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Jeff Bezos: Erfolgreich ins All und zurück

Robert Mudge
20. Juli 2021

Nach Richard Branson ist jetzt auch Amazon-Gründer Jeff Bezos erfolgreich ins All gestartet und wieder gelandet. Beginnt jetzt ein Zeitalter des Weltraum-Tourismus?

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USA Van Horn | Blue Origin Rakete | Jeff Bezos
Bild: Tony Gutierrez/AP Photo/picture alliance

Nach den Apollo- und Space-Shuttle-Projekten der NASA schien es, als seien die goldenen Zeiten der Weltraumforschung vorbei. Die Begeisterung wich einem eher mäßigen Interesse, viele Menschen sehen keinen Sinn mehr in solchen Missionen.

Das ändert sich gerade, nicht zuletzt wegen der zahlreichen internationalen Missionen zum Mars. Weltraumtourismus, der von privaten Raumfahrtunternehmen angeboten wird, ist plötzlich der letzte Schrei. Die drei führenden Anbieter auf dem Markt zeigen der Welt, wer die größte, nun ja, Rakete hat, um sich selbst und jeden, der genügend Kleingeld mitbringt, in die Schwerelosigkeit zu befördern.

Dem britischen Unternehmer und "Virgin Galactic"-Gründer Richard Branson gelang nur wenige Tage vor seinem amerikanischen Milliardärskollegen Jeff Bezos der Sprung an die unterste Grenze zum Weltall, als er und fünf weitere Besatzungsmitglieder erfolgreich in den suborbitalen Raum starteten - also auf einer Flugbahn, die nicht in die Umlaufbahn führt. Sie schafften es bis auf eine Höhe von 80 Kilometern, was in den USA schon als Weltraum gilt.

Bereits im März verzeichnete "Virgin Galactic" etwa 600 Buchungen für den anderthalbstündigen Flug, der durchschnittlich 250.000 Dollar (212.000 Euro) kosten wird.

Jeff Bezos guckt aus Fenster einer Kopie der Blue Origin -Rakete
Jeff Bezos: Beim Jungfernflug ist der reichste Mensch der Welt mit an Bord der Blue OriginBild: Isaiah J. Downing/REUTERS

An diesem Dienstag ist nun Jeff Bezos an der Reihe. Der Amazon-Gründer tritt sein Weltraumabenteuer an Bord einer Rakete seiner Blue Origin LLC an. Der siegreiche Bieter, der sich Bezos, seinem Bruder Mark, der 82-jährigen US-Pilotin Wally Funk als Ehrengast und dem 18-jährigen Niederländer Oliver Daemen anschließen wird, hat mehr als 28 Millionen Dollar für den elfminütigen Flug bezahlt. Ziel ist die Kármán-Linie in 100 Kilometern Höhe, die laut internationaler Definition die Grenze zum Weltraum markiert. Damit kommt Bezos rund 15 Kilometer höher als sein früher gestarteter Rivale Branson - im Wettstreit der Milliardäre kein unwesentliches Detail.

Und dann wäre da noch Elon Musk. Seine Firma SpaceX hat einen Vertrag mit dem in Houston ansässigen Weltraumreiseveranstalter Axiom unterzeichnet, um drei Privatpersonen und einen ehemaligen NASA-Astronauten von der Erde fort zu schicken. Zum Preis von 55 Millionen Dollar gibt es Anfang 2022 für die Passagiere den Flug samt eines Aufenthalts auf der ISS.

Wofür ist Weltraumtourismus gut?

Die Milliardäre mögen aktuell die Speerspitze des Tourismusbooms im Vakuum sein, aber sie sind keineswegs die ersten, die sich auf ein kommerzielles Abenteuer im Weltall einlassen. Vor zwanzig Jahren, am 28. April 2001, zahlte der US-amerikanische Ingenieur Dennis Tito stolze 20 Millionen Dollar für einen Platz in einer russischen Sojus-Rakete. Damit war er der erste Zivilist, der die Internationale Raumstation besuchte.

Die Innenkabine einer Blue Origin Trägerrakete
Die Blue Origin von innen: Der Komfort ist - gemessen am Preis - eher dürftigBild: Blue Origin/UPI Photo/Newscom/picture alliance

Es ist kein Wunder, wenn das Thema die öffentliche Meinung spaltet. Schließlich setzen die Anbieter ihre Reisenden großen Gefahren aus, zudem stellen die Raketen eine enorme Umweltbelastung dar. Bei diesem Thema sei am meisten auf den Abbau des Ozons in der schützenden stratosphärischen Ozonschicht geschaut worden, meint Eloise Marais. Die Professorin für Physische Geographie am University College London arbeitet an einer Studie über Schadstoffemissionen bei Raketenstarts.

