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Religion kontra Ökologie

Laura Hennemann /ke9. April 2013

Laurel Kearns doziert an der Theologischen Schule der Drew University in Madison, New York. Hier beschäftigt sie sich mit religiösen Gruppen, die sagen, Gott wäre froh, wenn Menschen Ressourcen weiter ausbeuten.

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Laurel Kearns, 2009 auf der Florida UMC Konferenz (Foto: Greg Moore/ Courtesy the Florida Conference UMC)
Bild: By Greg Moore, Courtesy the Florida Conference UMC

Global Ideas: Warum tun sich Menschen, religiös oder nicht, so schwer, etwas gegen die globale Erwärmung zu tun?

Laurel Kearns: Menschen sind nicht daran gewöhnt, ökologisch zu denken. Wir können uns einfach nicht vorstellen, dass unser Tun einen globalen Einfluss hat, sondern denken vor allem lokal.

Aber lehrt uns Religion nicht, weiter zu denken, über eine zeitliche und örtliche Begrenzung hinaus?

Genau! Deshalb habe ich begonnen, mich mit der Verbindung zwischen Religion und Klimawandel zu beschäftigen. Denn Religion fordert uns dazu auf, groß, global, über den Tellerrand hinaus zu denken. Das habe ich in den 1980er Jahren festgestellt, als ich über etliche religiös motivierte Gruppen gestolpert bin, die ökologisch aktiv waren. Darüber habe ich dann auch meine Dissertation geschrieben.

Kommen Sie selbst aus so einer Gruppe?

Nein, eigentlich bin ich das komplette Gegenteil. Als Teenager war ich Teil einer tiefgläubigen, evangelikalen Kirche. Ich wollte Ökologie und Biologie studieren, aber die Kirche hat sich dagegen ausgesprochen. Also bin ich ausgetreten. Heute gehöre ich zu den Quäkern, das ist eine Religion, die sich zwar auf die christlichen Traditionen beruft, aber auch anderen Traditionen und ökologischen Interessen offen gegenüber steht.

Sie haben also neben “grünen” Gläubigen auch völlig andere Ansichten kennen gelernt?

Allerdings. Am Anfang der grünen Bewegung sah die Mehrheit der Christen Umweltbewusstsein als etwas Neumodisches oder Weltliches, als viel zu wissenschaftlich. Heute hat sich das verändert. Dass sich ein “grüner” Evangelikalismus immer mehr durchsetzte, führte aber auch zu einer Radikalisierung bei den Gegnern dieses Gedankens. Das Acton Institut, ein sehr konservativer religiöser Think-Tank ist ein Beispiel dafür. Ein weiteres ist die Cornwall Alliance, die den “menschgemachten” Klimawandel kategorisch ablehnt, während sie sich selbst als Umweltgruppe darstellt.

Ein Kirchenfenster aus Buntglas (Foto: CC BY 2.0: Steve Snodgrass/flickr. com: http://www.flickr.com/photos/stevensnodgrass/3694712395/sizes/l/in/photostream)
Kommt Jesus zurück auf die Erde, wenn es um unsere Umwelt am schlimmsten steht?Bild: CC/Steve Snodgrass

Wo liegen die Beweggründe solcher Gruppen?

Sie legen die Schöpfungsgeschichte so aus, dass Gott den Menschen die Herrschaft über die Erde übertragen hat. Gott hat alle Ressourcen auf der Erde verteilt, damit die Menschen sie nutzen. Wir sollen also weiter nach Öl bohren und nach Kohle graben, weil wir Gott erfreuen, wenn wir fündig werden.

Einige Gruppen geben möglicherweise sogar zu, dass es eine globale Erwärmung gibt. Allerdings sagen sie, dass es sich dabei um etwas Natürliches handelt. Zu sagen, dass sie durch den Menschen verursacht und katastrophale Auswirkungen haben wird, würde bedeuten, Gottes Allmacht in Frage zu stellen.

Die dritte große Gruppe sind die Anhänger der Apokalypse. Sie glauben, dass die Konflikte im Nahen Osten und die Zerstörung der Umwelt ein Zeichen sind, dass sich das Buch der Offenbarung erfüllt. Sie verstehen die globale Erwärmung als etwas Gutes, weil das bedeutet, Jesus würde bald kommen. Warum sollten sie also etwas dagegen unternehmen?

Es ist also möglich, diese religiösen Strömungen in solche zu unterteilen, die den Klimawandel komplett ablehnen und in solche, die ihn als etwas Positives sehen?

