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Politik

Kamala Harris punktet mit Persönlichkeit

Julia Mahncke
15. August 2020

Viele indische Amerikaner in den USA freuen sich, dass Joe Biden die indisch-jamaikanische Kamala Harris als Stellvertreterin gewählt hat. Doch die meisten von ihnen hätten wohl sowieso die Demokraten gewählt.

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Kamala Harris
Bild: picture-alliance/dpa/B. Cahn

Ein Blick zurück auf die jüngste Präsidentschaftswahl in den USA im Jahr 2016 zeigt, dass US-Amerikaner mit indischen Wurzeln sich größtenteils einig waren: Etwa 85 Prozent stimmten für die Demokratische Partei ab, also für Hillary Clinton, so die Statistik der Organisation Asian American and Pacific Islander Data. Donald Trump konnte mit einem eigenes auf Hindi produzierten Werbevideo damals nur eine kleinen Teil der indischen US-Amerikaner überzeugen.

Im Wahljahr 2020 schenken beide Präsidentschaftskandidaten der Wählergruppe mit indischen Wurzeln ihre Aufmerksamkeit. Derzeit machen indische Amerikaner etwas mehr als ein Prozent der Bevölkerung in den USA aus, doch als Wählergruppe und Spender sind sie in den vergangenen Jahren immer aktiver geworden. Außerdem sind sie eine der am schnellsten wachsenden Einwanderungsgruppen. 

Joe Biden richtete sich etwa mit einem Statement an Muslime und kritisierte den hindu-nationalistischen indischen Premierminister Narendra Modi für seinen Umgang mit der muslimischen Minderheit in seinem Land.

USA, Houston: Vor dem Treffen von Trump und Modi
"Howdy, Modi!" in Texas: Zehntausende indische US-Amerikaner waren begeistert - und bleiben doch die AusnahmeBild: Getty Images/S. Flores

Präsident Donald Trump startete im Februar eine Werbekampagne im Internet mit Bildern seines Besuchs in Indien. Er versprach, eng mit Indien zusammenzuarbeiten und die Freundschaft mit Modi weiter auszubauen. Bereits im September 2019 veranstaltete Trump im Bundesstaat Texas, wo mehr als 452.000 US-Amerikaner mit indischen Wurzeln leben, eine Großkundgebung mit dem indischen Premier unter dem Motto "Howdy, Modi!", die Zehntausende Besucher anzog. 

"Harris ist eine starke Rednerin"

Und nun haben die Demokraten also Kamala Harris, deren Mutter aus Indien stammt, als Joe Bidens Partnerin im Wahlkampf. "Es ist aufregend, dass eine schwarze Frau zum ersten Mal für einen so hohen Posten nominiert ist", sagt Sangita Gopal, die in Kalkutta aufwuchs und vor rund 30 Jahren als Doktorandin in die USA kam.

Gopal verfolgt Harris' Karriere schon länger - ihr Bruder, der als Anwalt in Washington D.C. arbeitet, hatte ihr von der Generalstaatsanwältin und aufstrebenden Politikerin aus Kalifornien erzählt. "Sie ist eine beeindruckende und starke Rednerin", meint Gopal. Sie hat noch gut in Erinnerung, wie die damalige Senatorin aus Kalifornien den konservativen Kandidaten für den Obersten Gerichtshof, Brett Kavanaugh, bei Anhörungen in die Zange nahm. 

Kamala Harris, Senatorin aus Kalifornien, bei einem Hearing im Senat
Starke Rednerin: Kamala Harris, Senatorin aus Kalifornien, bei einem Hearing im SenatBild: Getty Images/AFP/A. Drago

Einer Freundin, so berichtet Gopal, gefiel die Wahl von Harris als Bidens Stellvertreterin so gut, dass diese sich nun als Freiwillige in Bidens Wahlkampagne engagiert. Im November wird auch Gopal ihre Stimme für die Demokraten abgeben, aber mit Harris' Politik habe das nichts zu tun. Vielmehr damit, dass Trump für sie nicht in Frage komme.

Eigentlich hätte die Professorin für Filmwissenschaft, Ehefrau und Mutter einer elfjährigen Tochter, lieber den progressiven Kandidaten Bernie Sanders gewählt. Von den Demokraten wünscht sie sich, dass sie Indiens Politiker mehr zur Rechenschaft ziehen, wenn es um die Rechte von Minderheiten im Land geht: "Die unglaublich freundliche Beziehung zwischen Trump und Modi heißt, dass die Verbrechen der indischen Administration einfach unter den Tisch fallen." 

