisten in Libyen, Tunesien und Ägypten, so Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik, seien inzwischen auch zu Gegnern Katars geworden.

Der schwierige Nachbar Iran

Auch den Nachbarn Iran könnte sich Katar mit seiner Politik zum Feind machen. Schließlich ist Syriens Regime Irans wichtigster Verbündeter in der Region. "Wenn sich abzeichnen sollte", sagt Steinberg, "dass Katar den syrischen Rebellen in größerem Umfang Waffen liefern wird und Iran mehr tun muss, damit sich das Regime halten kann, werden größere Konflikte nicht zu vermeiden sein."

Symbolbild Gasfeld mit den Flaggen des Iran und von Katar (Grafik: DW)
Iran und Katar teilen sich ein Gasfeld

Bisher hatte es die katarische Führung immer vermieden, den großen Nachbarn zu provozieren. Katar teilt sich mit dem Iran das größte Gasfeld der Erde. Beide Staaten sind also auf eine möglichst reibungslose Zusammenarbeit angewiesen.

Schutz erhofft sich Katar von der US-Militärpräsenz im Land. Seit 2003 befindet sich der größte regionale US-Luftwaffenstützpunkt im katarischen Udaid.

Eines ist klar: Katars neues regionalpoltisches Engagement ist ein gefährlicher Balanceakt für das kleine und verletzliche Land.