Zu alt fürs Weiße Haus?
30. Juli 2008Bei der Untersuchung einer Gewebeprobe, die an der Schläfe republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten John McCain entnommen worden war, konnten keine bösartigen Zellen festgestellt werden. "Die Biopsie ergab keinerlei Hinweis auf Hautkrebs", teilte ein Sprecher der Mayo-Clinic am Dienstag (30.07.2008) mit. "Es ist keine weitere Behandlung nötig", sagte Michael Yardley. Am Montag war McCain bei einer Routine-Untersuchung ein Muttermal entfernt worden.
Vergleichsweise fit – für einen 71-Jährigen
Die Untersuchung löste in US-Medien erneute Diskussionen über den Gesundheitszustand und das Alter des Kandidaten aus. Erst unlängst hatte der Senator Einsicht in seine Krankengeschichte und in seine Gesundheitsakte gewährt. Grundsätzlich hatten seine Ärzte ihm bescheinigt, er sei vergleichsweise fit sei und nicht zu alt für das Amt im Weißen Haus. Dem medizinischen Dossier zufolge waren McCain zwischen 1993 und 2000 vier Mal Melanome, bösartige Tumore der Pigmentzellen, entnommen worden. Der 71-jährige Senator hat seit seiner über fünfjährigen Kriegsgefangenschaft in Vietnam mit Hautproblemen zu kämpfen.
Falls McCain die Wahl am 4. November gewinnt, wäre er bei seinem Amtsantritt im Januar der bisher älteste US-Präsident. Zum Vergleich: Ronald Reagan war 69, als er 1981 für acht Jahre ins Weiße Haus einzog. Bislang hat McCain versucht, dem Problem mit Scherzen zu begegnen. Als er in einer Talkshow gefragt wurde, ob denn ein Mann im Pensionsalter wie er einen täglichen Mittagsschlaf benötige, tat der Vietnamveteran so, als sei er eingenickt. "Ich bin so alt wie die Erde und habe mehr Narben als Frankenstein", heißt eines seiner Bonmots.
Obamas Nikotin-Kaugummis
Doch solche Witze helfen wenig: Ein Viertel der Amerikaner meint, der Kandidat sei schlichtweg zu alt fürs Präsidentenamt. Unbarmherzig und unerbittlich bemächtigen sich die Medien des Themas: Jüngst zeigte die Zeitschrift "Vanity Fair" auf ihrer Titelseite McCain als tatterigen Greis im Oval Office - vor ihm eine Gehhilfe, an der er sich festhält. Talkshow-Guru David Letterman höhnte, der Kandidat sei so alt, dass er den Irak noch unter dem Namen Mesopotamien kenne.
Sein demokratischer Gegenkandidat Barack Obama befindet sich dagegen nach Angaben seines Arztes in "hervorragender Gesundheit". Obama jogge regelmäßig und habe "kein Gramm Körperfett zuviel", hieß es. In dem im Mai von seinem Wahlkampfteam veröffentlichten Attest gibt es nur einen Makel: Der Senator sei ein Raucher, der mehrfach vergeblich versucht habe, mit dem Tabakkonsum aufzuhören. Derzeit laufe aber "mit Erfolg" ein neuer Versuch mit Nikotin-Kaugummis.
Kampf der Generationen
Am 4. August wird Barack Obama 47 Jahre alt - zwischen beiden Kandidaten liegt eine Altersdifferenz von 25 Jahren, eine Generation. Dabei ist McCain alles andere als ein "jung gebliebener 70-Jähriger". Im Gegenteil: Das Alter ist ihm deutlich anzusehen, mitunter wirken seine Bewegungen steif und ungelenk. Jahrelange Kriegsgefangenschaft in Nordvietnam samt Folter haben ihn gezeichnet.
McCain versucht im Wahlkampf der Frage des Alters auch etwas Positives abzugewinnen. "Ich habe auf meinem Weg ein paar Dinge gelernt ", nennt das McCain. Vor allem in Sachen Außen- und Sicherheitspolitik setzt er ganz auf seine Erfahrungen und sein gesammeltes Wissen und will Obama als echtes "Greenhorn" erscheinen lassen.
Doch damit lenkt der den Blick umso stärker auf eigene Fehler: McCain machte in den vergangenen Wochen unter anderem Putin zum "Präsidenten von Deutschland", verwechselte Somalia und den Sudan und bezog sich auf aktuelle politische Ereignisse in der "Tschechoslowakei"- einem Staat, den es seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr gibt. Auch ernsthafte und seriöse Medien zählen ihm genüsslich Versprecher und Irrtümer in seinen Reden vor - und fragen, ob er nicht zu alt sei fürs Präsidentenamt. Besonders wenn demnächst die TV-Debatten der Kandidaten beginnen, dürfte der Altersunterschied zum beherrschenden Thema werden. (stu)