Karikaturen-Streit: Brandangriffe auf Botschaften
4. Februar 2006In der syrischen Haupstadt Damaskus setzten hunderte Demonstranten die dänische und wenig später die norwegische Botschaft in Brand. In der Stadt Gaza griffen mehrere Hundert Palästinenser die deutsche Vertretung und das EU-Büro in Gaza an. Dutzende zum Teil maskierte junge Männer und Schüler hätten Steine auf die deutsche Vertretung in Gaza geworfen, Scheiben eingeschlagen und Mobiliar zertrümmert, berichteten Augenzeugen. "Die deutsche Fahne wurde abgerissen und angezündet", sagte ein Nachbar. Erst Polizeiverstärkung brachte die aufgebrachte Menge unter Kontrolle.
Polizei schritt nicht gleich ein
Die Regierung in Kopenhagen forderte alle in Syrien lebenden Dänen zum sofortigen Verlassen des Landes auf. Man bereite eine politische Reaktion auf die Botschaftserstürmung vor. Wie ein dänischer Botschaftssprecher im Rundfunk bestätigte, geriet das gesamte mehrstöckige Gebäude in Damaskus in Flammen. Dort sind auch die diplomatischen Vertretungen Schwedens und Chiles untergebracht. Anschließend zogen die aufgebrachten Demonstranten zur norwegischen Botschaft. Hier habe die Polizei, die sich bei der Erstürmung der dänischen Botschaft zurückgehalten hatte, eingegriffen, doch sei es den Demonstranten dennoch gelungen, das Gebäude in Brand zu setzen.
Anschließend versuchten Demonstranten nach Augenzeugenberichten auch zu der französischen Botschaft zu gelangen, wurde aber von der Polizei aufgehalten.
Keine Opfer
Die Botschaften waren zum Zeitpunkt des Angriffs ebenso wie das EU-Büro und die deutsche Vertretung in Gaza nicht besetzt. Das Auswärtige Amt verurteilte den Vorfall in Gaza. Ein Sprecher in Berlin sagte, das Amt habe gegenüber der Palästinensischen Autonomiebehörde den Protest zum Ausdruck gebracht und einen sorgfältigen und effektiven Schutz der deutschen Einrichtungen verlangt. Dieses sei zugesagt worden.
Internationale Proteste
Auch die EU-Kommission forderte die Palästinenserbehörde auf, für einen angemessenen Schutz europäischer Einrichtungen zu sorgen. Man bedauere, dass Europäer, die für ein besseres Leben der Palästinenser arbeiteten, in dieser Weise angegriffen würden, hieß es aus Brüssel weiter. Die Demonstranten seien in den Garten des Gebäudes eingedrungen. Sie hätten die EU-Flagge durch die Fahne der Palästinenser ersetzt.
Die Randalierer sagten, sie wollten gegen eine Beleidigung des Propheten Mohammed protestieren, nachdem die ursprünglich in Dänemark veröffentlichten Karikaturen auch in deutschen Zeitungen gedruckt wurden. Militante Palästinenser verschleppten in Gaza auch ein polnisches Ehepaar.
Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad ordnete eine Überprüfung der Handelsbeziehungen mit allen in den Streit verwickelten Ländern an, berichtete die Agentur Mehr. Zunächst solle mit Dänemark begonnen werden.
Annan: Entschuldigung soll akzeptiert werden
UN-Generalsekretär Kofi Annan versuchte unterdessen, die Wogen zu glätten. Zwar respektiere er die Pressefreiheit, doch er teile auch den Unmut der Muslime, sagte Annan am Freitag in New York. Die Krise müsse sofort überwunden, die ohnehin schwierige Lage dürfe nicht weiter angeheizt werden. Er rief die Muslime auf, die Entschuldigung der dänischen Zeitung, in der die Zeichnungen vor vier Monaten zuerst
erschienen waren, zu akzeptieren. Das ganze dänische Volk oder Europa dürfe nicht für die Handlung einzelner Journalisten bestraft werden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte die Gewaltaufrufe von Muslimen im Karikaturenstreit scharf. Zwar könne sie durchaus verstehen, dass die Bilder die religiösen Gefühle von Muslimen verletzt haben. Es sei jedoch "inakzeptabel, auf dieser Grundlage eine Legitimierung von Gewalt zu sehen".
Aufruf zur Toleranz
Nach Großbritannien bezeichnete auch die US-Regierung die Veröffentlichung der Karikaturen als "beleidigend", verteidigte aber das Recht auf Meinungsfreiheit. US-Außenamtssprecher Sean McCormack rief in Washington zum Dialog und Gewaltverzicht auf. Auch der EU-Koordinator für Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, rief zur Mäßigung auf. "Toleranz und gegenseitiger Respekt spielen eine ebenso große Rolle wie das Prinzip der Meinungsfreiheit", sagte Solana der "Bild am Sonntag".
Die arabischen Staaten wollen sich wegen des Streits an die Vereinten Nationen wenden. Diese sollten einen Beschluss fassen, der "beleidigende Angriffe gegen religiöse Überzeugungen" verbiete. Die Informationsminister der arabischen Staaten einigten sich in Kairo zudem, eine Medienkampagne zu starten, "um das schlechte Image des
Islam gerade zu rücken". (kas)