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Kampf gegen endlose Sandlandschaften in Mali

Klaudia Pape15. April 2006

In Mali sind zwei Drittel des Landes bereits Staubland: Sahara oder angrenzende Sahelzone. Und die Wüste dringt immer weiter nach Süden vor - langsam aber sicher. Klaudia Pape war für die Deutsche Welle in Malis Norden.

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Dünenbefestigung mit Sträuchern: der verzweifelte Versuch, die Wüste zu stoppenBild: Klaudia Pape

Wenn Böden austrocknen und endlose Sandlandschaften entstehen, auf denen kein Leben mehr möglich ist, wenn riesige Sanddünen grüne Landschaften verschlucken und mit ihnen alle Hoffnungen der dort lebenden Bauern - dann spricht man von Desertifikation, von Wüstenbildung. Besonders betroffen davon ist der Sahelstaat Mali in Westafrika. Im Norden des Landes stellt die Wüste die Nomaden vor große Veränderungen.

Fassungsloser Blick zurück

Eigentlich ist Elkassim Ag Hadé durch nichts mehr aus der Ruhe zu bringen. Nur hier, am Rande von Timbuktu wirkt der Mann mit dem blauen Turban noch heute fassungslos. Genau hier, an dieser Stelle, erzählt er, habe er schwimmen gelernt; hier habe er als Junge mit den Fischern geangelt und in den Gärten am Flussrand Obst und Gemüse stibitzt. Und heute, seufzt Elkassim leise: "Schauen Sie sich das an, das ist doch schrecklich!" Er zeigt mit weit ausholenden Handbewegungen im Süden auf zerbröselnde Lehmbauten und im Norden auf Dünen, Sand und Sträucher - soweit das Auge reicht. Vor 1000 Jahren lag Timbuktu noch in grünen Landschaften, vor 40 Jahren direkt am Niger und heute mitten in der Wüste.

Wettlauf gegen die Zeit

Fieberhaft versucht die malische Regierung nun, gemeinsam mit Hilfsorganisationen und der Bevölkerung, die Dünen zu stoppen. Es werden Erosions-Schutzwälle gebaut, widerstandsfähige Bäume gepflanzt und die Dünen mit Hecken und Gräsern befestigt, um Wind und Sand auszubremsen.

Bildgalerie Wüste Mali Normaden
Die Tuareg müssen sich an ein sesshaftes Leben gewöhnenBild: Klaudia Pape

Ein Wettlauf gegen die Zeit: Die Sahara frisst sich weiter nach Süden vor und lässt Jahr für Jahr Acker- und Weideland verschwinden. Der Klimawandel trägt seinen Teil dazu bei: Es regnet immer weniger und zu unregelmäßig. Einige Landwirte verschärfen das Problem: Sie lassen das Vieh überall weiden, fällen zu viele Bäume und pumpen das Grundwasser ab. Kein Wunder, Mali war schon immer ein bitterarmes Land, und deshalb haben die Menschen alle Ressourcen schonungslos ausgebeutet.

20 Kilometer von Timbuktu entfernt liegt, mitten in der Wüste, das Dörfchen Tintelout, eine der ersten festen Tuareg-Ortschaften der Umgebung. Elkassim Ag Hadé hat hier gelebt, bis er nach Timbuktu gezogen ist, um dort für internationale Organisationen zu arbeiten.

Von der Dürre verändert

"Tintelout", erklärt der kräftige Mann mit dem charmanten Lachen, bedeute auf Tamaschek, der Sprache der Tuareg, "Ort der Elefantenkuh". Denn hier habe es Elefanten gegeben, Löwen und Antilopen - eigentlich alles, was man sich an Wildtieren vorstellen könne. Bis Anfang der 70er Jahre eine Dürre die Region erfasste. Kein einziger Regentropfen kam vom Himmel, erinnert sich Elkassim, und Umwelt und Menschen begannen sich rasant zu verändern. Manche Menschen, so erzählt der Tuareg, seien damals verrückt geworden, weil ihre gesamten Viehherden eingegangen sind. Manche seien halb verdurstet und geschwächt in den eilig eingerichteten Flüchtlingslagern angekommen, und viele, sagt Elkassim leise, hätten die Dürre nicht überlebt: "Das werde ich nie vergessen: die Toten, die Skelette, die Augen der sterbenden Kinder. Ich sehe sie heute noch vor mir."

