Japanische Streichelcafés in der Kritik
22. Mai 2019"Mipig" heißt die jüngste Neueröffnung auf dem boomenden Markt der sogenannten "Pet Cafés" in Tokio. Im "Mipig" können gestresste Kunden sich für eine halbe Stunde beim Kraulen eines Hängebauchschweins und einem Kaffee entspannen.
Das Café wurde am 1. März eröffnet, das benötigte Kapital wurde von einem Agrarbetrieb in der Präfektur Yamanashi im Landesinnern westlich von Tokio per Crowdfunding aufgebracht. Damit wurden unter anderem Minischweine aus Großbritannien importiert, wo die Liebe zum Schwein als Haustier schon seit längerem gepflegt wird und staatlich geregelt ist. Im Tokioter "Mipig" kostet die erste halbe Stunde in Gesellschaft eines schnuckeligen Borstentiers umgerechnet 6,50 Euro, jede weitere rund vier Euro. Die Bestellung mindestens eines Getränks (Preise ab 4,90 Euro) ist obligatorisch. Der Cafébesitzer will seinen Landsleuten nach eigener Aussage das Schwein als Haustier näher bringen, deswegen kann man ein solches Exemplar bei Gefallen auch für rund 2400 Euro direkt mit nach Hause nehmen.
Mode begann 2004
Die Idee zur Einrichtung von Räumlichkeiten zum Streicheln von Tieren für jedermann soll 2004 in Osaka geboren worden sein. Damals wurde dort ein Café eröffnet, wo man mit Katzen spielen konnte. Von dort verbreitete sich das Konzept in Städte im ganzen Land und bezog bald auch Arten jenseits der traditionellen Haustiere ein. Inzwischen sind Katzen- und Welpencafés in den Ausgehvierteln japanischer Städte normal.
Wer speziellere Vorlieben hat, findet auch Cafés mit Frettchen, Igeln, Eulen, Kaninchen, Ziegen oder Reptilien im Angebot. "Viele Japaner glauben offenbar, dass der enge Kontakt zu den Tieren heilsame therapeutische Wirkung im stressigen Alltag hat", erklärt Kevin Short von der Tokyo University of Information Sciences. "Die Cafés bieten den Leuten die Möglichkeit, für eine begrenzte Zeit in engen Kontakt mit den Tieren zu kommen, ohne den Aufwand, den das Leben mit einem Haustier mit sich bringt."
Putzige Szenen ...
"Harrys Igel-Café" in Yokohama zum Beispiel kann mit 50 dieser Stacheltiere aufwarten, außerdem gibt es Erdmännchen, Frettchen und eine große Eidechse. Die Tiere sind in einem begehbaren Gehege. Wer hineingeht, dient den Erdmännchen umstandslos als Kletterbaum, sie kauen ansonsten gerne auf Schnürsenkeln herum und was immer sie an Kleidungszipfeln erwischen können. Ebenso agil sind die Frettchen, das menschliche Personal des Cafés muss permanent aufpassen, dass sie nicht aus dem Gehege entwischen. Die Igel sind eher still und präsentieren sich als stachlige Kugeln. Wenn sie Futter riechen – die getrockneten Würmer kauft man am Eingang – rollen sie sich auf, aber nicht alle scheinen glücklich darüber zu sein, in der Hand gehalten zu werden.
... und Tierquälerei
Auch viele Tierschützer sind nicht glücklich – nämlich über die Mode der Streichelcafés und die dort gepflegte Art und Weise des Umgangs mit Tieren, die normalerweise nicht als Haus- oder Nutztiere gelten. Insbesondere die Praxis, auch Eulen dort zu halten, erregt den Ärger und Protest von Tierschützern wie Chihiro Okada. "Sie unterliegen dort dauernder Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit", sagt Okada gegenüber der DW. Eine Online-Petition zur Schließung der Eulen-Cafés hatte 60.000 Unterzeichner. "Wir haben mehrfach Inspektionen durch die Behörden verlangt und auch mit Besitzern solcher Eulen-Cafés direkt verhandelt, damit sie wenigstens den Tieren erlauben, jederzeit zu trinken."
Okada verweist auch darauf, viele der Wildtiere, die in solchen Cafés aufwachsen, frühzeitig stürben. "Sie leiden unter großem Stress wegen der Präsenz der Menschen, des Lärms und ihrer eingeschränkten Bewegungsfreiheit." Leider gebe es derzeit keine gesetzlichen Regeln, um solche Cafébetreiber zu Änderungen zu zwingen oder gar die Schließung solcher Cafés zu erwirken.