Kampf um Pakistans Leoparden
16. September 2010Mohammed Waseem streift am liebsten früh morgens durch die schmalen Wanderwege des Ayiubia Nationalparks. Denn der Biologe des World Wildlife Fund (WWF) weiß: Kurz vor Sonnenaufgang ist die beste Zeit, um einen Leoparden zu sehen. Nur rund 80 Kilometer von der pakistanischen Hauptstadt Islamabad entfernt leben in dem 3300 Quadratkilometer großen Schutzgebiet noch 11 Exemplare der vom Aussterben bedrohten Raubtierart.
"Im Jahr 2005 gab es hier einen Leoparden, der zum Menschenfresser wurde und insgesamt sechs Frauen angriff", erzählt Waseem. Das war noch nie zuvor geschehen. Die Naturschutzbehörde ließ den Leoparden sofort einfangen und töten. Trotzdem fing die lokale Bevölkerung danach an, auch andere Leoparden zu töten. "Weil die Reviere nun frei waren, drangen fremde Leoparden in diese Region vor", erläutert der Biologe. "Sie waren viel aggressiver als die hier geborenen Tiere."
Artenschutz beginnt bei Verhaltensstudien
Auf seinen Touren durch den Nationalpark versucht der Biologe Mohammed Waseem der lokalen Bevölkerung den richtigen Umgang mit den Raubtieren zu vermitteln. "Früher wussten die Älteren noch, dass sie stehen bleiben müssen, um einem Leoparden Zeit zu geben, um zu verschwinden. Nun hatten aber alle Angst und versuchten, sofort wegzulaufen." Die fliehenden Menschen weckten den Jagdinstinkt der Raubkatzen – und sie sahen den Menschen als Beute an. Der WWF startete schließlich ein Projekt, um den Konflikt zwischen Menschen und Leoparden zu entschärfen.
In regelmäßigen Aufklärungskampagnen in Schulen und Dörfern erläutert Mohammed Waseem den Wert der Artenvielfalt für die Region. Gleichzeitig gibt der Biologe Verhaltenstipps: Frauen sollten zum Beispiel nicht mehr vor sechs Uhr morgens in den Wald gehen, um Feuerholz zu sammeln. Denn nach Sonnenaufgang lassen sich die scheuen Tiere viel seltener blicken. Regionen, in denen Leoparden gerade ihre Jungen aufziehen, sollte die Bevölkerung ganz meiden. Auch Mohammed Ali hört sich einen der Vorträge von Mohammed Waseem an. Doch der Tagelöhner bleibt skeptisch. "Ich habe auch mal einen Leoparden gesehen und hatte wirklich Angst. Einige Leute versuchen schon, sie zu töten. Aber wenn du einen Leoparden tötest, kommen die Förster und bestrafen dich. Du kommst sogar ins Gefängnis."
Artenschutz durch aktives Konfliktmanagement
Um Konflikte zwischen Mensch und Tier schon im Vorfeld zu vermeiden, initiierte der WWF ein Leoparden-Schutzprogramm im Ayiubia Nationalpark. "In dieser Region war ein großes Problem, dass niemand entschädigt wurde, wenn ein Leopard das Nutzvieh tötete. Deshalb wurden die Leoparden gejagt." Früher gab es schon einmal so ein Kompensationssystem. Und jetzt führte der WWF die Entschädigung der Gemeinschaften für getötetes Nutzvieh wieder ein.
Das vielleicht überraschendste Ergebnis der Studie des WWF: Wenn Menschen aufhören, die Leoparden zu jagen und nicht mehr aus Furcht weglaufen, werden auch sie selbst nicht mehr so oft angegriffen. "In unserem Konfliktmanagement-Programm zwischen Menschen und Leoparden haben wir untersucht, wie die Angriffe auf die Bevölkerung in den Dorfgemeinschaften und ihren Besitz reduziert werden können", erklärt Waseem. Das Ergebnis: Wenn einige einfache Verhaltensregeln beachtet werden, nehmen die Angriffe der Leoparden auf Menschen deutlich ab. "Das ist der wesentliche Pluspunkt des Leoparden Projektes in dieser Region", freut sich der Biologe.
Leoparden waren früher in vielen Regionen Pakistans beheimatet. Heute sind sie nur noch vereinzelt in Regionen wie dem Ayiubia Nationalpark zu finden. Die ersten Erfolge des WWF-Schutzprogramms geben Anlass zur Hoffnung, dass die gefleckten Großkatzen nicht gänzlich aussterben.
Text: Jutta Schwengsbier
Redaktion: Matthias von Hein