Aus Nomaden werden Feldarbeiter

Es ist still in Tintelout und heiß. Der Wüstenwind Harmattan fegt um die kleinen Lehmbauten, einige Frauen und Kinder sitzen im Schatten der Hütten und bereiten das Mittagessen vor. Die meisten der 1000 Bewohner von Tintelout sind entweder bei ihren Viehherden - oder sie arbeiten auf den Feldern in der Umgebung.

Die Tuareg, Nomaden mit Herz und Seele, mussten sich umstellen. Früher sind sie mit ihrem Vieh durch die Region gezogen - immer dorthin, wo es Wasser gab. Doch auf Wasserstellen und Regenzeiten können sie sich heute nicht mehr verlassen. Deshalb leben die meisten von ihnen jetzt einen Kompromiss: Sie sind ein bisschen Viehzüchter - mit nur einigen wenigen Tieren - und ein bisschen Landwirt; sie sind manchmal unterwegs und manchmal sesshaft.

Bildgalerie Wüste Mali
Verarmte Familie in der Wüste bei TimbuktuBild: Klaudia Pape

"Ein Tuareg, der mit einer Hacke auf dem Feld steht, die Füße im Schlamm - so etwas gab es vorher nicht!" erklärt Ousmane Ag Habi aus Tintelout und verzieht dabei das Gesicht. Aber, lenkt er ein, so nach und nach hätte man sich daran gewöhnt. "Uns blieb ja auch nichts anderes übrig. Und das reine Nomadenleben wäre heute sowieso nicht mehr das, was es einmal war."

Vision von blühenden Landschaften

Die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) hat den Tuaregs, aber auch anderen Völkern aus Malis Norden dabei geholfen, in einem veränderten Klima zu leben: vor allem mit Motor-Wasserpumpen, die die Menschen unabhängiger machen von Regenzeiten und ihnen ermöglichen, entlang des Niger ganzjährig Reis, Weizen und Gemüse für den eigenen Gebrauch anzubauen. Henner Papendiek von der GTZ würde die Bewässerungslandwirtschaft am liebsten gewaltig ausbauen. Seine Vision ist ein breiter grüner Gürtel am Rand des Flusses. Entlang des Niger, meint Papendiek, könnten ähnlich blühende Landschaften entstehen wie am Nil in Ägypten.

Schonender Umgang mit Ressourcen

Davon ist Mali noch weit entfernt. Aber in vielen Orten des Landes ist trotz ausgelaugter Böden und Wüstenbildung Leben wieder möglich: Weil die Menschen in den letzten Jahren gelernt haben, die Überschwemmungsgebiete des Niger zu nutzen, ihre Felder vor Erosion zu schützen, die Bodenfruchtbarkeit zu verbessern, das knappe Feuerholz einzusparen, Bäume zu pflanzen und Dünen zu befestigen. Außerdem haben Regierung und Kommunen jede Menge neue Verordnungen erlassen: Bäume zum Beispiel dürfen nicht mehr einfach abgeholzt und Viehherden nur noch über bestimmte Wege getrieben werden.

Amour fou für die Wüste

Elkassim Ag Hadé, der Tuareg aus Timbuktu, glaubt allerdings nicht, dass all dies - angesichts der gigantischen Sandmassen in der Sahara - langfristige Lösungen sind. Er plädiert vielmehr für eine globale Lösung, bei der alle betroffenen Länder, Regierungen und internationalen Partner zusammenarbeiten sollten. Er denkt an Anpflanzungen über 500 Kilometer in die Wüste hinein und an künstlichen Regen, mit dem diese bewässert werden müssten: "Irgendetwas in dieser Dimension."

Für Elkassim hat die Wüste allerdings auch noch eine ganz andere Seite: In jeder freien Minute fährt er Richtung Norden - in die Sahara. "Ich bin ein Tuareg, ein Nomade", sagt er, "mit einer amour fou, einer verrückten Liebe für die Wüste. Ich kann ohne sie nicht leben. Die Wüste ist bedrohlich, aber sie ist auch schön."