"Jetzt ist die Zeit gekommen, neue Brücken zu schlagen"
24. Juli 2008An der Siegessäule in Berlin rief der US-Demokrat Barack Obama den mehr als 200.000 Zuhörern und der ganzen Welt zu: "Dies ist unser Moment. Dies ist unsere Zeit." Eine neue Generation müsse der Geschichte ihren Stempel aufdrücken. Dies gelte für den Klimaschutz ebenso wie für den Kampf gegen den Terrorismus: "Amerika kann das nicht allein."
In der einzigen Rede auf seiner Wahlkampfreise durch Europa, den Nahen Osten und Afghanistan sagte Obama. "Amerika hat keinen besseren Partner als Europa." Beide würden in diesem Jahrhundert "mehr miteinander tun müssen und nicht weniger".
"Mauern einreißen"
Obama, der bei der US-Präsidentenwahl am 4. November gegen den Republikaner John McCain antreten wird, erinnerte in der 30-minütigen Ansprache an den Beginn der deutsch-amerikanischen Partnerschaft mit der Luftbrücke 1948. An diese Tradition muss nach Ansicht des Demokraten angeknüpft werden, nachdem sich Deutschland und die USA in der Vergangenheit entfremdet hätten.
Der Kandidat bezeichnete Berlin als die Stadt, "wo eine Mauer fiel, ein Kontinent sich vereinigte und der Lauf der Geschichte bewies, dass keine Herausforderung zu groß ist für eine Welt, die zusammensteht". Heute sei die größte Gefahr, dass neue Mauern die Völker voneinander trennten. Die Mauern zwischen Reich und Arm, zwischen Rassen und Ethnien, zwischen Einheimischen und Migranten, zwischen Christen, Moslems und Juden dürften nicht stehenbleiben. "Jetzt sind dies die Mauern, die wir einreißen müssen", sagte der Präsidentschaftskandidat.
Partnerschaft ist der "einzige Weg"
Als Herausforderungen für dieses Jahrhundert nannte er den Kampf gegen den Terrorismus, die Eindämmung des Klimawandels, die Kontrolle über die Atomwaffen und die Verteidigung der Menschenrechte in aller Welt. "Die Partnerschaft und die Kooperation unter den Nationen ist keine Frage. Sie ist der einzige Weg, die gemeinsame Sicherheit zu bewahren und die gemeinsame Menschlichkeit voranzubringen."
102 Tage vor der Wahl in Amerika zählte der 46-Jährige eine Reihe von konkreten Zielen auf, die er als Präsident gemeinsam mit den Europäern bewältigen will. Er nannte dabei zuerst die Sicherheit in Afghanistan. "Amerika kann diese nicht alleine schaffen." "Die afghanische Bevölkerung benötigt unsere Truppen und Ihre Truppen, unsere Hilfe und Ihre Hilfe zur Abwehr der (islamistischen) Taliban und der Terrorgruppe (El Kaida)." Eine konkrete Forderung an die Europäer, sich mehr in die direkten Kämpfe mit dem Taliban einzuschalten, erhob er nicht direkt.
Absage an Atomwaffen
Überraschend deutlich bekannte er sich zu dem Ziel "einer Welt ohne Nuklearwaffen". "Dies ist der Moment, an dem wir das Ziel einer Welt ohne Atomwaffen erneuern müssen." Er sprach sich auch für eine Zusammenarbeit mit Russland aus. An den Iran sandte er die Aufforderung, sein Streben nach Atomwaffen aufzugeben. Er bekannte sich dazu, dass die Verantwortung im Irak an die dortige Regierung zu übergeben und der Krieg dort bald zu beenden sei.
Einen deutlichen Akzent setzte er auch beim Thema Klimapolitik. "Dies ist der Moment, wo wir zusammen kommen müssen, um den Planeten zu retten." Alle Nationen, einschließlich Amerika, müssten die gleiche Ernsthaftigkeit an den Tag legen wie Deutschland, um den Kohlendioxidausstoß zu verringern. Zum Ende seiner Ansprache rief Obama dem Publikum zu: "Ihr Bürger Berlins, Ihr Bürger der Welt, das ist unser Zeitpunkt, das ist unser Moment, das ist unsere Zeit."
Bundesregierung sieht Gemeinsamkeiten
Vor der Rede hatte Obama mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) über die internationalen Krisenherde gesprochen. Merkel und Steinmeier sahen Übereinstimmungen mit Obama in der Sicht auf die Krisenherde der Welt. Nach dem Meinungsaustausch mit Merkel sprach Regierungssprecher Ulrich Wilhelm von einem "sehr offenen und in die Tiefe gehenden Gespräch in sehr guter Atmosphäre".
Kritik von McCain
Der republikanische US- Präsidentschaftsbewerber John McCain kritisierte unterdessen seinen demokratischen Rivalen für seine Rede. "Ich würde es lieben, eine Rede in Deutschland zu halten", sagte McCain am Donnerstag in Columbus im Bundesstaat Ohio. "Eine politische Rede oder vielleicht eine Rede, die das deutsche Volk interessieren würde. Aber ich würde das viel lieber als Präsident der USA tun statt als Kandidat für das Amt des Präsidenten." Er werde sich in Amerika auf die Fragen konzentrieren, über die sich Amerikaner Sorgen machten, während Obama im Ausland reise. (stl)