Das BKA rüstet gegen Rechts auf
28. November 2019Bundesinnenminister Horst Seehofer glänzt durch Abwesenheit. Man darf ihm aber glauben, dass er sehr gerne zur traditionellen Herbsttagung des Bundeskriminalamtes (BKA) gekommen wäre. Schließlich beschäftigen ihn die am Mittwoch und Donnerstag in Wiesbaden behandelten Themen stärker denn je: Ausgrenzung, Hass und Gewalt. Phänomene, die vor allem in rechtsextremistischen Milieus Hochkonjunktur haben – und immer häufiger tödlich enden. Im Sommer wurde der Kommunalpolitiker Walter Lübcke ermordet. Und im Oktober versuchte ein Antisemit, in der Synagoge von Halle (Sachsen-Anhalt) ein Massaker anzurichten. Auf der Flucht erschoss er zwei zufällig ausgewählte Opfer.
Viel Arbeit also für Seehofer, den obersten Dienstherrn des BKA. Dass er auf der Tagung des Bundeskriminalamts fehlt, lässt sich gut begründen: Im Bundestag geht es in dieser Woche um den Etat 2020. Deshalb blieb der Innenminister in Berlin, um Werbung in eigener Sache zu betreiben – erfolgreich. Die Sicherheitsbehörden bekommen mehr Geld und Personal. Davon profitieren besonders die Bundespolizei, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und auch das Bundeskriminalamt, dessen Budget um 65 Millionen auf fast 800 Millionen Euro steigen soll.
BKA-Präsident Holger Münch darf sich über 810 neue Stellen freuen. Viele davon sollen dem Kampf gegen Rechtsextremismus zugutekommen. Denn die Gewaltwelle habe inzwischen ein "Demokratie gefährdendes Ausmaß" angenommen. Münch verweist auf durchschnittlich drei rechte Gewalttaten täglich. Dramatisch gestiegen ist die Zahl sogenannter Gefährder, denen mörderische Anschläge zugetraut werden: 2012 waren vier im BKA-Visier, inzwischen sind es 46. "Die Bedrohung von rechts ist virulent und sie wächst", sagt Münch.
Das Attentat in Halle kam "scheinbar aus dem Nichts"
Seine größte Sorge: Immer häufiger sind die Täter unbeschriebene Blätter. Oft lägen der Polizei keine Erkenntnisse vor und die Täter schlügen "scheinbar aus dem Nichts" zu. Auch beim Attentäter von Halle war das so. Die Radikalisierung findet vor allem im Internet statt – anonym und global. Deshalb wollen die Sicherheitsbehörden ihre internationale Zusammenarbeit ausbauen. Dazu passt der Auftritt des neuseeländischen Polizei-Chefs auf der BKA-Herbsttagung. Mike Bush schildert, wie sich der aus Australien stammende Attentäter von Christchurch im virtuellen Raum auf seinen live im Netz übertragenen Massenmord in Moscheen vorbereitete.
Die Parallele zum Anschlag in Halle ist offenkundig: Der uniformierte Angreifer übertrug seine Tat ebenfalls per Livestream. Um Extremisten schneller auf die Spur zu kommen, will BKA-Präsident Holger Münch "frühzeitig, intensiv und tief in die Ermittlungen einsteigen". So wie Polizisten auf der Straße nach dem Rechten sehen, sollen seine Beamten auch im Internet "Streife gehen". Wie schwer das zumindest kurzfristig fallen dürfte, lässt der Hinweis eines Cyber-Experten auf der BKA-Tagung erahnen. In Deutschland seien kaum mehr als ein Prozent des Personals mit Netz-Kriminalität befasst. In den Niederlanden liege dieser Wert immerhin bei vier Prozent.
Der neue Kurs passt zu Horst Seehofers Neun-Punkte-Plan
Von solchen Vergleichen lässt sich BKA-Chef Münch allerdings nicht entmutigen. Mit Hilfe der neuen finanziellen und personellen Ressourcen wähnt er sich im Kampf gegen Ausgrenzung, Hass und Gewalt trotz aller Rückschläge auf einem guten Weg. Während er in Wiesbaden seine Strategie erläutert, erntet Innenminister Seehofer in Berlin auch von der Opposition viel Zustimmung für seinen härteren Kurs gegen Rechtsextremismus.
"Da müssen wir ran", sagt der Grünen-Sicherheitsexperte Konstantin von Notz. Konkret fordert er, im Innenministerium eine "Task Force zur rechtsextremen Bedrohungslage" einzurichten. So etwas Ähnliches hat Horst Seehofer zusammen mit dem Justiz- und Familienministerium bereits kurz nach dem Attentat in Halle angekündigt: ein Neun-Punkte-Plan gegen Rechtsextremismus.