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Janning: "Arabische Liga ist in Syrien-Frage gespalten"

Sven Pöhle1. September 2013

Die Arabische Liga habe weder auf die Westmächte noch auf das Assad-Regime Einfluss, sagt Politikwissenschaftler Josef Janning im DW-Interview. Sie könne trotzdem eine wichtige Rolle im Syrien-Konflikt spielen.

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Josef Janning, deutscher Politikwissenschaftler, Bertelsmann Stiftung sowie die DGAP Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
Josef JanningBild: DGAP

DW: Wie steht die Arabische Liga zu dem Konflikt in Syrien?

Josef Janning: Die Arabische Liga hat die Mitgliedschaft Syriens schon vor geraumer Zeit suspendiert und damit ein klares Zeichen der Distanzierung von Assad gesetzt. Mit ihrer letzten Erklärung hat die Arabische Liga das Handeln des Regimes eindeutig verurteilt. Aber eine direkte Konsequenz hat sie nicht formuliert, außer dem Appell an die Akteure im UN-Sicherheitsrat, einen weiteren Versuch zu einer Verständigung zu unternehmen.

Das zeigt, dass die Liga gespalten ist in der Frage: Wie soll reagiert werden? Soll man gewissermaßen dem Westen eine Vollmacht ausschreiben, oder soll man das nicht tun? Es gibt in der Arabischen Liga einige, die so weit gegangen wären. Es gibt andere, die das nicht wollen.

Welche Staaten stehen sich in dieser Frage gegenüber?

Eine der Konfliktlinien verläuft zwischen den Staaten auf der Arabischen Halbinsel, also am Golf, und denen in Nordafrika. Die Golfstaaten sind zum Teil deutlich offener, was eine Bestrafung Assads angeht, als es die Staaten in Nordafrika sind. Saudi-Arabien und Katar sind bislang hervorgetreten durch die Forderung: Assad muss weg. Sie möchten aber nicht als diejenigen in Erscheinung treten, die für Washington eine Blankovollmacht ausschreiben. Das hängt mit dem Versuch zusammen, eine Balance zu halten zwischen dem arabischen Anspruch, die eigenen Verhältnisse selbst zu regeln und den Stabilitätsinteressen, speziell denen der Saudis.

Die Arabische Liga hält in Kairo am 27. August 2013 ein außerplanmäßges Treffen angesichts der Situation in Syrien ab. (Foto: AFP PHOTO/STR/Getty Images)
Uneins in der Syrien-Frage: Die Arabische Liga bei einem Treffen in KairoBild: Getty Images/Afp/Str

Inzwischen deutet vieles auf eine militärische Operation des Westens gegen das Assad-Regime hin. Würde die Arabische Liga einen Militärschlag des Westens hinnehmen?

Sie hätte nicht die Möglichkeit, ihn zu verhindern. Aber sie würde eine solche Operation wahrscheinlich nicht gutheißen. Täte sie das, dann hätte sie jetzt schon ein indirektes Signal in diese Richtung geben können. Die eigentliche Position der Arabischen Liga wird sich erst formen, wenn man sieht, was passiert und welche Reaktionen es auslöst. So lassen sich die Araber im Grunde die Tür offen, um nicht auf dem falschen Fuß erwischt zu werden. Denn auf die Planung eines solchen Militärschlages und seine Durchführung haben sie praktisch keinen Einfluss.

Die Arabische Liga ist bezüglich der Maßnahmen gegen Syrien recht defensiv. So wird etwa gefordert, dass einer militärischen Operation eine UN-Resolution zugrunde liegen muss. Spielt hier auch die Meinung der Bevölkerung der Mitgliedsstaaten der Liga eine Rolle?

Die arabische Bevölkerung ist durchaus distanziert, was das militärische Eingreifen von außen in die inneren Verhältnisse der Arabischen Welt angeht. Das zieht sich quer durch die unterschiedlichen politischen Strömungen. Die säkularen wie die eher religiösen oder islamistischen Kräfte sind getragen von der Überzeugung, dass man von außen helfen und unterstützen, aber nicht intervenieren sollte. Die Politik und Diplomatie der arabischen Staaten muss sich daher auch immer vergewissern, inwieweit die öffentliche Meinung ihr Handeln mitträgt. Das ist auf der Arabischen Halbinsel nicht ganz so relevant, weil die öffentliche Meinung dort weniger Einfluss auf das Handeln der Machthaber hat. In Nordafrika und Jordanien ist dies aber ein sehr wichtiger Faktor.

Ist die Arabische Welt nur noch Zuschauer in Syrien oder könnte sie noch eine Rolle in dem Konflikt spielen?

Natürlich kann die Liga eine Rolle spielen. Eine ihrer wichtigen Rollen wäre, das Verhalten ihrer eigenen Mitglieder stärker zu koordinieren. Die Radikalisierung des Syrien-Konfliktes hat auch dazu geführt, dass noch bevor die westlichen Staaten über Waffenlieferungen an die Rebellen nachgedacht haben, diese Lieferungen bereits aus der Arabischen Welt nach Syrien gelangt waren. Es befinden sich inzwischen zahlreiche international operierende Dschihadisten im Lande. Deren Einsickern nach Syrien wird von einigen arabischen Staaten verdeckt durchaus mitgetragen.

So fährt Saudi-Arabien einen Kurs, der aus europäischer Sicht etwas merkwürdig ist: Auf der einen Seite steht die Bemühung um ein gutes Verhältnis zu den USA und anderen westlichen Staaten. Auf der anderen Seite wird doch immer wieder die finanzielle Unterstützung von radikaleren Kräften erkennbar - sofern sie nicht auf der Arabischen Halbinsel selbst operieren.

Es wäre für die Arabische Liga eine wichtige Aufgabe, dass sie versucht, diese unterschwelligen Reaktionsweisen und Interventionen indirekter Art aus der Arabischen Welt in solche Konflikte stärker zusammenzubringen und nach außen geschlossener aufzutreten.

Eine zweite Aufgabe wäre, zu helfen, wenn es eine Chance für die Errichtung einer neuen politischen Ordnung in Syrien gibt, und diese Ordnung möglichst schnell zu stabilisieren. Zudem könnte man dazu beitragen, dass in einem solchen Prozess auch die im Land zahlreich vorhandenen Waffen konventioneller wie nichtkonventioneller Art unter Kontrolle bleiben.

Solange Assad noch im Land ist, dürfte der Arabischen Liga eine Vermittlerrolle aber schwer fallen, oder?

Sie haben ihre Rolle als Vermittler verlassen. Assad hat aber auch den anderen Akteuren in der Arabischen Liga zu verstehen gegeben, dass er auf ihre Mitwirkung und Einwirkung in diesem Konflikt keinen Wert legt. Er hat selbst die Tür geschlossen für die Arabische Liga, so dass sie keinen wirklichen Einfluss hat. Den hätte sie nur, wenn Assad die Liga bräuchte oder zu brauchen glaubte.

Das ist keine Situation, mit der die Vertreter der Liga zufrieden sind, aber die Arabische Liga selbst hat keine Mittel, in der derzeitigen Lage die Situation zu verändern.

Josef Janning hat Politikwissenschaft, Internationale Beziehungen, Geschichte und Germanistik an den Universitäten Bonn und Köln studiert. Er ist Mercator Fellow an der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP). Zuvor war er unter anderem tätig für das Brüsseler European Policy Centre (EPC) und als Senior Director der Bertelsmann Stiftung.

Das Gespräch führte Sven Pöhle.