Oh, es gibt noch eine weitere Möglichkeit. Gläubige gehen davon aus, dass sie nichts gegen die globale Erwärmung unternehmen müssten, weil Gott es am Ende schon richten wird.

Ich habe noch einen weiteren spannenden Standpunkt gefunden: Es gibt Menschen, die sagen, dass der Glaube an den Klimawandel auch so etwas wie eine Religion in einer größer werdenden atheistischen Welt ist. Umweltschützer würden Mutter Erde als eine Göttin stilisieren und die Angst vor Umweltverschmutzung als eine andere Form von Angst vor der Hölle.

Wenn man die globale Erwärmung eine Religion nennt, oder einen Glauben an eine Theorie, dann bedeutet das auch, eine Wahl zu haben, ob man nun glaubt, oder nicht. Das ist vergleichbar mit den Aussagen der Kreationisten, die sagen: Ihr glaubt an die Theorie der Evolution, wir glauben etwas anderes. Sie missverstehen die wissenschaftliche Verwendung des Begriffs “Theorie” als etwas, das hypothetisch ist.

Unter solchen Bewegungen gibt es auch einige, die behaupten, dass Umweltschützer so etwas wie eine Weltregierung anstreben. In diesem Sinne ersetzt der Umweltschutz den Kommunismus als Feindbild, der versucht “die Gedanken unserer Kinder zu vergiften.”

Macht Ihnen der Einfluss solcher konservativer Christen Sorgen?

Die meisten dieser Gruppen für sich genommen würden keine große Aufmerksamkeit erregen. Aber ihre kritische Haltung Umweltschützern gegenüber macht sie für die Industrie interessant, die ähnlich denken. Geld aus solchen Konzernen macht es religiösen Gruppen möglich, aufwendige Medien-Kampagnen zu fahren.

Es ist schon erschreckend, wie weit diese Gruppen die öffentliche Meinung in den USA verändern können. Wir waren bereits auf dem Weg, einzusehen, dass es den Klimawandel gibt und wir etwas dagegen unternehmen müssen. Aber Wirtschafts-Konservative und religiöse Rechte haben die Entwicklung in Zeiten wirtschaftlicher Schwäche ausgebremst. Die Zahl der Klimaskeptiker steigt wieder an.

Ein Ölfilm auf Wasser (Foto: CC BY 2.0: stefanweihs/flickr.com: Quelle: http://www.flickr.com/photos/stefan-w/3184704066/sizes/l/in/photostream)
"Macht euch die Erde untertan" - Schlossen Gottes Worte auch Umweltverschmutzungen ein?Bild: CC/stefanweihs

Als John McCain 2008 im Wahlkampf gegen Präsident Obama war, hat er noch eine Klimaschutz-Gesetzgebung unterstützt. Aber der Druck seiner Partei hat ihn schnell verstummen lassen. Genau dasselbe ist Christie Todd Whitman passiert, einer ehemaligen Gouverneurin von New Jersey, die von der Bush-Administration zum Schweigen gebracht wurde, als sie der US-Umweltschutzbehörde vorstand.

Wie sieht das in anderen Religionen aus?

Jede Weltreligion, egal ob Christentum, Judentum oder Islam, trägt den Samen der Klimaverantwortung in sich. Allerdings hat keine einen echten ökologische Ansatz, weil sich keine in Zeiten entwickelt hat, in denen es ein so starkes ökologisches Bewusstsein gab, wie heute.

Allerdings gibt es auch im Judentum und im Islam Klimaskeptiker. Deren Interpretationen sind ähnlich denen der Christen: Die Ressourcen sind dazu da, von den Menschen genutzt zu werden. Außerdem teilen sie die Skepsis gegenüber der Wissenschaft. Die Cornwell Alliance ist ein Beispiel für so eine religionsübergreifende Gruppe.

Gibt es denn keine Religionen auf der Welt, die tatsächlich “grün” denken? Wie sieht es mit den Naturvölkern aus?

Die amerikanischen Ureinwohner haben beispielsweise Traditionen, die sehr eng an Umwelt und Natur geknüpft sind. Allerdings sollten wir sie nicht romantisieren: Im kleinen Rahmen haben auch sie der Natur schwer geschadet, indem sie, sobald bessere Technik verfügbar war, diese auch genutzt haben, um etwa mehr Büffel zu töten, als nötig. Was wir daraus lernen können, ist, dass keine Religion nur als Idee existiert. Das bedeutet aber auch, dass jede Generation und jede Kultur die Chance hat, eigene Facetten in die religiösen Traditionen einzubringen. Und angesichts der heutigen klimatischen Herausforderungen hat wirklich jede Religion enorme Möglichkeiten.