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Politik

Jerusalem: Kirche und Kapital

25. Februar 2018

Die christlichen Gemeinden in Jerusalem halten die Grabeskirche geschlossen. Damit wollen sie gegen die angebliche Aushöhlung des christlichen Lebens protestieren. Tatsächlich geht es um unklare Immobiliengeschäfte.

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Israel | Kirchenführer schließen aus Protest die Grabeskirche auf unbestimmte Zeit
"Verfolgung der Kirchen"? Protest der Kirchenführer vor der GrabeskircheBild: Reuters/A. Cohen

"Genug ist genug. Stoppt die Verfolgung der Kirchen." Mit einer dramatischen Aktion haben die christlichen Kirchen in Jerusalem am heutigen Sonntag auf ihre Lage aufmerksam gemacht. Das Banner mit dem Appell spannt sich quer über die Grabeskirche in der Altstadt von Jerusalem. Das Gotteshaus selbst ist ab heute geschlossen - auf unbestimmte Zeit.

Für den Appell zeichnen die Oberhäupter der drei Kirchen - der Griechisch-Orthodoxen, der Römisch-Katholischen und der Armenisch-Apostolischen - gemeinsam verantwortlich. Sie sprechen von einer "systematischen Kampagne gegen die Kirchen und die christliche Gemeinde im heiligen Land." Mit dem jüngsten Erlass der Regierung erreiche die systematische Kampagne ihren Höhepunkt: "Ein diskriminierendes und rassistisches Gesetz visiert ausschließlich das Eigentum der christlichen Gemeinschaft im Heiligen Land an."

Um ihre Empörung zu unterstreichen zogen sie einen drastischen historischen Vergleich: "Der Fall erinnert uns an all die Gesetze ähnlicher Natur, die während dunkler Perioden in Europa gegen die Juden erlassen worden waren."

Der Partner aus der Steueroase

Konkret geht es um zwei neue Gesetze: Eines regelt den Steuersatz auf Kirchenbesitz. Im Zentrum der Empörung steht aber das andere Gesetz. Dieses soll den Umgang mit jenen Immobilien im Jerusalemer Stadtzentrum neu regeln, die die Kirche in den letzten Jahren an Immobilienunternehmen verkauft hat. Insgesamt soll es sich um Grundstücke von einer Gesamtfläche von 125 Acres (umgerechnet rund 50 Hektar) handeln.

Israel | Kirchenführer schließen aus Protest die Grabeskirche auf unbestimmte Zeit
Scharfer Protest: Plakat an der Grabeskirche in JerusalemBild: Reuters/A. Cohen

Im Oktober 2017 berichtete die israelische Zeitung "Haaretz", das Griechisch-Orthodoxe Patriarchat von Jerusalem - es ist der zweitgrößte Immobilieneigentümer in ganz Israel - habe 240 Apartments an einen privaten Immobilienentwickler verkauft. Der Preis nach Informationen von Haaretz: 3,3 Millionen US-Dollar. Der Preis sei "lächerlich gering", schrieb das Blatt damals. Das Unternehmen, das die Grundstücke erwarb, agiere von einer Steueroase, den Virgin Islands, aus. Die Identität des Unternehmens konnte Haaretz bislang nicht ermitteln.

Auch vermochte Haaretz den Sinn des Kaufvertrags nicht zu erkennen. Sicher ist aber: Bei den in Frage stehenden Grundstücken handelt es sich um solche, die die Kirchen einst an den Jüdischen Nationalfonds verpachteten. Die Verträge laufen in den kommenden Jahrzehnten aus. Das Problem: Einen Teil der gepachteten Grundstücke hat der Nationalfonds in der Zwischenzeit an israelische Bürger weiterverkauft. Führen die neuen Eigentümer die Pachtverträge nicht fort, steht auch die Gültigkeit der Kaufverträge zwischen Nationalfonds und Bürgern in Frage. Dies verunsichert die derzeitigen Besitzer massiv. So dürften sie es sich etwa gut überlegen, ob sie angesichts der derzeit offenen Rechtslage in Erhalt und Modernisierung ihrer Immobilien investieren.

Schutz der Anwohner

Diesen juristischen Schwebezustand will die Knesset nun beenden. Darum hat sie ein Gesetz erlassen, demzufolge Grundstücke, die die Kirche verpachtet hat, gegen Entschädigung enteignet werden können. In der Sitzung an diesem Sonntag soll das Gesetz verabschiedet werden.

Israel | Kirchenführer schließen aus Protest die Grabeskirche auf unbestimmte Zeit
Hingabe: Ein Mann berührt ein Holzkreuz vor der GrabeskircheBild: Reuters/A. Cohen

Der Entwurf geht wesentlich auf die Knesset-Abgeordnete Rachel Azaria zurück, ein ehemaliges Mitglied des Jerusalemer Stadtrats. Der Zeitung "Jerusalem Post" erklärte Azaria bereits im Jahr 2013, es gehe ihr ausschließlich um den Schutz der betroffenen Bürger. Sie habe keinerlei Absicht, das christliche Leben in Jerusalem in Frage zu stellen. "Das Gesetz zum Landbesitz, das ich initiiert habe, hat allein ein Ziel: die Bewohner zu schützen. Es gibt eine Gruppe wohlhabender Unternehmer, die das Land von der Kirche gekauft haben. Tausende Bürger könnten auf einmal obdachlos dastehen, nachdem sie ihre Wohnungen zuvor mit Fug und Recht erworben haben", so Azaria.

Die Kirchen sehen das anders. Das Gesetz untergrabe andere "Gesetze, Vereinbarungen und Regulierungen, die unser Leben seit Jahrhunderten geregelt haben", erklärten ihre Vertreter 2013.

Azaria dagegen stellte schon damals klar, dass die neue Regelung den Besitz der Kirchen nicht infrage stelle. "Das Gesetz verstößt nicht gegen den Status Quo. Denn es richtet sich nicht gegen Land, das sich im Kirchenbesitz befindet, sondern nur gegen jenes, das Immobilienunternehmer von der Kirche gekauft haben."

Kirchen fordern Steuerfreiheit

In ihrer Erklärung wandten sich die Oberhäupter der drei Kirchen außerdem gegen das neues Gesetz, das auch Teile des kirchlichen Immobilienbesitzes besteuern soll - nämlich jene, die nicht für unmittelbar religiöse Zwecke benutzt werden. Diese Ausnahmen sehe das Gesetz ausdrücklich vor, erklärte heute der Bürgermeister von Jerusalem, Nir Barakat - "und das wird auch so bleiben", fügte er hinzu.

Israel | Kirchenführer schließen aus Protest die Grabeskirche auf unbestimmte Zeit
Derzeit geschlossen: Gläubige und Touristen vor der Grabeskirche Bild: Reuters/A. Cohen

Anders sehe es mit den anderen Liegenschaften aus. "Denn macht es Sinn, dass eine geschäftlich genutzte Immobilie mit Hotels und Geschäften nur darum von der Steuerpflicht ausgenommen ist, weil sie sich im Besitz der Kirche befindet? Seit viel zu vielen Jahren erlaubt es der Staat nicht, Steuern auf diese kommerziell genutzten Immobilien zu erheben", so Barakat. "Ich kann es nicht zulassen, dass die Anwohner diese Steuerschuld begleichen."

Die Kirchen haben diesen Argumenten ihre Anerkennung bislang verweigert. Die Geburtskirche bleibt bis auf weiteres geschlossen, zum Nachteil der Gläubigen und der Touristen.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika