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Journalisten in Tripolis wieder frei

24. August 2011

Die Kämpfe in Libyens Hauptstadt halten an. Die Rebellen machen Jagd auf Gaddafi. Der verkündete, er werde siegen oder als Märtyrer sterben. Indes sind Journalisten, die in einem Hotel festgehalten wurden, wieder frei.

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Mit Helmen und kugelsicheren Westen bekleidete ausländische Journalisten im Hotel Rixos in Tripolis (Foto: dpa)
Tagelang wurden sie im Hotel gefangenengehalten, jetzt durften die Reporter das Rixos verlassenBild: Picture-Alliance/dpa

Die tagelang von Milizen des Libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi festgehaltenen ausländischen Journalisten sind nach einem Bericht des US-Senders CNN wieder frei. Demnach haben sie das Hotel in Tripolis, in dem sie tagelang festgehalten worden waren, inzwischen in einem Fahrzeugkonvoi verlassen. Zuvor hätten ihnen Anhänger Gaddafis erklärt, dass sie gefahrlos gehen könnten.

"Es war ein Albtraum", sagte CNN-Reporter Matthew Chance am Mittwoch (24.08.2011). Nun seien alle "restlos erleichtert". Mehrere Reporter hatten berichtet, Kollegen seien in den vergangenen Tagen mit Waffengewalt daran gehindert worden, das Hotel Rixos zu verlassen.

Unterdessen bemühte sich die Regierung in Rom um die Freilassung von vier in Libyen entführten italienischen Journalisten. Wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa in der Nacht zu Donnerstag berichtete, habe ein Krisenstab des Außenministeriums alle diplomatischen Hebel in Bewegung gesetzt. Die Entführten seien offenbar in einer Wohnung in Tripolis nahe dem Hotel Rixos untergebracht.

Ein Rebellenführer sagte am Mittwoch, die Aufständischen hätten erfahren, dass verbliebene Einheiten des Regimes angewiesen seien, gezielt ausländische Diplomaten und Journalisten als Druckmittel zu verschleppen.

Gaddafi: Bereit zum "Märtyrertod"

Muamar al Gaddafi (Foto: dapd)
Gaddafi zeigt sich kämpferisch und ruft zum Widerstand aufBild: dapd

Unterdessen fehlt von Machthaber Gaddafi weiter jede Spur. Sein Hauptquartier in Tripolis hat er an die Rebellen verloren. Doch der Despot meldete sich am Mittwoch (24.08.2011) erneut zu Wort und rief die Bevölkerung zum Widerstand auf. Zudem verhöhnte er die libyschen Aufständischen. "Ich gehe unerkannt spazieren, ohne dass die Menschen mich sehen", sagte Gaddafi in einer Audiobotschaft, die der in Syrien ansässige Sender Arrai ausstrahlte. Er befinde sich immer noch in der libyschen Hauptstadt Tripolis.

Bei seinem "Spaziergang" durch Tripolis habe er gesehen, dass junge Menschen die Stadt verteidigen, sagte Gaddafi. Er appellierte an "die Einwohner von Tripolis, die Stämme, die Jungen, die Alten", auf die Straße zu gehen und "Tripolis von den Ratten zu säubern". Der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira berichtete, dass Gaddafis Aufruf auch in einem lokalen Radiosender verbreitet wurde.

Zuvor hatte der 69-Jährige in einer am Dienstagabend veröffentlichten ersten Audiobotschaft angekündigt, bis zum "Märtyrertod oder Sieg" gegen die NATO zu kämpfen. Gaddafi hatte darin zudem erklärt, seine Residenz in Tripolis aus "taktischen Gründen" verlassen zu haben. Sein Stützpunkt Bab al-Asisija sei wegen 64 Luftangriffen der NATO nur noch ein Schutthaufen gewesen. Seine Truppen hätten den Kampf in Tripolis dennoch nicht aufgegeben, so Gaddafi.

Rebellen setzen Kopfgeld auf Gaddafi aus

Rebellen hissen nach der Eroberung der Residenz eine Libyenflagge (Foto: dapd)
Rebellen hissen nach der Eroberung der Residenz eine LibyenflaggeBild: dapd

Sechs Monate nach Beginn des Aufstands waren die Rebellen am Sonntag in Tripolis einmarschiert. Sie haben inzwischen den größten Teil der Stadt erobert. Am Dienstag stürmten sie Gaddafis Residenz. Sie feuerten Freudenschüsse in die Luft, räumten Waffenlager auf dem Gelände und zerstörten eine Gaddafi-Statue.

Über Gaddafis Aufenthaltsort wird weiter spekuliert. Die Rebellen vermuten, dass er sich im weiten unterirdischen Tunnelsystem seiner Residenzanlage befindet. Er könne aber auch in den Süden des Landes geflüchtet sein. Die Aufständischen zeigen sich trotzdem zuversichtlich: Die Frage sei nicht mehr, wo sich Gaddafi aufhalte, sondern nur noch, wann er festgenommen werde, sagte ein Sprecher der Rebellen. Nach Angaben arabischer Medien setzten sie inzwischen ein Kopfgeld auf Gaddafi aus. Demnach will der nationale Übergangsrat 1,7 Millionen Dollar (umgerechnet 1,17 Millionen Euro) für die Ergreifung des untergetauchten Diktators - tot oder lebendig - bezahlen.

