Kandidatenpoker um künftigen NATO-Chef
4. April 2009Eigentlich sollte der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen bereits am Freitagabend (03.04.2009) als Nachfolger des scheidenden Nato-Generalsekretärs Jaap de Hoop Scheffer offiziell auserkoren werden. Die Beratungen über diese wichtige Personalie sollen nun an diesem Samstag in Straßburg fortgesetzt werden, wie NATO-Sprecher James Appathurai mitteilte. Für die Ernennung eines neuen NATO-Chefs ist ein Konsens aller 28 Bündnispartner erforderlich.
Türkei stellt sich quer
Vorbehalte gegen Rasmussen hat vor allem die Türkei. Hintergrund ist die Veröffentlichung der umstrittenen Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Zeitung 2005. Rasmussen hatte die Karikaturen als Ausdruck der Pressefreiheit verteidigt. Seitdem ist der Däne in Teilen der muslimischen Welt ein "rotes Tuch". Außerdem wirft ihm die Regierung in Ankara vor, nichts zur Schließung eines kurdischen Fernsehsenders unternommen zu haben, der sein Programm aus Dänemark sendet. Auch die USA unterstützten die Kandidatur Rasmussens nur halbherzig, verlautete aus diplomatischen Kreisen. In den EU-Staaten genießt der dänische Regierungschef hingegen breiten Rückhalt.
NATO bald mit neuer Strategie
Nach dem Abendessen in Baden-Baden konnten die Staats- und Regierungschefs immerhin einen Achtungserfolg verkünden lassen. Die Gipfelrunde gab den Auftrag, eine neue Strategie für das Bündnis auszuarbeiten. Es gehe um eine Aktualisierung der 1999 beschlossenen Strategie, sagte NATO-Sprecher Appathurai. Bestimmte Einsätze - beispielsweise gegen Piraten oder zur Abwehr von Computerattacken - seien im bisherigen Konzept nicht vorgesehen.
Enge Kooperation mit Russland
Ein Signal des guten Willens sandte die NATO an Russland. Die Gipfelteilnehmer bekundeten ihren Willen, mit der Führung in Moskau eng zusammenzuarbeiten. Im vergangenen Jahr hatte es wegen des russischen Feldzugs in Georgien erhebliche Spannungen zwischen der NATO und Russland gegeben. Erst Anfang des Monats hatte die Allianz beschlossen, die eingefrorenen Beziehungen wieder aufzutauen.
Gipfel-Abschluss in Straßburg
Der zweite Tag des NATO-Gipfels begann an diesem Samstag mit einer feierlichen Zeremonie auf einer Rheinbrücke zwischen der deutschen Stadt Kehl und dem französischen Straßburg. Mit dieser symbolischen Geste wurde am 60. Geburtstag der NATO die vollständige Rückkehr Frankreichs in das Militärbündnis gefeiert. Bei den anschließenden Gipfelberatungen in Straßburg dürfte die von den USA vorgelegte neue Afghanistan-Strategie im Mittelpunkt stehen.
Demonstranten festgenommen
Gegner des NATO-Gipfels haben massive Proteste angekündigt. Die Polizei nahm am Samstag in Straßburg 25 Demonstranten fest. Sie hatten versucht, durch Absperrungen ins Zentrum zu gelangen. Am Morgen blockierten rund tausend zum Teil schwarz gekleidete und vermummte Demonstranten eine Brücke, eine andere Gruppe besetzte die Straßenbahnlinie in Richtung Pressezentrum. Hunderte von Journalisten mussten aussteigen. Die Polizei setzte Tränengas ein, um Protest-Teilnehmer von der Innenstadt fernzuhalten.
(wa/la/gri/ap/dpa/afp/rtr)