Menschenretter mit Hitler-Uniform
6. Februar 2009Der Vergleich mit Oskar Schindler liegt nahe. Der sudetendeutsche Industrielle Schindler rettete jüdische Zwangsarbeiter vor den Gaskammern der Nazis. John Rabe, Siemens-Vertreter und NSDAP-Ortsgruppenleiter in Nanjing verhinderte, dass japanische Bomber 1937 chinesische Flüchtlinge töteten. Steven Spielberg setzte Oskar Schindler 1993 ein filmisches Denkmal. Florian Gallenberger brachte Rabes Geschichte auf die Leinwand und damit ins öffentliche Bewusstsein. Die Premiere war auf der Berlinale 2009. Jetzt kommt der Film in die Kinos.
Ein harmloses Vertreter-Dasein
Seit 1911 arbeitete der gelernte Kaufmann bei einer Siemens-Tochtergesellschaft in China. Als 1937 japanische Truppen auf die damalige Hauptstadt Nanjing zumarschieren, bewohnt er mit seiner Frau Dora ein großes Haus. Sie leben komfortabel, haben Diener und einen Chauffeur. Abends trifft man sich mit Vertretern anderer Unternehmen aus anderen Ländern.
Vom Kaufmann zum Lebensretter
Als die Japaner die Stadt stürmen richten sie ein Blutbad an, vergewaltigen Frauen und Mädchen und töten mehr als 200.000 Menschen. Die meisten Ausländer verlassen die Stadt - Rabe bleibt. Und er errichtet mit den wenigen ausländischen Verbliebenen eine Sicherheitszone, markiert mit Hakenkreuzfahnen. Denn: Japan ist Verbündeter des Hitler-Regimes. Allein in seinem Haus und Garten soll Rabe 600 Flüchtlinge untergebracht haben. Insgesamt sind in der 4 km² Zone mehr als 200.000 Chinesen zusammengedrängt. Die Rechnung geht auf, die japanischen Bomber verschonen die markierten Stellen.
Parteimitglied und doch kein Nazi
Als Held hat Rabe sich nie verstanden. Und er wurde auch nicht so behandelt. Politisch naiv glaubt er an die Gerechtigkeit seines Vaterlandes und erkennt lange Zeit nicht die Monströsität der Nazis. Als er im Februar 1938 auf Drängen seiner Firma nach Deutschland zurückkehrt, versucht John Rabe Hitler vom Geschehen in Nanjing persönlich zu berichten. Daraufhin wird er von der Gestapo verhaftet, kommt aber durch den Einsatz von Siemens wieder frei.
Nach dem Krieg wird sein Entnazifizierungsantrag zunächst abgelehnt. Erst 1946 wird Rabes humanitärer Einsatz in Nanjing anerkannt. Verarmt stirbt er 1950 an einem Schlaganfall.
Späte Ehre
In China ist John Rabe eine hoch geachtete Persönlichkeit. 1997 wird sein Grabstein in die Gedenkstätte des Nanjing-Massakers überführt.
In Deutschland wäre er ohne Erwin Wickert und Ursula Reinhardt wohl immer noch unbekannt. Der frühere Diplomat und Schriftsteller Wickert hatte einen Artikel über Rabe veröffentlicht, woraufhin sich Rabes Enkelin Ursula Reinhardt meldete. Sie holte die Tagebücher ihres Großvaters aus der Versenkung, Wickert veröffentlichte sie 1997. Durch den Film von Florian Gallenberger wird John Rabe nun endgültig zur historischen Figur, die auch von der deutschen Öffentlichkeit wahrgenommen wird.
Zwiespältiges Echo
Der deutsche Oscarpreisträger Florian Gallenberger hat die Geschichte Rabes fürs Kino adaptiert. Herausgekommen ist ein mit beträchtlichem finanziellem Aufwand hergesteller Historienfilm. Stars wie Ulrich Tukur und Daniel Brühl spielen mit. Die Kritiken nach der Premiere während der Berlinale fielen sehr verhalten aus. Der Film sei nicht viel mehr als blutleeres Ausstattungskino - so der überwiegende Teil der schreibenden Presse. Die Mitglieder der Deutschen Filmakademie waren dagegen vor kurzem anderer Meinung. "John Rabe" wurde sieben mal für den Deutschen Filmpreis nominiert.
Autor: Günther Birkenstock/JK