Eine Flucht ins Ausland hat Gaddafi bislang abgelehnt. Dabei hat er bereits zwei indirekte Angebote bekommen: Nicaragua erklärte, dass es ein Asyl für Gaddafi nicht ausschließe. Auch aus Venezuela gab es Solidaritätsbekundungen: Staatschef Hugo Chávez sagte, er werde Gaddafi weiterhin als einzigen legitimen Führer Libyens anerkennen.

Gaddafi-Sprecher droht mit langem Krieg

Rebellen zerstören auf Gaddafis Gelände eine Statue des einstigen Revolutionsführers (Foto: dapd)
Rebellen zerstören auf Gaddafis Gelände eine Statue des einstigen RevolutionsführersBild: dapd

Ein Regierungssprecher Gaddafis drohte den Rebellen, der Bürgerkrieg werde noch Monate oder sogar Jahre andauern. Auch die Rebellenanführer würden keinen Frieden finden, wenn sie nach Tripolis kämen, sagte Mussa Ibrahim dem Sender Al-Oruba. Die Regierungstruppen würden Libyen notfalls "in einen Vulkan und in ein Meer aus Feuer verwandeln".

Die Rebellen rechnen weiterhin mit Widerstand von regimetreuen Truppen in Tripolis; um Gaddafis Militärkomplex werde auch immer noch gekämpft, hieß es. Regimetreue Soldaten feuerten zudem weiterhin Raketen auf Wohngebiete in der Hauptstadt. Auch westlich von Tripolis würden mehrere Städte unter Beschuss genommen.

Übergangsrat will Wahlen in acht Monaten

Der Chef des Nationalen Übergangsrates, Mustafa Abdel Dschalil, rief die libysche Bevölkerung erneut zur Versöhnung auf. Gegenüber der italienischen Zeitung "La Repubblica" kündigte er Wahlen in acht Monaten an. Binnen dieser Zeit werde es Parlaments- und Präsidentschaftswahlen geben. Gewünscht sei eine "demokratische Regierung" und eine "gerechte Verfassung".

Mahmud Dschibril (l.) und Nicolas Sarkozy in Paris (Foto: dapd/AP)
Mahmud Dschibril sprach mit Sarkozy über die Lage in LibyenBild: dapd

Das "neue Libyen" müsse sich von der Vergangenheit unterscheiden und auf den "Prinzipien von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" aufgebaut sein. Ein Sprecher der Rebellen sagte zudem, die Aufständischen würden den Sitz ihrer Übergangsregierung in den nächsten zwei Tagen von der Rebellenhochburg Bengasi nach Tripolis verlegen.

Und während in der libyschen Hauptstadt immer noch gekämpft wird, baut der Übergangsrat seine diplomatischen Beziehungen weiter aus. So traf sich Rebellenführer Mahmud Dschibril am Mittwoch mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy in Paris. Im Anschluss an das Gespräch kündigte Sarkozy für den 1. September eine große Libyen-Aufbaukonferenz in Paris an. Frankreich hatte den Übergangsrat als erstes Land als rechtmäßige Vertretung Libyens anerkannt und engagierte sich neben Großbritannien besonders stark bei den NATO-Luftangriffen.

Westerwelle: Deutsche Schlüsselrolle beim Wiederaufbau

Guido Westerwelle (Foto: dapd)
Westerwelle: Deutschland kann bei Libyens Wiederaufbau seine Kompetenz einbringenBild: dapd

Auch Deutschland will beim Wiederaufbau des afrikanischen Landes helfen. "Libyen braucht jetzt einen Wiederaufbau, der das Land dauerhaft stabilisiert. Hier hat Deutschland Erfahrung und eine besondere Kompetenz", sagte Außenminister Guido Westerwelle der "Passauer Neuen Presse". Nach dem Sturz Gaddafis könne Deutschland eine Schlüsselrolle bei der wirtschaftlichen Entwicklung Libyens einnehmen. "Wir werden Libyen mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn das gewünscht wird", so Westerwelle.

Auch China, bislang ein wichtiger Wirtschaftspartner Libyens, schaltete sich ein: Der chinesische Außenminister Yang Jiechi sagte in einem Telefonat mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, dass die Vereinten Nationen den Wiederaufbau Libyens anführen und koordinieren sollten. Damit solle vermieden werden, dass nur westliche Staaten vom Wiederaufbau profitierten. Alles deutet darauf hin, dass der Wiederaufbau des ölreichen Landes wohl nicht ohne diplomatisches Ringen ablaufen wird.

Autorin: Naima El Moussaoui (afp, dpa, rtr, dapd)

Redaktion: Julia Elvers-Guyot/Ursula Kissel