Gabriels Image leidet weiter
21. Juli 2016Die Sache hat etwas Klebriges an sich und hat sich fest an Sigmar Gabriel geheftet. Wie Pech. Es ist der Fall, der sich aus seiner Ministererlaubnis entwickelt hat, die dem Lebensmittelhandels-Branchenprimus Edeka - gegen eine Entscheidung des Kartellamtes - im März erlaubte, den Konkurrenten Kaisers Tengelmann zu schlucken. Darüber hat sich vor allem die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di gefreut, die möglicherweise auf mehr Einfluss bei Edeka hoffen durfte. Das Oberlandesgericht Düsseldorf stoppte die Fusion allerdings vor gut einer Woche durch eine Eilentscheidung und warf dem Bundeswirtschaftsminister, Vizekanzler und SPD-Vorsitzenden Gabriel vor, Geheimgespräche geführt zu haben und befangen zu sein.
Es hat Gabriel wenig gebracht, gegen das Gericht deftig auszuteilen und dessen Arbeitsweise in Zweifel zu ziehen. Er spricht den Richtern sogar ab, überhaupt zuständig zu sein. Derart schwere Geschütze fährt er auf. Die Sache ist für ihn dadurch nur noch schlimmer geworden.
Der erste Kartellsenat des Oberlandesgerichtes ist ja noch mit dem Fall befasst und bei der weiteren Arbeit mit den Unterlagen fühlt er sich durchaus bestätigt in seiner Auffassung. Das legt ein Papier nahe, das verschiedenen Nachrichtenagenturen zugegangen ist. "Die Besorgnis der Parteilichkeit resultiert aus der Tatsache, dass der Bundeswirtschaftminister die Gespräche gegenüber Rewe, Markant und den anderen Beteiligten des Ministererlaubnisverfahrens geheim gehalten hat", zitiert die DPA. Der Sprecher des Oberlandesgerichtes wollte die Angaben gegenüber der DW nicht weiter kommentieren - mit Hinweis auf das laufende Verfahren. Möglicherweise hat einer der Verfahrensbeteiligten Informationen des Gerichts weiter gegeben.
Wachsender Imageschaden für den SPD-Chef
Aber auch ohne offizielles Schreiben: Es köchelt weiter und der Schaden für Vizekanzler Gabriel weitet sich aus. Dabei wollte er doch eigentlich, so die Begründung für den Ministererlass, nur etwa 8000 Beschäftigten bei Tengelmann den Job sichern. Die wissen jetzt wieder nicht, wie es mit ihnen weiter geht. Und auch für Gabriel ist die Unsicherheit größer geworden. Was kann jetzt noch aus ihm werden? Seinen Urlaub an der Nordsee hat ihm das Verfahren schon teilweise verdorben und das Ganze dürfte sich zu einem Packen entwickeln, der ihn im Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr ziemlich belasten könnte. Gabriel wollte sich mit seiner gewagten, aber arbeiternahen Erlaubnis als kanzlertauglich darstellen. Doch statt als klarer und durchsetzungsstarker Entscheider steht der SPD-Chef jetzt als inkompetent und uneinsichtig da.
Es ist ja auch nicht das einzige Thema, bei dem der Wirtschaftsminister eine schlechte Figur abgibt. Seine Partei und beachtliche Teile der Bürger hadern mit den internationalen Freihandelsabkommen TTIP und CETA - für die Gabriel immer gequälter wirbt. Er will sich dafür einsetzen, dass weniger Waffen aus Deutschland exportiert werden, aber die Rüstungsindustrie hat einfach noch zu viel Schwung, als dass er hier Erfolge vorweisen könnte. Seine Partei wollen auch immer weniger wählen. Der letzte Parteitag verlief ziemlich mäßig für den Vorsitzenden. Mit der umstrittenen Ministererlaubnis ist erneut etwas nicht gut gelaufen. Ein "schon wieder" drängt sich auf. Er hat eben Pech.
Düstere Zukunftsaussichten für Sigmar Gabriel
In den vergangenen Wochen hat Gabriel einiges unternommen, um ein bisschen weniger rauhbeinig und polterig da zustehen. Sogar seine Frau Anke konnte er vor die Kameras der bunten Blätter locken. Da wirkte er locker und umgänglich. Er sprach über die belastende Nazi-Vergangenheit seines Vaters, zeigte sich sensibel. Jetzt, im Kampf um seine Ministererlaubnis, tritt er wieder in seiner ruppigen Version auf. Die ist wahrscheinlich authentischer, aber nicht unbedingt zielführend. Vor allem, wenn die Erfolge ausbleiben. Jetzt stehen bald zwei Landtagswahlen an, in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, bei denen die SPD-Ministerpräsidenten wackeln könnten. Vielleicht entschließen sich Gabriels Parteifreunde darauf im Herbst, ihren Chef loszuwerden. Oder sie warten darauf, dass er sich als Kanzlerkandidat selbst erledigt.