Kotze, Kronkorken und Kamelle
7. Februar 2018Zum Beginn des Straßenkarnevals rumort es in der Schunkel-Metropole Köln. Bereits seit Eröffnung der Karnevalssession sind dort die Jecken außer Rand und Band. Schon am 11.11., dem offiziellen Karnevalsbeginn, betranken sie sich hemmungslos - vielerorts lagen halbe Alkoholleichen rum. Darunter auch 13- und 14-Jährige. Sogenannte Wildpinkler urinierten in jede freie Ecke - 172 Männer und 12 Frauen sind dabei erwischt worden, wie sie gegen Straßen und Häuserwände pinkelten. Darunter waren wohl leider nicht die Spezial-Wände am Kölner Hauptbahnhof, die "zurückpinkeln". Sie erbrachen vor Hauseingängen, von Fäkalien vor der Tür ganz zu schweigen. Und sie hinterließen Müllberge - das gekaufte Bier am Kiosk wurde mal eben auf der Straße entsorgt, wenn der Eimer gerade nicht in der Nähe war.
Das ist eigentlich nichts Neues, könnte man sagen. Nicht nur in Köln, auch in den anderen Hochburgen des Karnevals dürften Saufgelage und Schlägereien zur Normalität zu gehören. Doch dieses Mal scheint es besonders schlimm gewesen zu sein - und jetzt geht es ja erst richtig los. Die Kölner Verkehrsbetriebe mussten zeitweise sogar den Betrieb stoppen, weil Menschen auf den Gleisen waren. Bereits gegen Mittag waren einige Viertel vollständig ausgelastet. Nach Angaben des Amts für öffentliche Ordnung lag eine aggressive Grundstimmung einzelner Personengruppen vor. Über mehrere Stunden wurde niemand mehr in einige der einschlägigen Viertel gelassen. Aufgrund dieser Situation waren flächendeckende Kontrollen dort nur noch erschwert möglich.
"Draußen" ist es wilder
Vor dem Beginn des Straßenkarnevals im Februar meldete sich daher Kölns parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker zu Wort. Auch sie beobachtet tiefgreifende Veränderungen im Karneval: "Der Karneval ist in den letzten Jahren - oder eher Jahrzehnten - zu etwas geworden, das eher einem allgemeinen Besäufnis entspricht, als dem was Karnevalskultur ausmacht", sagte sie. Dies habe nichts mehr mit Karneval zu tun. Sie wolle den Kölnern nicht vorschreiben, wie sie Karneval feiern. Aber an den Orten, an denen es außer Alkohol kein anderes Angebot gegeben habe, seien die meisten Probleme aufgetreten.
Der Trend zum Draußenfeiern sei ein Grund für diese Exzesse, sagt der Psychologe und Leiter des Markforschungsinstituts Rheingold, Stephan Grünewald, der Nachrichtenagentur dpa. "Draußen ist man ganz anders wild", sagt er. Von Gegenden, die als "ziemlich verwahrlost" gelten, gehe "keine erzieherische Wirkung aus". Frei nach dem Motto: "Ist der Ruf erst ruiniert, uriniert es sich völlig ungeniert", sagte Grünewald.
Aus der Reihe tanzen
Doch damit soll nun Schluss sein. Einfach laufen lassen und hoffen, dass alles gut wird, ist für viele Menschen keine Option mehr. "Ich glaube, die Menschen haben heute einen höheren Anspruch an die öffentliche Ordnung", sagte Oberbürgermeisterin Reker. Sie stellt dabei auch aber klar, dass Köln nicht mit dem Karneval hadere, "sondern mit denen, die ihn nicht verstehen".
Trinken und ausgelassenes Feiern gehört natürlich zu jedem Karneval dazu. Manchmal müsse auch aus der Reihe getanzt werden, sagte Michael Kramp vom Festkomitee Kölner Karneval der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Dafür muss es aber eben auch eine Reihe geben." Damit die in dieser Saison auch gewährleistet ist, hat die Stadt Köln sich für Weiberfastnacht, Karnevalssonntag und Rosenmontag gewappnet.
Maßnahmen gegen das Chaos
Die Stadt baut ihr Toilettenangebot auf rund 700 aus. Vorher waren es 75. "Wer nicht auf die Toilette geht, hat künftig keine Ausrede mehr“, sagte Engelbert Rummel, Leiter des Amtes für öffentliche Ordnung. Es wird "mehr Sicherheitsmaßnahmen geben, mehr Absperrungen gegen Überfüllung, mehr organisiertes Programm und auch neue Regeln für Bierbudenbesitzer. Außerdem werden die 1600 Polizeibeamten und privaten Sicherheitskräfte auch in diesem Jahr die Feiernden auf das Glasverbot und zur Verfügung stehenden Glascontainer hinweisen.
Bundesweit bekennt sich wahrscheinlich nur eine Minderheit der deutschen Gesellschaft zum Närrischen Treiben. In Köln ist das allerdings anders - dort sind gefühlte 98 Prozent der Gesellschaft bekennende Karnevalisten. Belegen lässt sich diese Zahl aber nicht. Die Stadt Köln macht sich zwar für einen gesitteten Ablauf an Karneval stark - aber als Nicht-Karnevalist muss man stark sein, um sich dem allen entgegenzustellen. Und dazu kommt noch: Man wird als Humorfeind bezeichnet, wenn man mit Karneval und allem was dazugehört, nichts anfangen kann. Aber Humor ist ja bekanntlich eh Geschmackssache.