John Doyle: "Trump ist klüger, als viele Deutsche glauben"
9. November 2016DW: Als Komiker können Sie viele Dinge mit Humor sehen. Gibt es nach dem Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in den USA irgendetwas zu lachen?
John Doyle: Das dauert eine Weile. Ich brauche ein wenig Abstand. Es ist immer einfacher, Comedy zu machen und ernste Dinge witzig zu verarbeiten, wenn man ein wenig Abstand zum Thema gewonnen hat. Momentan ist alles noch zu frisch und es ist schwierig den Witz darin zu finden. Ich suche ihn gerade, habe ihn aber noch nicht gefunden.
Für Ihr deutsches Publikum haben Sie Donald Trump auf Deutsch imitiert. Wie sehen die Deutschen Trump und seinen Aufstieg ihrer Meinung nach?
Ich denke, die Deutschen sehen ihn als einen Mann, der sehr komplexe Sachverhalte stark vereinfacht und in einer banalen Art und Weise Menschen anspricht, die unzufrieden mit der politischen Elite sind. Ich denke, sie sehen ihn als einen Mann, der nicht wirklich klug ist, und ich glaube, dass sie diesbezüglich leider falsch liegen.
Er hat die Ziele, die er sich selbst gesetzt hat, tatsächlich ziemlich gut artikuliert. Er hat die Menschen erreicht, die er brauchte, um gewählt zu werden, und war damit sehr erfolgreich - sehr zum Ärger der Berichterstatter, Meinungsforscher und politischen Experten und Kritiker. Es scheint so, als hätte er jeden eines Besseren belehrt außer sich selbst.
Wie haben Sie als Amerikaner in Deutschland den Wahlkampf erlebt?
Ich habe den Wahlkampf fast ausschließlich im Hinblick auf Trumps starke Vereinfachungen und die Beleidigungen, die er wahllos an fast jede Gruppe gerichtet hat, erfahren. Ich hatte angenommen, dass Hillary Clinton leichtes Spiel haben würde, da sie politisch kompetent und erfahren ist. Sie ist auf allen Gebieten versiert, von der Außenpolitik bis hin zu sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Aber am Ende lag ich mit meiner Annahme falsch.
Was ich unterschätzt habe - und ich glaube das liegt zum Teil daran, dass ich in Deutschland und nicht in den USA lebe - ist die große Frustration von Millionen von Amerikanern gegenüber dem politischen Establishment.
Wenn man die großen Städte und die wohlhabenden Gegenden verlässt, findet man viele Menschen, vor allem in der weißen Arbeiterklasse, die extrem unzufrieden mit den beiden großen Parteien sind. Weiße Amerikaner haben 70 Prozent der Wählerschaft ausgemacht. Das ist weniger als noch vor vier Jahren, aber es sind immerhin 70 Prozent. Die weiße Arbeiterklasse war wütend und unzufrieden, und ich denke, für sie war Donald Trump die beste Möglichkeit, dem Establishment eine Lektion zu erteilen.
Während Ihrer 25 Jahre in Deutschland haben Sie verschiedene Perioden von anti- und pro-amerikanischer Stimmung miterlebt. Inwiefern, glauben Sie, wird sich Trumps Präsidentschaft auf ihr Leben als Auswanderer in Deutschland auswirken?
Ich selbst habe nie wirklich direkten Antiamerikanismus erfahren. Ab und zu kommen Leute zu dir und fragen, wie die Amerikaner nur so naiv und dumm sein können, diesen Typen zu wählen. Aber meistens erfahre ich das nicht direkt. Ein gewisser Anteil der deutschen Bevölkerung wird immer sagen: "Oh, das ist so typisch amerikanisch" oder "Oh, Amerikaner sind so dumm, jetzt haben sie noch so einen Idioten gewählt."
Aber dem schenke ich mittlerweile keine Beachtung mehr. Deutschland hat seine eigenen Probleme. Deutschland hat die AfD, Frankreich hat Le Pen, auch andere haben ihre Populisten, und Großbritannien ist im Begriff, die EU zu verlassen. Auch hier richten viele Leute ihren Frust und ihren Ärger gegen die etablierten Parteien und den Status Quo. Ich denke, dass Donald Trump in einer sehr amerikanischen Art und Weise eine Verlängerung der Frustration ist, die auf der ganzen Welt spürbar ist.
Als George W. Bush im Amt war, wurde verallgemeinernd gesagt, dass nur ein dummes Land eine dumme Person zweimal wählen könne. Bei Donald Trump ist das anders, denn ich glaube, dass die Deutschen ihn unabhängig von der amerikanischen Wählerschaft sehen.
Trump konnte sagen: "Ich glaube, es geht euch so schlecht, weil ihr eine inkompetente Regierung habt, die nicht in eurem Interesse handelt." Er ist ein genialer Geschäftsmann und konnte seinen Standpunkt überzeugend an Millionen von Menschen verkaufen.
Sie haben gesagt, Sie bräuchten ein wenig Abstand, um dem Wahlergebnis Humor abzugewinnen. Können Sie trotzdem schon sagen, inwiefern Sie Präsident Trump in Ihr Comedy-Programm einbauen werden?
Ich denke, ich werde wahrscheinlich nicht der Linie "der Typ ist dumm" oder "der Typ ist ein Rassist" folgen. Ich werde mich eher auf seine menschliche Fehlbarkeit konzentrieren. Es wird alles damit zusammenhängen, in welchem Ausmaß Donald Trump ein unanständiger Präsident wird. Wie oft wird er mitten in der Nacht irgendwelche unsinnigen Sachen auf Twitter posten? Und wird er sich über einen Sketch bei Saturday Night Live beschweren, den er beleidigend findet?
Es hängt wirklich alles davon ab, ob er sich als Präsident so verhält wie als Kandidat. Sollte er sich so verhalten wie bisher, wird es viel Material für Comedians geben. Wenn er sich bemüht, mehr wie ein Präsident zu sein, gibt es immer noch Comedy-Material, aber wahrscheinlich weniger.
Das Gespräch führte Kate Müser.