Katholische Bischöfe brauchen neuen Frontmann
11. Februar 2020Ein Paukenschlag in der katholischen Kirche in Deutschland. Die Deutsche Bischofskonferenz muss sich einen neuen Vorsitzenden suchen. Ihr Vorsitzender Kardinal Reinhard Marx wird bei der nächsten Vollversammlung Anfang März in Mainz nach sechs Jahren nicht erneut für das Amt antreten.
"Ich finde, es sollte die jüngere Generation an die Reihe kommen", schreibt der 66-Jährige Erzbischof von München-Freising den derzeit 68 anderen Mitgliedern der Bischofskonferenz. Vielleicht sei "es auch gut, wenn es häufiger einen Wechsel in dieser Aufgabe gibt." Er habe, so Marx schon zurückblickend, das Amt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz "sehr gerne ausgeübt". Aber – und dann zitiert er aus dem Buch Kohelet des Alten Testaments: "Alles hat seine Zeit". Ein regelrechter "Rücktritt" ist es nicht. Und doch hat die Ankündigung etwas von einer Sensation. Noch nie hat ein Vorsitzender der Bischofskonferenz sich vor der Zeit von einer Fortsetzung des Amtes distanziert.
Eine Bilderbuch-Karriere
Reinhard Marx steht für eine kirchliche Vorzeige-Karriere, die typisch ist für das volkskirchliche Milieu Westdeutschlands. Sohn eines Schlossermeisters, früh aktiv im kirchlichen Verband, Theologiestudium in Paderborn und Paris. Auf die Priesterweihe 1979 folgten weitere Studien in Bochum und Münster. Marx ist promovierter Sozialethiker und lehrte als außerordentlicher Professor in Paderborn Christliche Gesellschaftslehre. Da geht es – grob gesagt - um die kirchliche Soziallehre und die sozialpolitische Ausgestaltung der Gesellschaft.
Marx betont stets den Grundgedanken der Freiheit und die daraus resultierende Verantwortung. Und er pflegt dabei stets das ökumenische Miteinander. Da passt es, dass der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, in München nur einige Fahrminuten entfernt residiert und beide den direkten Kontakt pflegen.
Papst Johannes Paul II. ernannte ihn 1996 zum Weihbischof in Paderborn. Fünf Jahre später – da kam Reinhard Marx in die Stadt von Karl Marx - folgte der Aufstieg zum Bischof von Trier mit dem Leitspruch "Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit". 2007 beförderte ihn Papst Benedikt XVI. zum Erzbischof von München und Freising, und 2010 machte er ihn auch zum Kardinal. Von 2012 bis 2018 stand er als Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft vor, dem wichtigsten Kirchenposten auf dem Brüsseler Parkett.
Berater von Papst Franziskus
Die Wahl zum Vorsitzenden der Bischofskonferenz 2014 war nicht die letzte Sprosse auf der Karriereleiter. Denn Papst Franziskus, der den Westfalen 2013 in den Kardinalsrat, sein überschaubares Beratergremium, berufen hatte, ernannte ihn auch zum Koordinator des Päpstlichen Wirtschaftsratssekretariats. Da geht es um den Versuch der Übersicht und Kontrolle der vielen, gelegentlich undurchschaubaren Geldflüsse des Vatikan. Marx ist Vielflieger nach Rom. In den letzten Jahren war er kirchlich des öfteren im Ausland, so in den USA und in Polen, unterwegs.
Stets blieb Marx, der äußerlich und im Anspruch zum Barocken des Bayerischen passt, bekennender Westfale und auch Mitglied beim Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund. Dazu gehört auch das sozialpolitische Mitdenken im politischen Geschäft. Marx steht ebenso für das Gespräch mit reformorientierten Kräften. Als die Bischöfe zuletzt im September in Fulda zusammenkamen, suchte er gerade demonstrativ die Begegnung mit demonstrierenden Frauen, denen die Kirche zu kleriker- und männerfixiert ist.
Die jetzige Ankündigung kommt überraschend. Auch wenn Marx in den vergangenen Wochen in kleinem Kreis über die Frage einer weiteren Amtszeit grübelte. Aber er sicherte eigentlich die konstruktive bischöfliche Rolle bei vielen Baustellen im System der deutschen Kirche - von der quälend offenen Frage nach Entschädigungen für Opfer sexuellen Missbrauchs bis zum "Synodalen Weg", der Reformen auf nationaler Kirchenebene anstoßen will.
Mögliche Nachfolger: Woelki? Overbeck?
Wer Marx folgt, ist offen und kann nach den Regularien bis zur Wahl in Mainz offen bleiben. Als der Münchner Erzbischof 2014 zum Nachfolger des Freiburger Erzbischofs Robert Zollitsch gewählt wurde, bekam der Münsteraner Bischof Felix Genn als Gegenkandidat die zweitmeisten Stimmen. Aber Genn, der in wenigen Wochen seinen 70. Geburtstag feiert, steht nicht für einen Generationswechsel.
Ob der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki Interesse hätte (und eine Mehrheit fände), scheint offen. Seit vielen Monaten positionierte er sich bei diversen Sachthemen als Gegenstimme zu Marx. Dessen Werben für die "jüngere Generation" wirkt wie ein Argument gegen Widersacher Woelki. In Frage kommen beispielsweise der Speyerer Bischof Karl-Heinz-Wiesemann, der 59 Jahre alt ist, und oder der 55-jährige Essener Oberhirte Frans-Josef Oberbeck. Doch in den vergangenen zwei, drei Jahren rückten eine Reihe jüngerer Bischöfe in die Konferenz ein, die den bisher üblichen Lagern schwer zuzuordnen sind. So müssen sich die Bischöfe erst sortieren.
So lange wie die CDU bei ihrer Suche nach einer neuen Führungskraft werden sie sicherlich nicht brauchen.