Muslime und der Tod
26. November 2007Wer seine Trauer offen auslebt, gerät in den Verdacht, Gott nicht zu vertrauen. Demütige Zurückhaltung in der Trauer - diese Haltung sei besonders deutlich spürbar auf Friedhöfen in islamischen Ländern, erklärt Özgür Uludak: "Man geht zum Grab, um bei Gott für die Seele des Verstorbenen zu beten, aber nicht um den Verstorbenen anzubeten."
Rechter Winkel nach Mekka
Uludaks Familie betreibt ein Bestattungsunternehmen in Hamburg, das sich auf muslimische Begräbnisse spezialisiert hat. Nach seiner Erfahrung ist die islamische Trauerkultur jedoch buntscheckiger, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Der geografische Raum, in dem der Islam ausgebreitet ist, sei schlicht zu groß für eine Einheitskultur. Viele Türken gehen zurückhaltend mit der Trauer um. Wenn dagegen ein Muslim aus Ghana stirbt, führen die Hinterblieben Gesangsdarbietungen auf. Wiederum anders laufe es in Nordafrika. In Algerien würden zum Beispiel Klageweiber engagiert, erzählt Uludak.
Ein besonderes Thema ist die Bestattung in Deutschland. Zwischen der deutschen Friedhofskultur und muslimischen Bräuchen gibt es mehrere Reibungspunkte. Zum Beispiel sind muslimische Gräber so angelegt, dass die Körperachse des Verstorbenen im rechten Winkel zu Mekka steht. Dies kann die Parzellierung der deutschen Gräber durcheinanderbringen und sorgt für Konflikte. Außerdem hüllen Muslime ihre Toten nur in ein Leinentuch und verzichten auf einen Sarg. In Deutschland hingegen herrscht Sargpflicht, mit der Begründung, das Grundwasser könnte durch Leichenwasser verunreinigt werden.
Überführung in Heimatländer
In immer mehr deutschen Städten gebe es mittlerweile Bereiche auf dem Friedhof, in denen nach muslimischem Brauch bestattet werden darf, berichtet Uludak. Nach seiner Erfahrung sei es aber eher so, dass die Muslime gar nicht in Deutschland beerdigt werden wollen. 90 Prozent der Beerdigungen, die sein Familienbetrieb betreut, sind Überführungen in die Heimatländer der Verstorbenen. Man wolle eben dort begraben werden, wo man sich zu Hause fühlt. Die Begräbniskultur ist in Uludaks Augen ein Gradmesser der Integration, indem sich eine Bewegung abzeichnet.
"Im Moment ist es so, wenn ein Jugendlicher beispielsweise mit 20 oder 25 Jahren tragisch verunglückt oder stirbt, sind meistens die Eltern verantwortlich für die Organisation der Beerdigung und die bevorzugen dann die Überführung in die Heimat", erklärt Uludak. Die Entwicklung gehe dahin, dass die zweite und dritte Generation von muslimischen Ausländern in Deutschland sich tendenziell eher hier beerdigen lasse. Wer die Begräbniskultur als einen Gradmesser versteht, muss daher nüchtern festhalten, dass die Integration in Deutschland noch einen weiten Weg vor sich hat.