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Stockhausen gestorben

7. Dezember 2007

Der Komponist Karlheinz Stockhausen ist tot. Er galt als musikalisches Genie mit messianischem Anspruch, aber auch der Fähigkeit zur Selbstinszenierung. Sein Werk umfasst nach 362 Werke.

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Karlheinz Stockhausen(2004), Quelle: dpa
Karlheinz Stockhausen(2004)Bild: picture-alliance / dpa

Der Altmeister der Avantgarde ist tot: Der weltberühmte Komponist Karlheinz Stockhausen ist im Alter von 79 Jahren gestorben. Seine frühere Ehefrau Mary Bauermeister bestätigte am Freitag (07.12.2007) eine entsprechende Mitteilung des Stockhausen-Verlages. Er sei am 5. Dezember im Alter von 79 Jahren in Kürten (Rheinisch-Bergischer Kreis) nach kurzer schwerer Krankheit gestorben.

Weltweite Resonanz

Sein umfangreiches und detailbesessenes Werk ist ebenso bewundert wie umstritten: Für die einen war Karlheinz Stockhausen ein verschrobener Vertreter der elitären Kunst, für anderen ein mutiger Pionier, eine Ikone der Rock- und Pop-Musik, die Größen wie John Lennon, Frank Zappa oder David Bowie und sogar die Techno-Musik beeinflusst hat.

Stockhausen galt als musikalisches Genie mit messianischem Anspruch, aber auch der Fähigkeit zur Selbstinszenierung. Sein Ruf als einer der überragenden Komponisten und Musikdenker des 20. Jahrhunderts begründete sich aus mehr als 280 selbstständig aufführbaren Werken, über 100 verschiedenen Schallplatten, die er mit eigenen Werken einspielte, und zehn Bänden "Texte zur Musik". Nahezu alle Uraufführungen seiner Werke dirigierte er selbst oder leitete sie als Klangregisseur. Stockhausens Arbeiten werden heute in aller Welt gespielt. In seine Klangwelten mischen sich auch Menschenstimmen, Geräusche und Synthesizertöne.

Wagner in den Schatten gestellt

Karlheinz Stockhausen wurde am 22. August 1928 in Mödrath bei Köln geboren. Seine Eltern starben früh, mit 17 Jahren war er Vollwaise. Nach dem Abitur studierte er in Köln Klavier und Schulmusik, außerdem Musikwissenschaften, Philosophie und Germanistik, später in Bonn Phonetik und Kommunikationsforschung.

1950 begann er zu komponieren. Spätestens 1970 mit den Weltausstellungskonzerten in Osaka gelang ihm der internationale Durchbruch, weitere Meilensteine waren seine musikalisch-theatralischen Aktionen wie "Inori" oder der siebenteilige kosmische Musiktheaterzyklus "Licht". Sein gigantisches Projekt "Licht", sein Lebenswerk, gilt als das größte in der Musikgeschichte seit Richard Wagners "Ring des Nibelungen", den es - zumindest dem Umfang nach - in den Schatten stellte.

"Papa des Techno"

Während Stockhausens Schaffen in den frühen Jahren von struktureller Strenge und klanglicher Radikalität geprägt war, wurden seine Werke ab den 1970er Jahren melodischer und singbarer. Wesentlich war die Begegnung mit Ostasien, mit Japan und dem Zen-Buddhismus, die eine Hinwendung zum Mystizismus und zum Spirituellen bewirkte. "Das Essenzielle meiner Musik ist immer religiös und spirituell, das Technische ist nur Erläuterung", sagte Stockhausen.

Stockhausens Werk hatte auch Einfluss auf die Rock- und Popmusiker, zuletzt wurde er gar als "Papa des Techno" bezeichnet. "Über das Technische kann ich mit jedem Rock- oder Pop- oder Techno-Musiker sprechen", sagte der Komponist in einem Interview. Meistens sei ihm die Techno-Musik jedoch zu repetitiv. "Man müsste viel waghalsiger sein in den Intervallen, erfindungsreicher in den Klangfarben und nicht immer nur Melodiefetzen wiederholen."

Radikaler als Pop

Unterschiede gebe es bei Arbeitsauffassung und Radikalität. "Diese Musiker können sich einfach nicht erlauben, was ich ein Leben lang getan habe: sich nämlich monatelang oder jahrelang in ein Studio zurückziehen, um etwas zu realisieren, was man selbst außerordentlich gut und interessant findet, ohne Rücksicht darauf, wie weit das kommerziell an den Mann zu bringen ist."

Der Komponist arbeitete nach eigener Aussage stets 16 Stunden am Tag. Bei diesem Pensum bleibe ihm "überhaupt keine Zeit, andere Musik zu hören", hatte er einmal gesagt. Ob seine Musik dem Publikum gefällt, kümmerte Stockhausen nach eigenem Bekunden wenig. Er musiziere für die, die sein Werk mögen, "der Rest des Planeten interessiert mich nicht".

Der Künstler nahm sich stets die Freiheit, zeitgenössische Musik, viele deutsche Dirigenten und Orchester zu kritisieren. Als er sich aber unbedacht in einem Interview zu den New Yorker Anschlägen vom 11. September 2001 äußerte, löste er eine Welle der Empörung aus. Die Terroranschläge hatte der Komponist als "das größte Kunstwerk, das es überhaupt gibt für den ganzen Kosmos" bezeichnet. Stockhausen korrigierte diese Aussage umgehend und bat um Entschuldigung. Doch alle, die in ihm den verschrobenen Sonderling gesehen hatten, fühlten sich in ihrer Auffassung nur bestätigt. Stockhausen war zwei Mal verheiratet, hat sechs Kinder. (stu)