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PolitikJemen

Jemen: Huthi-Miliz gewinnt neue Stärke im Roten Meer

Jennifer Holleis | Safia Mahdi
2. Mai 2024

Die vom Iran unterstützte Huthi-Miliz wird durch die Attacken, die sich gegen Israel richten sollen, immer bekannter und baut ihre Macht aus. Dadurch verschärfen sich die humanitäre und die Wirtschaftskrise im Jemen.

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Ein vermummter Huthi-Soldat steht hinter einer Waffe
Huthi-Kundgebung gegen Israel und die USA in der jemenitischen Stadt SanaaBild: Osamah Yahya/dpa/picture alliance

Zwei Wochen hatten die jemenitischen Huthi-Milizen ihre Waffen schweigen lassen, dann aber beschossen sie erneutFrachtschiffe im Roten Meer. Ins Visier nahm sie solche, deren Herkunftsländer entweder mit Israel oder den USA in Verbindung stehen oder die internationale Anti-Huthi-Marinekoalition im Roten Meer unterstützen.

Begonnen hatte die Miliz ihre Angriffe im November vergangenen Jahres, um so nach eigenen Angaben ihre Solidarität mit den Palästinensern im Gazastreifen zu bekunden.

Zwar ist es der Gruppe nicht gelungen, den Kriegsverlauf zwischen Israel und der Hamas zu beeinflussen. Dafür aber haben ihr die Angriffe auf Schiffe im Roten Meer im Jemen selbst eine ungeahnte Popularität verschafft.

Hierzu muss man wissen: Der Jemen ist in Machtblöcke gespalten. Auf der einen Seite der Front liegen die von den Huthi beherrschten Gebiete im Norden und Westen mit der Hauptstadt Sanaa. Auf der anderen Seite befinden sich jene Gebiete, die überwiegend unter der Kontrolle des Präsidentenrats der international anerkannten Regierung liegen. Die Spaltung ist Ergebnis des nach dem arabischen Revolutionsjahr 2011 einsetzenden Krieges, in dessen späterem Verlauf die Huthi weite Teile des Jemen unter ihre Kontrolle brachten.

Der Konflikt eskalierte 2015, als sich eine von Saudi-Arabien angeführte Koalition mehrerer arabischer Staaten zur Unterstützung der international anerkannten Regierung zusammenschloss. Der jahrelange Krieg forderte Hunderttausende von Menschenleben. Nach Angaben der Vereinten Nationen hat er zu einer der weltweit schlimmsten humanitären Krisen geführt.

Start einer  Sea-Viper-Rakete von dem US-Kriegsschiff HMS Diamond, April 2024
Gegenwehr gegen die Huthi-Rebellen: Start einer Sea-Viper-Rakete vom US-Kriegsschiff HMS Diamond im April 2024Bild: LPhot Chris Sellars/MoD Crown copyright/AP/picture alliance

Popularität als politisches Kapital

In der Folgezeit machten sich die Huthi zunehmend unbeliebt bei weiten Teilen der Bevölkerung. Verantwortlich dafür seien seinerzeit vor allem "Misswirtschaft, Korruption, Vetternwirtschaft sowie eine am Boden liegende Wirtschaft" gewesen, sagt Hisham Al-Omeisy, ehemaliger Direktor des Information Resources Center für den Jemen im US-Außenministerium. 

Nun aber profitierten die Huthi von ihrer durch die Angriffe gewonnenen Popularität, und zwar lokal ebenso wie regional, so Al-Omeisy im DW-Gespräch. "Auf dieser Grundlage festigen sie ihre Herrschaft und weiten zugleich ihre Kontrolle aus."

Mit guter Regierungsführung hat dies offenbar weniger zu tun. "Die Art und Weise, wie die Huthi die Jemeniten unter ihrer Herrschaft behandeln, steht im Widerspruch zu der scheinbar humanitären oder moralischen Haltung, die sie angeblich in der Palästina-Frage einnehmen", sagt etwa der Politologe Thomas Juneau von der Universität Ottawa, im DW-Gespräch.

Ein Mann schwenkt die jemenitische Flagge und hält ein Plakat
Szene aus einer Kundgebung gegen die Blockade der Stadt Taiz im Juli 2022Bild: Abdulnasser Alseddik/AA/picture alliance

Dies gelte insbesondere mit Blick auf Taiz, die mit rund 940.000 Einwohnern drittgrößte Stadt des Jemen. Sie wird seit rund sechs Jahren belagert. Die Huthi blockieren nach wie vor die Hauptzufahrtswege in die von der Regierung kontrollierte Stadt. Wasser und Grundnahrungsmittel sind knapp.

"Seit die Huthi die Palästinenser unterstützen, haben wir keinerlei Zugeständnisse oder Initiativen gesehen, um das Leid der Menschen in Taiz zu lindern", sagt Fatima, eine junge Hausfrau und Mutter, die aus Angst vor Repressalien ihren Nachnamen nicht nennen will, im DW-Gespräch.

Jemen: Machtpolitik per Münze

In naher Zukunft könnte sich die wirtschaftliche Kluft und damit auch die humanitäre Lage insbesondere in den von der Regierung kontrollierten Gebieten weiter verschlechtern.

Im April gab die von den Huthi geführte Zentralbank in Sanaa eine neue Stückelung der Landeswährung, eine 100-Rial-Münze als Ersatz für beschädigte Banknoten desselben Nennwerts, heraus. Diese wurde von der regierungsnahen Zentralbank in Aden jedoch umgehend als "Fälschung" bezeichnet.

Zwei Silbermünzen auf Geldscheinen
Ökonomischer Machtanspruch: die von den Huthi herausgegebene neue MünzeBild: JANUSZ PIENKOWSKI/Zoonar/picture alliance

Dennoch hat der Schritt bereits zu erheblichen Wertschwankungen in den beiden Landesteilen geführt. Nach Angaben der jemenitischen Presseagentur lag der Verkaufspreis für einen US-Dollar in dieser Woche bei 1683 jemenitischen Rial in Aden. Der Wechselkurs in der von den Huthi kontrollierten Hauptstadt Sanaa lag jedoch lediglich bei 530 jemenitischen Rial.

"Die Huthi lassen ihre Muskeln spielen und sagen der jemenitischen Regierung, dass fortan sie es sind, die die Finanz- und Geldpolitik bestimmen", so Experte Al-Omeisy.

Das Streben der Huthi nach Herrschaftslegitimation

Das wichtigste innenpolitische Ziel der Huthi sei es, als regierende und legitime Autorität im Jemen aufzutreten, analysiert Thomas Juneau. "Sie sehen sich in der Lage, ihren in- wie ausländischen Rivalen, allen voran Saudi-Arabien, vermehrt Zugeständnisse abzuringen." Der weite Zuspruch, den die Huthi aufgrund ihrer Schiffs-Angriffe erfahren, stärkt ihre Position bei den politischen Machtkämpfen im Jemen auf allen Ebenen.

Dies dürfte sich auch auf das Anliegen des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman auswirken, den kostspieligen Krieg im Jemen zu beenden. Für dieses Ziel muss er womöglich nun seine ehemaligen Feinde, die Huthi, als wichtigste jemenitische Autorität anerkennen.

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Jennifer Holleis
Jennifer Holleis Redakteurin und Analystin mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika.