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Juncker: EU in einer Existenzkrise

14. September 2016

Kommissionspräsident Juncker sieht die EU in einer existenziellen Krise. Die 28 Mitgliedstaaten sprächen zu oft nur von ihren eigenen nationalen Interessen, sagte er in seiner Rede zur Lage der Union.

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Jean-Claude Juncker vor dem EU-Parlament (Foto: dpa)
Jean-Claude Juncker vor dem EU-Parlament (Foto: dpa)Bild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

Der EU-Austritt Großbritanniens ist für Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nicht der Beginn eines Auflösungsprozesses Europas. Die EU bedauere die Entscheidung der Briten, "aber die Europäische Union ist in ihrem Bestand nicht gefährdet", sagte Juncker in seiner Rede zur Lage der Union vor dem Europaparlament in Straßburg. Einige Entwicklung ließen allerdings vermuten, "dass wir es in Teilen mit einer existenziellen Krise der Europäischen Union zu tun haben".

Juncker warf den EU-Regierungen vor, zu oft nationalen Interessen Vorfahrt einzuräumen: "Die Zahl der Bereiche, in denen wir solidarisch zusammenarbeiten, ist zu klein." Er warnte davor, Populisten in die Hand zu spielen. "Populismus löst keine Probleme - im Gegenteil: Populismus schafft Probleme." Zwei Tage vor dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs zur Zukunft der Union verlangte Juncker eine "ehrliche Bestandsaufnahme" und auch mehr Anstrengungen gegen Arbeitslosigkeit und für ein sozialeres Europa.

Plan ohne Finanzierung

Um die Wirtschaftsflaute in Europa zu überwinden, will Juncker sein 2014 gestartetes Investitionsprogramm verdoppeln: Statt 315 Milliarden Euro binnen drei Jahren sollen nun 630 Milliarden bis 2020 erreicht werden, sagte der Kommissionspräsident. Der sogenannte Juncker-Plan soll mit einem kleinen Anteil öffentlicher Gelder vor allem private Investitionen anstoßen. Der Grundstock waren 21 Milliarden Euro im "Europäischen Fonds für strategische Investitionen" (EFSI).

Seit seinem Beginn sind damit nach Angaben der EU-Kommission bereits Projekte für 116 Milliarden Euro gestartet worden. Die Finanzierung der Verdoppelung des Programms in Volumen und Dauer ist allerdings noch nicht geklärt. Als gesichert gilt nach Junckers Worten nur ein Gesamtvolumen von 500 Milliarden Euro bis 2020. Nötig sind darüber hinaus weitere Mittel aus dem EU-Haushalt wie auch von den Mitgliedsstaaten.

Brexit-Befürworter Anfang Juni in London (Foto: Reuters)
Brexit-Befürworter Anfang Juni in LondonBild: Reuters/N. Hall

Nachverhandlungen mit Kanada über das Freihandelsabkommen Ceta schloss Juncker in seiner Rede aus. "Die Garantien, die wir brauchen, können in den Parlamenten präzisiert und ausverhandelt werden", sagte Juncker. "Aber Nachverhandlungen kann es nicht geben." Ceta sei das "beste und fortschrittlichste" Handelsabkommen, das die Europäische Union je abgeschlossen habe. Der Handelsvertrag ist in den Mitgliedstaaten umstritten. Kritisiert wird insbesondere die vorgesehene Einrichtung von Schiedsgerichten für die Lösung von Konflikten.

"Kein Binnenmarkt à la Carte"

Mit Blick auf die Austrittsverhandlungen mit Großbritannien bekräftigte der Kommissionspräsident, dass London "keinen Binnenmarkt à la Carte" bekommen könne. In den anstehenden Verhandlungen über die künftigen Beziehungen werde es ungehinderten Zugang zum europäischen Wirtschaftsraum nur geben, wenn die britische Regierung die Freizügigkeit für EU-Bürger akzeptiere.

Die Briten hatten Ende Juni überraschend mit knapp 52 Prozent für den Austritt aus der EU gestimmt. Am Freitag kommen die Staats- und Regierungschefs der anderen 27 EU-Länder in der slowakischen Hauptstadt Bratislava zusammen, um die Weichen für eine Neuausrichtung der EU zu stellen. Schwerpunkte sollen laut EU-Ratspräsident Donald Tusk insbesondere Sicherheitsfragen und Grenzschutz sein.

stu/fab (afp, dpa)