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Kandidaten für EU-Kommission auf dem Prüfstand

Bernd Riegert, Brüssel12. Februar 2004

Drei Monate vor ihrem Beitritt zur Europäischen Union haben die Regierungen der neuen Mitgliedstaaten ihre Kommissare für Brüssel ernannt. Fraglich ist, ob alle die Zustimmung von EU-Ministerrat und -Parlament erhalten.

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20.000 Beamte und demnächst 30 Kommissare: die EU-Kommission in BrüsselBild: AP

Jedes neue EU-Land darf einen Kommissar in die Verwaltungsspitze der Union entsenden, die am 1. Mai dann auf 30 Personen wächst. Die bisherigen 15 Mitgliedsstaaten hatten 20 Kommissare nach Brüssel entsandt. Die größten fünf - Frankreich, Spanien, Italien, Großbritannien und Deutschland - durften jeweils zwei Posten besetzen.

Die neuen EU-Kommissare - fast alles regierungserfahrene Minister - nehmen am 1. Mai mit gleichen Stimmrechten wie die "Alt"-Kommissare ihre Arbeit auf. Aber ihnen wird vom italienischen Kommissionspräsidenten Romani Prodi für die ersten Monate kein konkretes Ressort zugewiesen. Sie sollen zunächst einem der amtierenden Kommissare zugeteilt werden und sich an den Brüsseler Betrieb gewöhnen. Sie erhalten allerdings einen kleinen Stab mit Referenten und Sekretärinnen in eigens angemieteten Büros. Das sei zwar so eine Art "Super-Praktikum", witzelt man in Brüssel. "Wir haben dann die meisten Erfahrungen im November, wenn wieder neue Leute kommen", sagt Danuta Hübner, die polnische EU-Kommissarin. Denn bereits am 1. November endet die reguläre Amtszeit der jetzigen EU-Kommission, die dann fünf Jahre von Romani Prodi geführt wurde.

Rentenansprüche fraglich

Die Staats- und Regierungschefs werden Ende Juni bei einem Gipfeltreffen einen neuen Kommissionspräsidenten auswählen, der dann bis zum November eine neue Mannschaft zusammenstellen muss. Der neuen EU-Kommission werden voraussichtlich auch wieder die zehn jetzt benannten Kandidaten aus den Beitrittsländern angehören. Allerdings wird in einigen neuen Mitgliedsstaaten bis November gewählt. Bei einem Regierungswechsel könnte auch der Kommissar wieder ausgetauscht werden. Derweil prüft die EU-Verwaltung noch, ob solchen Kommissaren, die nach nur fünf Amtsmonaten von Mai bis November ausscheiden würden, Rentenansprüche zustehen würden.

Künstliche Arbeitsbeschaffung

Die nächste Kommission wird kleiner sein als die jetzige, und zwar wird sie von 30 auf 25 Kommissare schrumpfen - jeweils einer pro Mitgliedsland. Die großen Länder verzichten also auf den zweiten Kommissar - so wurde es im Vertrag von Nizza festgelegt. Den 25 Männern und Frauen teilt der künftige EU-Kommissionspräsident dann ihre Geschäftsbereiche zu. Hinter vorgehaltener Hand heißt es bei EU-Diplomaten in Brüssel, man überlege schon fieberhaft, welche Ressorts man noch erfinden könne, um jedem eine sinnvolle Aufgabe zu geben.

Der neue Chef der EU-Kommission wird Ende Juni erst nach den Europawahlen bestimmt. Die größte Fraktion im Europäischen Parlament, die konservative EVP, besteht darauf, dass der Präsident oder die Präsidentin aus ihren Reihen kommen muss. Heiße Kandidaten sind im Moment der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker. Überraschungen sind aber nicht ausgeschlossen.

Abstimmung im Mai

Die jetzt hinzukommenden Kommissare aus den Beitrittsländern müssen vom EU-Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit bestätigt werden und sich Ende April im Europäischen Parlament Anhörungen stellen. Über die gesamte - dann 30-köpfige - Kommission, stimmt das Parlament in der ersten Mai-Woche ab.

Dabei soll auch die Vergangenheit der Kandidaten durchleuchtet werden. Die Konservativen haben bereits angekündigt, sie wollten ehemaligen Kommunisten aus Osteuropa besonders gründlich auf den Zahn fühlen. Die Sozialisten im Europäischen Parlament lehnen dies 15 Jahre nach dem Mauerfall ab. Besonders viel Argwohn schlägt dem neuen EU-Kommissar aus Estland entgegen: Siim Kallas war vor der Wende Chef des estnischen Sparkassen-Wesens. Auch Danuta Hübner aus Polen war Mitglied der Kommunistischen Partei, trat aber noch vor der Wende in Polen aus.

20.000 Beamte

Die EU-Kommission ist eine etwa 20.000 Beamte umfassende Behörde, die die Einhaltung der europäischen Verträge und Verfahren überwacht und den rund 100 Milliarden Euro umfassenden Haushalt verwaltet. Vor allem hat die Kommission das alleinige Vorschlagsrecht im Gesetzgebungsverfahren der EU, was ihr eine besonders einflussreiche Position verschafft. Der Ministerrat und auch das Parlament können nur über Richtlinien abstimmen, die die EU-Kommission erarbeitet hat.