"Zumindest die Raketen von Virgin Galactic und Blue Origin haben den Vorteil, dass sie kein Chlor enthalten, aber sie tragen andere Komponenten mit sich, die Stickoxide produzieren können", sagte sie im DW-Gespräch. "Wenn die in die Stratosphäre gelangen, kann das zum Ozonabbau beitragen."

The SpaceX Cargo Dragon auf dem Weg zur ISS
Erwiesenermaßen weltraumtauglich: Eine SpaceX-Rakete auf dem Anflug zur ISSBild: NASA/Newscom/picture alliance

Das BE-3-Triebwerk, das in der New Shepard-Antriebsrakete beim Blue Origin-Start verwendet wird, arbeite mit flüssigem Wasserstoff und flüssigem Sauerstoff. "Beides wird eine Auswirkung haben. Wasserstoff und Sauerstoff können Wasser produzieren und wenn Wasser in der trockenen Stratosphäre freigesetzt wird, kann es das Klima beeinflussen", erklärt Marais.

Infografik Umweltbelastung durch Weltraumtourismus DE

Wirtschaftlicher und technischer Nutzen

Experten erwarten, dass der Weltraumtourismus zu einem neuen Wirtschaftszweig wird und damit das Interesse an der Erforschung des Alls neu entfacht. Es werde mehr finanzielle Unterstützung für Innovationen geben, die sich eines Tages in ganz anderen Bereichen als nützlich erweisen könnten. Denn eine Menge Produkte, die im Weltraum gebraucht würden, könnte auch auf der Erde eingesetzt werden, sagte Annette Toivonen, Dozentin für Weltraumtourismus an der Haag-Helia University of Applied Sciences in Helsinki. Die Autorin von "Sustainable Space Tourism: An Introduction" betont im DW-Gespräch, wie positiv es sei, dass drei reiche Männer ihre eigenen Mittel für derartige Entwicklungen verwendeten - und nicht die der Steuerzahler. 

Die eine oder andere technologische Innovation könnte auch den Weg zu nachhaltigeren Brennstoffquellen ebnen, meint die finnische Dozentin mit dem Hinweis, es geben derzeit eine Menge Geld für die Suche nach alternativen Energiequellen. "Vielleicht entdecken sie einen Treibstoff auf Wasserstoffbasis, den auch Flugzeuge nutzen könnten", sagt Toivonen.

Ein ISS-Astronaut schwebt über der Erde
Weltraumspaziergänge gehören noch nicht zum Portfolio der Anbieter - noch nichtBild: NASA/Stanislav Rishnyak/Zoonar/picture alliance / Zoonar

Der Weltraumtourismus entwickelt sich jedenfalls zu einer boomenden Industrie und zu einem Jobmotor. Suborbitaler und orbitaler Weltraumtourismus könnte bis 2030 einen Marktwert von drei Milliarden Dollar haben, schätzte im vergangenen Jahr die Schweizer Investmentbank UBS. Außerdem führt die Produktion besserer Raumschiffe zu neuen Jobs. Anfang 2021 gab die NASA bekannt, sie werde rund 350 kleine Unternehmen und Forschungseinrichtungen mit 45 Millionen Dollar bei der Entwicklung innovativer Technologien unterstützen.

Weltraumhotel oder Flug in die Stratosphäre

Eine Frage taucht jedoch immer wieder auf: Ist der Weltraum überhaupt für den Menschen gedacht? Das sei in der Tat ein großes moralisches Problem, räumt Toivonen ein. "Wir haben unseren Planeten zerstört und dann gehen wir in den Weltraum und zerstören den auch noch." Die Gesetzgebung sei völlig unzureichend: "Es sieht im Moment aus wie der Wilde Westen". Doch egal wie man die Sache sieht: Der kommerzielle Wettlauf ins All ist längst in vollem Gange.

Doch falls so ein Raketenflug nicht Ihr Ding ist: das US-Unternehmen "Space Perspective" arbeitet schon an einer zahmeren Variante. Passagiere sollen in einer Kapsel, einer Art Hightech-Version eines Heißluftballons "von der Größe eines Fußballstadions", mit Wasserstoffantrieb in die Stratosphäre und damit an den Rand des Weltraums gebracht werden. Die ersten Flüge sind für Anfang 2024 geplant. Tickets kosten 125.000 Dollar. Pro Person.

Infografik Global revenue forecast of space tourism 2021-2030 DE

Ist das etwa auch nicht das Richtige? Das Unternehmen Orbital Assembly Corporation plant für 2027 die Eröffnung eines luxuriösen Weltraumhotels. Die Voyager Station sieht ein bisschen aus wie ein Riesenrad das im Orbit schwebt, es soll ein Restaurant, ein Fitnessstudio und Bars mit Blick auf die Erde geben. Der Preis? Etwa fünf Millionen Dollar. Und nach drei Tagen ist Bettenwechsel. 

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt.