Jamaika zofft um Posten und Geld
23. Oktober 2017Michael Kellner ist einer der weniger bekannten Grünenpolitiker. Der Bundesgeschäftsführer wirkt zumeist im Hintergrund. Aber jetzt hat auch er mal Schlagzeilen gemacht: Mit der Forderung, die Kanzlerin müsse in Zukunft zwei Vizekanzler ernennen, einen von der FDP und einen von den Grünen. Kellner sagte der "Bild-Zeitung: "Grüne und FDP müssen gleichermaßen die Regierungsarbeit mitkoordinieren. Die Koordination der Regierungsarbeit kann in so einer möglichen Koalition nicht nur im Kanzleramt und bei einem weiteren Partner, sondern muss bei allen drei liegen: Union, Grünen und FDP."
Das Gesetz kennt nur einen Vizekanzler
Dabei ist das im Gesetz gar nicht so vorgesehen. Dort heißt es klar: Die Kanzlerin ernennt einen ihrer Minister zum stellvertretenden Kanzler. Das war bisher auch kein Problem, es gab stets nur Koalitionen mit zwei Parteien, der kleinere Partner durfte dann den Vizekanzler stellen. Jetzt, mit drei Parteien (und wenn man CDU und CSU auseinanderrechnet, sogar mit vieren) stellt sich das anders dar. Aber deshalb zwei Stellvertreter? Die FDP jedenfalls hat bei der Wahl mehr Stimmen als die Grünen bekommen und hat quasi das Zugriffsrecht auf den Vizekanzlerposten.
"Tofu predigen und an die Fleischtöpfe wollen"
Die CDU reagiert zurückhaltend. Am Montagmorgen steht die CDU-Chefin aus Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, frierend vor der Parteizentrale in Berlin. "Ich weiß, dass wir eine Kanzlerin brauchen. Und dann wird es einen Vizekanzler geben. Ob wir zwei brauchen, hat sich mir bisher noch nicht so aufgedrängt." Und gewohnt schneidig fiel die Reaktion von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer aus: "Tofu predigen, aber so schnell wie möglich an die Fleischtöpfe wollen: typisch grün."
Wackelt die "schwarze Null"?
Am Dienstag wollen die Jamaikaner über Finanzfragen und über Europa reden. Und auch da knirscht es schon etwas im Getriebe. Finanzexperten der Union haben ausgerechnet, dass die Wünsche aller Parteien sich schon jetzt auf zusätzliche Ausgaben von rund 100 Milliarden Euro summieren, obwohl doch der Spielraum bei gerade einmal 30 Milliarden liege. Das würde dann die sogenannte schwarze Null in Gefahr bringen, den ausgeglichenen Haushalt also, auf den vor allem die Union sehr stolz ist. Julia Klöckner: "Wir werden deutlich machen als Union, dass die schwarze Null, dass der ausgeglichene Haushalt ein Segen für Deutschland war, weil wir so viel investieren konnten und Luft hatten für die wirklich wichtigen Dinge. Ich würde jetzt erst mal ein bisschen ausatmen. Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird."
Trittin: "FDP hat nur ihr Programm verlesen"
So gar nicht nach Entspannung klingt auch, was Jürgen Trittin, der frühere Umweltminister der Grünen und Vertreter des linken Parteiflügels, am Montag der "Saarbrücker Zeitung" sagte. Er nahm sich vor allem die FDP vor: "Bei aller Gegensätzlichkeit haben sich Union und Grüne in der ersten großen Sondierungsrunde zumindest aufeinander bezogen und miteinander hart gestritten. Bei der FDP kam nur das eigene Wahlprogramm zur Verlesung. Sonderlich sondierungsfreundlich fand ich dieses Verhalten nicht", so Trittin. Man muss dazu wissen, dass Trittin zwar Mitglied des grünen Verhandlungsteams ist, aber als ausgewiesener Kritiker des Jamaika-Bündnisses gilt. Und beim Thema Finanzen ist er der Koordinator der Grünen bei den Gesprächen.
Gut möglich, dass die zweite Woche der Jamaika-Talks weniger harmonisch verläuft als die erste.