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"Jeder bekommt in Indien eine faire Chance"

Das Interview führte Sonia Phalnikar / (kh)28. April 2006

Der indische Minister für Handel und Industrie Kamal Nath hat mit DW-WORLD.DE über die deutsch-indischen Beziehungen, Protektionismus und die Haltung Angela Merkels zu Atomenergie für Indien gesprochen.

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Indiens Handelsminister Kamal NathBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

DW-WORLD.DE: Wie war Ihr Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Hannover Messe?

Kamal Nath: Ich kenne Angela Merkel seit den frühen 1990er Jahren. Sie wurde 1993 Bundesumweltministerin. Und ich war zu diesem Zeitpunkt Indiens Umweltminister, so dass wir damals zusammenarbeiteten. Darum haben wir auch in Erinnerungen geschwelgt, als wir uns dieses Mal in Hannover trafen. Wie andere europäische Länder richtet Deutschland heute seinen Blick zunehmend auf Indien, weil Indien heute für Multikulturalismus, religiöse Vielfalt und Demokratie steht. Ich denke, die indische und die deutsche Regierung haben immer eine gute Verbindung gehabt. Kanzler Schröder war vor anderthalb Jahren in Indien, ein Zeichen für die Fortsetzung der guten Beziehungen.

Wie wichtig ist Deutschland als Handelspartner für Indien?

Deutschland ist einer unserer größten Handelspartner in Europa und wir wissen unsere gute Beziehung zu schätzen. Große deutsche Unternehmen sind in Indien bereits präsent. Jetzt geht es darum ein größeres Engagement kleiner und mittelständischer Unternehmen, die sich manchmal der Möglichkeiten auf dem indischen Markt nicht bewusst sind, zu erreichen. Zweitens müssen wir unser Handelsbereiche ausweiten.

In Deutschland wird Indien oft als Gefahr für deutsche Jobs angesehen. Müssen die Deutschen sich Sorgen machen?

Europa ist gegenüber Asien im technologischen Vorteil. In der neuen wirtschaftlichen Struktur müssen Deutschland und andere europäische Länder sich restrukturieren, um ihre Stärken auf nachhaltigere Weise zu nutzen. Früher wurden Autos in Europa hergestellt. Heute können sie immer noch in Europa hergestellt werden, aber zunehmend werden sie in Indien produziert. Gleichzeitig haben unsere niedrigen Lohnkosten dazu geführt, dass deutsche Unternehmen mehr Profit machen. Indien und Deutschland müssen partnerschaftlich an einer neuen wirtschaftlichen Struktur arbeiten, so dass Europas Innovationskraft wieder profitabel wird. Unsere Botschaft an Deutschland ist: Wir wollen, dass sich deutsche Firmen in Indien intensiver engagieren.

Deutschland und andere ausländische Investoren werden nach wie vor von der schlechten Infrastruktur in Indien abgeschreckt. Wann wird sich das ändern?

Es stimmt, dass die Infrastruktur ein großes Problem in Indien ist und wir hoffen auf deutsche Investitionen in diesem Bereich. Indien hat sich in der Vergangenheit sehr stark auf die ländliche Infrastruktur konzentriert. Doch jetzt ist die städtische Infrastruktur unsere größte Priorität und wir haben eine Reihe von Schritten eingeleitet, um dieses Thema anzugehen: Gleichzeitig müssen wir bedenken, dass es keine sofortige Lösung für Indiens infrastrukturelle Probleme geben kann.

Sind Sie besorgt über protektionistische Bestrebungen in Europa, jetzt wo indische Unternehmen zunehmend ins Ausland expandieren?

Die größten Verfechter der Globalisierung wollen jetzt ihre eigenen Märkte schützen, weil sie international nicht wettbewerbsfähig sind. Auch Indien will direkte Investitionen aus dem Ausland nur dort, wo sie schrittweise wirtschaftliche Aktivität schaffen. Zugleich müssen wir uns darüber klar sein, dass die neue wirtschaftliche Struktur durch andere 'Zutaten' bestimmt werden wird als bisher. In der heutigen Welt sind grenzübergreifende Fusionen und Übernahmen mehr und mehr eine Angelegenheit der Aktionäre und die Regierungen sollten sich da raushalten.

Deutschland will Flugzeuge - speziell den Eurofighter - an Indien verkaufen. Hat es eine Chance gegen Russland?

Jeder bekommt in Indien eine faire Chance. Wir müssen zusehen, dass die Anforderungen an unsere Verteidigung auf bestmögliche Weise erfüllt werden, sowohl bezüglich der Technologie als auch des Preises. Unsere Luftwaffe expandiert und wird modernisiert. Die Ausrüstung mit Verteidigungstechnologie ist ein langwieriger Prozess. Auch deutsche Schiffsbauer haben die Chance, die indische Marine zu beliefern - sie haben das in der Vergangenheit getan und werden das auch weiterhin tun.

Indien will seinen Anteil an der Atomenergie erhöhen, um den wachsenden Energiebedarf zu decken, und hofft auf deutsche Hilfe. Wie hat Deutschland darauf reagiert?

Natürlich spielt Deutschland als Mitglied der Nuclear Suppliers Group eine Schlüsselrolle und ich denke, die Reaktion von Kanzlerin Merkel hat klar gemacht, dass sie nicht grundsätzlich dagegen ist, uns mit Nukleartechnologie zu versorgen. Doch die ganze Sache ist in der Anfangsphase und der amerikanische Kongress muss dem Abkommen noch zustimmen. Letztendlich ist das zivile Nuklearabkommen eine Demonstration Indiens, dass wir vor 34 Jahren all die Disziplin aufgebracht und Transparenz ermöglicht haben, die der Atomwaffensperrvertrag erfordert, obwohl wir nicht Teil des Vertrags sind.

Deutschland weiß, dass Indien auch in Zukunft einen extrem hohen Energiebedarf haben wird, und wird sich im Interesse der Welt zweimal überlegen, ob es Indien lieber den Kohlenwasserstoff- oder den Kernenergie-Weg gehen lässt. Es ist schön und gut zu sagen "Keine Kernenergie", aber lassen Sie uns nicht vergessen, was passiert, wenn Indien seinen Energieverbrauch von 125.000 auf 250.000 Megawatt erhöht. Wir müssen die Auswirkung auf den globalen Klimawandel bedenken. Deutschland ist sich darüber im Klaren.