Muttis Schönste
10. März 2016Manchmal hilft der Zufall. Zum Beispiel die Geschichte mit dem Imam in der Flüchtlingsunterkunft in Idar-Oberstein. Der wollte Julia Klöckner nicht die Hand geben. Ein pikanter Vorfall mitten in der hoch emotionalisierten Debatte darüber, wie viel Willkommenskultur sich Deutschland leisten solle. Konnte der Wahlkämpferin etwas Besseres passieren? Seitdem erntet sie stehende Ovationen, ob auf Marktplätzen oder beim CDU-Parteitag, wenn sie Alltagsbegebenheiten schildert, bei denen es zwischen der hiesigen und der fremden Kultur mächtig kracht. Denn sie weiß, wie sie punkten kann.
Klöckner pflegt eine volknahe Ausdrucksweise. Das klingt dann etwa so wie bei ihrem immer wieder zitierten Bonmot über die deutsche Hausordnung: Männer und Frauen sind gleichberechtigt, referiert sie regelmäßig. Und wer als muslimischer männlicher Flüchtling von weiblichen Helferinnen kein Essen annehme, der sei eben schon satt. Peng! Das kommt an mitten im Wahlkampf. Julia, wie sie kumpelhaft in der Union passend zu ihrem unkomplizierten Wesen genannt wird, beackert bislang erfolgreich den schmalen Grat zwischen grundsätzlicher Merkel-Loyalität in der Flüchtlingspolitik und dem Aussprechen von Volkes Kritik.
Wahlkampf mit nur einem Thema: Flüchtlingspolitik
Schon 2014 erkannte sie das politische Potential des Flüchtlingsthemas für den Wahlkampf. Selbst für konservative Parteifreunde überraschend, sprach sie sich früh für ein Burkaverbot in Deutschland aus. Die Burka sei kein religiöses Symbol, sondern Ausdruck einer politischen Haltung. Die Medienaufmerksamkeit war ihr sicher. Aber wirklich gewagt war diese Wortmeldung nicht in einem Land, das nur vergleichsweise wenige Burka-Trägerinnen kennt.
Richtig ernst wurde es für die Landespolitikerin, als sie zum Jahreswechsel ein Papier in der Parteispitze in Umlauf brachte, das als galantere Variante der von Merkel strikt abgelehnten Obergrenze für Flüchtlinge firmierte. "A2" nannten sich die zwei Seiten und eben nicht "Plan B", der ja eine Alternative zu Merkels Kurs suggeriert hätte.
Nur kurz hielt sich der Verdacht, die aufstrebende 43-Jährige sei der Kanzlerin in den Rücken gefallen. Klöckner plädierte für mehr Kontrolle an den Grenzen und vor allem für Kontingente. Tatsächlich klang das wie ein Widerspruch zur Merkel-Linie. Doch es gehört zur fast schizophrenen Situation vieler Unionspolitiker, dass sie gegenüber Merkels Flüchtlingskurs schwere Bedenken haben, aber dennoch in Treue fest zur Kanzlerin stehen. Noch.
Geländegängig durch den Wahlkampf
Julia Klöckner entstammt einer Winzerfamilie. Schon 1995 machte ihr Gesicht und ihr Name die Runde in den Medien, sie wurde zur Königin ernannt – zur deutschen Weinkönigin. Ein Amt, das ihr rund 200 öffentliche Auftritte in dem Jahr bescherte. Ein frühes politisches Praktikum. Sie studierte Politik, katholische Theologie und Pädagogik und wollte eigentlich Lehrerin werden. Ihr Privatleben hängt sie nicht an die große Glocke. Der langjährige Lebenspartner blieb lange komplett im Hintergrund. Erst als Gerüchte kursierten, sie habe womöglich keinen Mann an ihrer Seite, bekam der Anonymus einen Namen. Viel Raum überließen ihr die Medien für ihre Hungerkur. 17 Kilo hat die eher pausbäckige Klöckner für den Wahlkampf abgespeckt. Manchmal ist nicht ganz klar, ob sie mit der burschikosen Art in Auftritt und Sprache – sie nennt sich gerne "geländegängig" – nur kokettiert. Andererseits wirkt der fröhlich-laute Klöckner-Stil im Lande Helmut Kohls durchaus authentisch.
Über Klöckners Zukunft wird am 13. März (vor)entschieden
Julia Klöckner zählt zur Generation der Erben in der Union. Im inoffiziellen Konkurrenzkampf um die baldige oder auch erst fernere Ablösung Merkels schwimmt sie derzeit auf einer Sympathiewelle in der Partei. Ganz im Gegensatz zu Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, deren Ehrgeiz stets etwas angestrengt wirkt. Und auch Innenminister Thomas de Maizierè kann allein mit seiner Aura des Pflichtbewusstseins in der CDU nicht punkten. Julia Klöckner gilt in der Union inzwischen als realistische Alternative zu Merkel. Die Nachfolgefrage der Ikone Merkel war bis zur historischen Flüchtlingsbewegung ein Thema der fernen Zukunft. Jetzt ist der mögliche Stabwechsel vielleicht ganz nah. Klöckner wäre das Gegenmodell zur protestantischen, analytischen und äußerlich eher unscheinbaren Kanzlerin aus dem deutschen Osten: Sie vermarktet sich gerade als volksnahe, katholische große Blonde. Und sie gilt als Instinktpolitikerin. Beide – Merkel und Klöckner – haben zuletzt Traumergebnisse auf dem Parteitag erzielt.
Ein politischer Fauxpas wie 2009 dürfte ihr auf dem Weg nach oben inzwischen nicht mehr passieren. Damals twitterte sie aus der Bundesversammlung heraus die erfolgreiche Wahl für Horst Köhler zum neuen Bundespräsidenten.