Neue Politiker bringen neue Wähler mit sich

Ob die eingefleischten Trump-Fans unter den indischen US-Amerikanern sich wohl wegen Kamala Harris umstimmen lassen? Unwahrscheinlich, sagt Rishi Bhutada, einer der Gründer der politischen Lobbygruppe Hindu American PAC. Seine Anhänger schauten eher auf Wirtschaftsfaktoren als auf Herkunft. 

Rishi Bhutada, Mitgründer des Hindu American PAC,
Wirtschaft wiegt schwerer als Herkunft, sagt Rishi Bhutada vom Hindu American PACBild: Bijay Dixit

Die Tatsache, dass Joe Biden nun mit Harris antritt, könnte allerdings in anderer Hinsicht die Wahllandschaft verändern, erklärt Bhutada im Gespräch mit der DW: "Ich denke, die größte Auswirkung wird sein, dass diejenigen, die im Allgemeinen nicht wählen, jetzt möglicherweise engagierter sind." Noch hat sich das PAC, das politische Aktionskomitee, nicht entschieden, welchen Kandidaten sie für die Präsidentschaftswahl unterstützen wollen.

Bevor sie die 3000 Leser ihres Emailnewsletters anschreiben, warten sie noch darauf, dass beide Parteien ihren Fragebogen ausfüllen. Bhutada will zum Beispiel wissen, wie die Kandidaten gegen Hasskriminalität in den USA vorgehen wollen oder wie sie die indische Regierung im Kampf gegen Terrorismus unterstützen werden. Bisher hat die Gruppe, die der Texaner ehrenamtlich mit fünf anderen Mitstreitern leitet, Kamala Harris noch keine Wahlspenden zukommen lassen. In der Vergangenheit hat das Hindu American PAC Politiker beider Parteien unterstützt und konzentrierte sich ganz auf politische Inhalte.

Anita Chari, Politikwissenschaftlerin, Professorin an der University of Oregon
Eine Symbolfigur sieht Politikwissenschaftlerin Anita Chari in Kamala HarrisBild: privat

Ein Meilenstein - Politik hin oder her

Kamala Harris wird als eine solide Kandidatin der Mitte für die Demokratische Partei gesehen, die weder für eine radikal neue Agenda steht, noch zu altbacken wirkt. Doch ihre Identität als Kind von Einwanderern aus Jamaika und Indien, ihre Identität als schwarze Frau, ist eine Besonderheit in der US-amerikanischen Politiklandschaft - und etwas noch nie Dagewesenes für ein so hohes Amt wie das des Vizepräsidenten.

Es verwundert also kaum, dass die indische Gemeinschaft in den USA Grund zum Jubeln sieht. Mindy Kaling, eine prominente Produzentin und Schauspielerin, filmte schon im November 2019 ein Kochvideo mit Harris, in dem sie vor Enthusiasmus für die Politikerin übersprudelte. 

"Lauwarm" sei seine Begeisterung für Kamala Harris, aber trotzdem sei ihre Kandidatur als Stellvertreterin von Joe Biden ein wichtiger Moment für viele Menschen, sagt Hari Kondabolu. Der Comedian ist unter anderem bekannt für einen kritischen Dokumentarfilm über die indische Figur Apu in der TV-Serie "The Simpsons". 

Auch die Politikwissenschaftlerin Anita Chari von der University of Oregon sieht in Harris eine Symbolfigur. Dass jemand wie sie, die sowohl zur schwarzen Bevölkerung der USA als auch der indischstämmigen Bezüge hat, Teil der Parteispitze ist, sei wichtig: "Was ich an ihr und ihrer Kandidatur liebe, ist, dass indische US-Amerikaner, Südasiaten, auf der einen Seite Solidarität mit ihr zeigen können und ihre Kandidatur auf der anderen Seite als einen notwendigen Anknüpfungspunkt nutzen können, um Rassismus in der indischen und südasiatischen Gemeinschaft wirklich zu bekämpfen."

Chari, die in den 1980ern als Kind indischer Einwanderer in Chicago aufwuchs, beobachtet außerdem einen langsamen, erfreulichen Wandel: "Die indisch-amerikanische Kultur in den Vereinigten Staaten war lange, lange Zeit sehr unsichtbar, und das hat sich in den vergangenen fünf Jahren geändert." Harris habe das Potential, der feindlichen Stimmung der Trump-Regierung gegenüber Immigranten, die Stirn zu bieten. "Sie kann Situationen schnell und gut einschätzen, ist eine knallharte Kritikerin von Trump und setzt sich mit ihrer Stimme von anderen ab."