Jugendliche gegen die Comorra
30. Januar 2009Im Kulturzentrum von San Giovanni al Teduccio ist Kinoabend. Hier heißt das, zehn Plastikstühle stehen vor einem gebrauchten Fernseher. Es läuft ein Film über Raffaele Cutolo, den mächtigsten Camorra-Boss, den Neapel jemals hatte.
Die Camorra studieren, um sie zu bekämpfen - das wollen die jungen Leute, die eine verlassene Garage zu einem Kulturzentrum umgebaut und nach Peppino Impastato benannt haben. "Das war ein junger Mann mit einer Vision," sagt der 17-jährige Stefano. "Ein junger Sizilianer, Sohn eines Mafioso, der mit seiner Familie brach und sich entschied, die Mafia zu bekämpfen."
Drogenhandel und Schießereien vor der Haustür
Stefano möchte ihm nacheifern. Er entwirft Flugblätter mit Texten, in denen er anprangert, was alles falsch läuft in seinem Viertel. Und das ist eine ganze Menge, erzählen Maria und Valentina, die das Kulturzentrum mitgegründet haben. Sie wohnen Tür an Tür mit den Camorristi. "Nachts laufen die schmutzigen Geschäfte. Einbrüche in Geschäfte, Drogenhandel, und dann kommt es immer wieder zu Unfällen und Schießereien - und all das quasi unter meinem Fenster", erzählt Maria.
Für Valentina ist es selbstverständlich, dass sie sich für den Kampf gegen die Camorra einsetzt: "Ich lebe in einem Viertel von Neapel, das vom Staat vergessen wurde und wo große Kriminalität herrscht. Die einzige Möglichkeit, etwas dagegen zu tun ist, dass man sich auf sozialer Ebene engagiert und andere Jugendliche sensibilisiert für die Probleme, die die Camorra mit sich bringt."
"Camorristi sind arme Schlucker"
Deshalb machen die jungen Leute Kinoabende und Anti-Camorra-Parties in ihrem Kulturzentrum. Unterstützt werden sie von Priester Don Tonino Palmese und einem Lehrer. Gemeinsam haben sie ein Theaterstück geschrieben. Es handelt von einem jungen Straßenräuber, der bei einem Diebstahl erschossen wird.
Es gibt keine Helden mit makellos reiner Weste. Und auch keine Camorra-Mitglieder ohne menschliche Züge. Das ist nicht unbedingt politisch korrekt, aber nah am Leben, meint Don Tonino Palmese. "Die Camorristi hier sind arme Schlucker. Leute, die in einer Saison vom Winter bis zum Frühjahr durch den Drogenhandel zu Geld gekommen sind und die dann, wenn das Geld längst für die neue Einbauküche oder das Motorrad ausgegeben ist, nicht mehr wissen, was sie essen sollen."
Um sich teure Statussymbole leisten zu können, stellen sich schon Minderjährige in den Dienst der Camorra. Sie stehlen auf Bestellung, legen Brandsätze und machen all die kleinen Arbeiten, die am Anfang einer kriminellen Karriere in Neapel stehen. Die Eintrittskarte in die Welt der Camorra ist aber nach wie vor ein Mord. Die Killer werden immer jünger. Und die Angst vor ihnen immer größer. Marco, der mit zwölf Jahren das jüngste Mitglied des Kulturzentrums ist, sagt: "Wir müssen diese Angst überwinden. Sonst haben wir kein Leben mehr."