Jubel und Zorn nach Berlusconi-Urteil
Es war das erste Mal in seiner skandalreichen Laufbahn, dass Italiens früherer Regierungschef Silvio Berlusconi rechtskräftig verurteilt wurde: Der Kassationsgerichtshof in Rom bestätigte am Donnerstag in letzter Instanz eine zuvor auf zwölf Monate reduzierte Haftstrafe wegen Steuerbetrugs gegen ihn. Ein fünfjähriges Ämterverbot verwiesen die Richter aber zur Neuverhandlung an ein Berufungsgericht zurück.
In dem Prozess ging es um Berlusconis Medienkonzern Mediaset, der Schwarzgeldkonten im Ausland unterhalten und Preise für Filmübertragungsrechte künstlich in die Höhe getrieben haben soll. Der Anklage zufolge erwarben Scheinfirmen die Rechte und verkauften sie anschließend an Mediaset zurück. Insgesamt entgingen den italienischen Finanzbehörden dadurch sieben Millionen Euro. Berlusconi war nach Überzeugung des Gerichts über das kriminelle Geschehen voll im Bilde.
Hausarrest oder soziale Arbeit?
In erster Instanz war der "Cavaliere" deshalb zu vier Jahren Haft und einem fünfjährigen Berufsverbot als Politiker verurteilt worden, allerdings wurde die Haftstrafe wegen einer Amnestieregelung auf ein Jahr reduziert. Wegen seines fortgeschrittenen Alters muss der 76-Jährige aber wahrscheinlich nicht mehr ins Gefängnis. Ob er das Jahr unter Hausarrest verbringen oder mit gemeinnütziger Arbeit ableisten muss, ließ der Kassationsgerichtshof offen. Zuvor müsste ohnehin seine parlamentarische Immunität aufgehoben werden. Und die Senatsabstimmung dazu könnte sich noch Wochen oder Monate hinziehen - unabhängig davon, ob das Ämterverbot bestätigt wird.
Berlusconi reagierte umgehend und wandte sich in einer vom italienischen Fernsehen ausgestrahlten Videobotschaft an die Nation. "Am Ende meiner Karriere wird der 20-jährige Einsatz für dieses Land mit Beschuldigungen und einem Urteil belohnt, das jeder Grundlage entbehrt", schimpfte der verbittert wirkende Politiker. Ein Teil der Richter in Italien sei "verantwortungslos", die Prozesse gegen ihn eine "wirkliche und wahre juristische Verbissenheit", die ihresgleichen suche. Er habe niemals ein Steuerbetrugssystem auf die Beine gestellt, sondern vielmehr "zum Reichtum des Landes beigetragen".
Schon in der Vergangenheit hatte der dreimalige Ministerpräsident sich wiederholt als Opfer der italienischen Justiz und ihrer "kommunistischen Richter" dargestellt. Das Urteil beraube ihn seiner "Freiheit und politischen Rechte". Dennoch kündigte er an, als Politiker weitermachen und seine frühere Partei Forza Italia wiederbeleben zu wollen. Diese hatte Berlusconi bei seinem Eintritt in die Politik 1994 gegründet.
Während seine Anwälte nun den Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erwägen, begrüßten Berlusconis Gegner das Urteil vor dem Gerichtsgebäude mit Jubelrufen und köpften eine Flasche Champagner.
Regierungschef Letta wiegelt ab
Der Regierungskoalition aus Berlusconis konservativer Partei Volk der Freiheit (PDL) und den Sozialdemokraten von Ministerpräsident Enrico Letta drohen indes Turbulenzen: Viele Linkspolitiker haben eine Zusammenarbeit mit der PDL ausgeschlossen, wenn diese fortan von einem verurteilten Steuerbetrüger geführt würde. Auch die PDL könnte die Koalition aus Ärger über das vermeintlich politisch motivierte Urteil gegen ihren Vorsitzenden platzen lassen. Letta bemühte sich nach dem Urteil um versöhnliche Töne. Zum Wohl des Landes sei nun Ruhe angebracht sowie Respekt vor der Justiz und ihren Entscheidungen.
Für Berlusconi sind die juristischen Verwicklungen aber noch nicht abgeschlossen: Zwei weitere Verfahren stehen noch an: der "Ruby"-Prozess um Sex mit minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauch und das "Unipol"-Verfahren wegen Bruchs des Amtsgeheimnisses. Ein dritter Prozess wegen Bestechung eines Senators könnte demnächst noch dazukommen.
mm/wa (dpa, afp, ap)