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PolitikAngola

Joe Bidens letzte Auslandsreise führt nach Angola

Antonio Cascais
Veröffentlicht 29. November 2024Zuletzt aktualisiert 1. Dezember 2024

Kurz vor seinem Abtritt von der politischen Bühne macht US-Präsident Joe Biden sein Versprechen wahr und besucht ein Land in Afrika. Die Wahl fiel nicht zufällig auf Angola.

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USA Angola l Joao Manuel Goncalves Lourenco und Joe Biden unterhalten sich im Weißen Haus in Washington (30.11.2023)
Treffen der Präsidenten Lourenço und Biden im Weißen Haus (im November): Von langer Hand vorbereitetBild: Yuri Gripas/ABACAPRESS/picture alliance

Es ist Joe Bidens erste Afrikareise seit seinem Amtsantritt in Washington im Januar 2021. Und es wird voraussichtlich auch seine letzte Auslandsreise als US-Präsident sein: Am diesem Montag (02.12.2024) wird seine Air Force One auf dem Aeroporto Internacional 4 de Fevereiro landen, dem internationalen Flughafen von Angolas Hauptstadt Luanda. Dann sollen verschiedene Verträge über die politische, militärische und vor allem wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den USA und Angola unterzeichnet werden. Der Besuch war ursprünglich für Oktober geplant, wurde dann aber wegen eines in den USA erwarteten Hurrikans verschoben.

"Diese Reise ist das Ergebnis jahrelanger intensiver diplomatischer Bemühungen des angolanischen Präsidenten", sagt der angolanische politische Analyst Cláudio Silva im DW-Interview. "Es ist zweifellos ein diplomatischer Sieg für João Lourenço, der sich seit Jahren um mehr Anerkennung auf internationalem Parkett bemüht. Nun darf er die Früchte seiner diplomatischen Bemühungen ernten."

Auf der Zielgeraden, kurz vor der US-Präsidentschaftswahl, sei die Zeit gekommen, die Unterschriften unter die Verträge zu setzen, so Silva. Es gehe um konkrete Wirtschaftsprojekte, die lange vorbereitet und von beiden Seiten als prioritär erachtet worden seien.

USA in Angola: Ehrgeizige Wirtschaftsprojekte

Zu den "großen Projekten mit US-Beteiligung" gehören der Bau und der Betrieb der Erdölraffinerie von Soyo im Norden Angolas, sowie das größte Photovoltaik-Projekt in Subsahara-Afrika, das "Rural Electrification Project", das auch mit deutschen Exportkreditgarantien unterstützt wird.

Das wohl wichtigste Vorhaben ist jedoch die Entwicklung des sogenannten "Lobito-Korridors". Dabei geht es um den Ausbau einer Bahnstrecke zwischen der Hafenstadt Lobito an Angolas Atlantikküste und dem Kupfergürtel in Sambia sowie den Kobaltminen im Süden der Demokratischen Republik Kongo. Die Trasse soll also die rohstoffreichen Regionen Zentralafrikas mit einem Seehafen verbinden.

Der Lobito-Korridor ist Teil einer US-Initiative "Partnerschaft für Globale Infrastruktur und Investitionen". Das von Joe Biden ins Leben gerufenen Programm ist eine Reaktion auf die "Neuen Seidenstraße", mit der China versucht, sich global Ressourcen zu sichern und Märkte zu erschließen.

Der Lobito-Korridor nutzt das 1344 Kilometer lange Netz der Benguela-Bahn, das Angola durchquert und mit dem kongolesischen Netz verbunden ist. Der Bau von 550 Kilometern Eisenbahnlinie in Sambia sowie 260 Kilometern Straßen ist ebenfalls geplant. Das Projekt erhält die Unterstützung der USA, der Europäischen Union und der Afrikanischen Entwicklungsbank, die 500 Millionen US-Dollar zum 1,6 Milliarden teuren Projekt beitragen wird.

"Die USA wollen die vielen wertvollen Rohstoffe in der Region nicht kampflos den Chinesen überlassen. Die Frage ist aber, ob die Amerikaner überhaupt mit den Chinesen mithalten können, die sich bereits seit Jahrzehnten in der Region engagieren und sich somit einen Riesenvorsprung erarbeitet haben", sagt Claúdio Silva.

DR Kongo | Kupfer- und Kobalt-Mine in Tenke (17.06.2023)
Kupfer- und Kobalt-Mine in Tenke (im Südosten der DR Kongo): Rohstoffreichtum inmitten des KontinentsBild: EMMET LIVINGSTONE/AFP/Getty Images

China hat schon in den 1970er-Jahren damit angefangen, massiv in der Region zu investieren. Die chinesische Wirtschaft ist vor allem an Afrikas Rohstoffen interessiert - am Erdöl Angolas, am Kupfer Sambias und am Kobalt Kongos.

Angola ist mit rund 25 Milliarden US-Dollar bei China verschuldet und ist damit der größte Schuldner der Volksrepublik auf dem Kontinent. Dass China auf seine Kosten kommt, ist vertraglich garantiert: Die Schulden Angolas sollen vorzugsweise mit Erdöllieferungen beglichen werden.

USA wollen China in Afrika die Stirn bieten

Während die USA also eine Eisenbahn von Zentralafrika zum Atlantik fördern wollen, ist China bereits dabei, eine neue Strecke zum Indischen Ozean zu errichten: Anfang März 2024 vermeldete die Regierung in Peking den Ausbau der Tanzania Zambia Railway (TAZARA) für eine Milliarde US-Dollar.

