"Das hat richtig rasiert" - neue Einflüsse auf die Jugendsprache
12. Dezember 2013"Yo, Alter, du hast voll den Swag raus!" So kann es sich anhören, wenn sich Jugendliche gegenseitig ein Kompliment machen. Begriffe, vor denen Lehrer und Eltern in Deutschland inzwischen kapitulieren, weil sie sie nicht übersetzen können. "Swag", "Selfie" (Selbstportrait, das mit dem Smartphone geschossen wird) oder "YOLO" (You Only Live Once) sind unter Jugendlichen in aller Munde. Neu ist, dass auch Worte aus dem Türkischen oder Arabischen wie "Yallah" (Beeilung!) in die Alltagssprache der Jugendlichen einwandern.
Erst vor kurzem hat der Wörterbuchverlag Langenscheidt nach längeren Abstimmungen im Internet das Jugendwort 2013 ermittelt: "Babo" soll laut Angaben des Verlages gerade ganz angesagt sein. Das Wort kommt aus dem Türkischen und heißt so viel wie: Chef oder Anführer. Die Aufmerksamkeit dafür erzeugte der Rapper "Haftbefehl", der dieses Wort neben anderen nicht jugendfreien Begriffen in seinem Song als gängige Wortwahl benutzt. Wie wandern solche Vokabeln in den Wortschatz von deutschen Jugendlichen ein?
Jugendsprache ist wichtig für die Peer-Group
"Die Jugendlichen wollen eine andere Sprache sprechen, um sich abzugrenzen. Sie fühlen sich dadurch cooler als die Erwachsenen und die Lehrer", sagt Eva Neuland, Sprachforscherin der Universität in Wuppertal im DW-Interview. Die Abgrenzung wirke dabei eher unbewusst. In den 1970er Jahren sei diese Form des Andersseins vielfach auch äußerlich sichtbar gewesen, zum Beispiel in der Punkbewegung. "Heute beruht die Jugendsprache viel mehr auf einem Gruppengefühl. Mit der Sprache wird klar abgegrenzt, zu welcher Clique man gehört." Das wird auch deutlich bei einer Umfrage am Friedrich-Ebert Gymnasium in Bonn. Jede Altersgruppe von Jugendlichen hat ihre eigene Sprache: "YOLO" sagen zum Beispiel nur die 12-Jährigen.
"Wir sagen so etwas nicht. Dafür sind wir schon zu alt", sagt die 14-jährige Yasmina. Die Jugendsprache ist also ein Erkennungsmerkmal für die eigene Gruppe.
Sprachenvielfalt hat einen großen Einfluss
In den Modewörtern der einzelnen Gruppen spiegelt sich aber auch die Vielfalt der Gesellschaft wider, denn die Mehrsprachigkeit hat eine immer wichtigere Bedeutung bekommen. Jugendliche Migranten aus Osteuropa, aus arabischen Regionen und aus Afrika lassen immer wieder Worte aus der Muttersprache in ihr Umfeld einfließen. Und genau das komme bei vielen Jugendlichen gut an und werde dann einfach adaptiert, sagt Eva Neuland: "Wenn man in der Schule einen türkischen Sitznachbarn hat, nimmt man ab und zu Worte wahr, die interessant klingen. Und die will man auch verstehen und benutzen, um dazuzugehören."
So käme es, dass Lehrer und Eltern oft nicht mehr verstehen, worüber gerade geredet wird. Gerade das gäbe Jugendlichen ein Gefühl, anders und besonders zu sein. Am Bonner Gymnasium werden besonders oft Worte aus dem Türkischen, Spanischen, Portugiesischen und Englischen auf dem Schulhof von den Kindern verändert und in die Alltagssprache eingebaut.
"Arabische und türkische Worte bleiben erstmal in der Jugendsprache"
Worte aus dem Türkischen und aus dem Arabischen könnten unter Umständen im Deutschen einen so starken Einfluss gewinnen wie zum Beispiel Englisch oder Französisch. Ob - und wann - dieser Fall tatsächlich eintreten wird, kann die Sprachforschung allerdings nicht genau vorhersagen. "Meine Prognose ist, dass es ein weit geringerer Prozentsatz sein wird", so Neuland. Es erscheint eher noch wie eine Modeerscheinung.
Unter Teenagern drücke die Sprache zum Beispiel noch ein bestimmtes Prestige aus: "Jungen geben mit dieser Art der Sprache gerne an und leben so nach einem bestimmten Macho-Bild, wie zum Beispiele viele Rapper in ihren Songs. Aber mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit kann ich prognostizieren, dass Jugendliche, die ins Berufsleben einsteigen oder einfach ins Erwachsenenalter kommen, diese Sprache nicht mehr benutzen werden." Auch wenn schon lange Worte wie Kiosk von türkisch "Köşk" abstammen (auf Deutsch: Gartenpavillon), bleiben Worteinflüsse wie "Yallah" oder "Babo" wohl vorerst Teil der Jugendsprache, so die Sprachforscherin.
Aber nicht nur fremde Sprachen beeinflussen die Wortwahl deutscher Jugendlicher, auch das Netz und medienpolitische Ereignisse bieten Jugendlichen einen ertragreichen Fundus, um neue Worte zu kreieren:
Wortschöpfungen wie "wulffen", die das Fehlverhalten von Ex-Bundespräsident Christian Wulff zum Ausdruck bringen, oder "griechen" als neuer Ausdruck für Armut sind nur wenige Beispiele, die aus der deutschen Sprache entnommen sind. "Diese Worte gehören eher zum Sprachschatz von Studenten als von Schülern. Falls Schüler davon Gebrauch machen, wünschte ich mir, dass Eltern und Lehrer den politischen Kontext mit den Schülern besprechen, damit der auch richtig verstanden wird", fordert Neuland. Gleichzeitig hätten aber auch Jugendliche die Pflicht, älteren Menschen die neuesten Wortkreationen aus der Netzkultur zu erklären.