Diese 1860 Kilometer lange Bahnlinie wurde vor rund 50 Jahren bereits von China finanziert. Sie führt vom Hafen Daressalam in Tansania bis nach Kapiri Mposhi südlich des sambisch-kongolesischen Kupfergürtels.

Dokumentation | TAZARA-Bahnstrecke zwischen Tansania und Sambia (28.09.2022)
TAZARA-Bahnstrecke zwischen Tansania und Sambia: Chinesische Investition von Anfang der 1970er-JahreBild: Autentic

Für den Abtransport der Bergbauerzeugnisse gäbe es damit künftig zwei etwa gleich lange Alternativen: zum Atlantik (Lobito) oder zum Indischen Ozean (TAZARA), wobei die chinesisch-finanzierte Bahnlinie längst in Betrieb ist und jetzt sogar aufwendig modernisiert wird. 

China, USA, Russland: Angola fährt mehrgleisig

"Der angolanische Präsident möchte mit beiden großen Playern in Afrika zusammenarbeiten und möglichst von der Konkurrenzsituation profitieren. Auch Russland sei im Rennen", sagt Politikanalyst Silva. Die angolanische Seite sei sich ihres geostrategischen Gewichts sehr bewusst und versuche diese Bedeutung und die Konkurrenz zwischen den Playern zu ihrem Vorteil zu nutzen. Es sei aber nicht immer leicht, zwischen den verschiedenen Partnern hin und her zu lavieren, fügt er hinzu.

FOCAC-Gipfel: China dominiert in Afrika

So sei Präsident João Lourenço Anfang September entgegen vorherigen Ankündigungen nicht persönlich zum China-Afrika-Gipfel gereist. Wahrscheinlich aus Rücksicht wegen der angestrebten privilegierten Partnerschaft mit den USA, mutmaßt Silva, schickte er seinen Außenminister nach Peking.

Wenig später wurde bekannt, dass der für das Frühjahr 2025 geplante USA-Afrika-Gipfel ausgerechnet in Luanda stattfinden werde. Das habe der Führung in Peking wahrscheinlich nicht gefallen, vermutet Cláudio Silva. Trotzdem werde Angola weiterhin versuchen, gute Beziehungen mit allen großen Playern pflegen, so unterschiedlich sie auch sein mögen: seien es die Vereinigten Staaten, China oder Russland.

Diskussion um militärische Zusammenarbeit

"In letzter Zeit wird auch die militärische Zusammenarbeit zwischen den USA und Angola verstärkt", sagt der angolanische Afrikanist Paulo Inglês, der unter anderem an der Bundeswehruniversität München und an der Universität Bayreuth forschte. Im DW-Gespräch äußert Inglês sogar die Vermutung, dass die USA einen Militärstützpunkt im Norden Angolas errichten wollen.

Ein solcher Stützpunkt sei im Sinne der geostrategischen Interessen der Regierung in Washington: "Die Basis ist Teil eines Plans zur Errichtung eines Netzes von US-Militärbasen im Südatlantik. Und Angola ist, wie sollte es anders sein, Teil dieses Netzes", sagt Paulo Inglês.

Angola: Ölraffinerie in Soyo
Ölraffinerie in Soyo, Nordangola: Eines der Projekte, die von den USA unterstützt werden.Bild: Borralho Ndomba/DW

Eine offizielle Bestätigung für Inglês' These gibt es allerdings nicht: Sowohl Angola als auch die USA bestreiten sogar, konkrete Pläne zur Errichtung eines amerikanischen Militärstützpunkts in Angola zu haben. Laut einer im Juni 2024 an die DW gesendeten Erklärung der US-Botschaft in Luanda gibt es "keine Pläne oder laufenden Maßnahmen zur Errichtung einer US-Militärbasis in Angola".

Dennoch bleibt Inglês bei seiner Aussage: Es werde bereits am Aufbau einer US-Basis in Soyo gearbeitet. Die Großstadt an der Mündung des Kongoflusses liegt in der nordangolanischen Provinz Zaire - in einem Ölgebiet an der Atlantikküste. "Soyo wurde ausgewählt, weil es in der Nähe von der ölreichen Exklave Cabinda und dem Kongo liegt und somit eine strategische Lage hat", sagt der Afrika-Experte.

Was die militärische Zusammenarbeit angehe, sei nicht China, sondern Russland der größte Gegenspieler der USA in der Region, so Inglês. Und er erinnert daran, dass Angola bereits 2014 ein weitreichendes Militärabkommen mit der Regierung in Moskau unterzeichnet habe.

Biden-Besuch ohne Auswirkungen für Angolas Bürger?

"Der Besuch von Präsident Joe Biden in Angola ist ohne Zweifel ein historisches Ereignis, aber über eines sollte man sich im Klaren sein: Dieser Besuch wird das Leben der Bevölkerung leider nicht unmittelbar zum Besseren verändern", sagt der angolanische Experte für internationale Beziehungen, Kinkinamo Tuassamba im DW-Gespräch. Von den amerikanischen Investitionen würden voraussichtlich nur einige wenige Angehörige der angolanischen Elite profitieren. So sei es auch mit den chinesischen Großprojekten gewesen.

"Die Wahrheit ist, dass die angolanische Jugend, die die Mehrheit im Land stellt, weiterhin arbeitslos ist und bleibt. Die großen Investitionen, die die Vereinigten Staaten versprechen, werden das leider nicht ändern", prognostiziert der angolanische Analyst. Es seien immer die Gleichen, die von den großen Projekten profitieren. "Das Geld wird leider nicht bei der einfachen Bevölkerung ankommen", so Tuassamba skeptische Einschätzung.

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