IWF stellt Griechenland-Hilfe in Frage
27. Mai 2011Im Ringen um neue Hilfen für Griechenland sieht der Internationale Währungsfonds Europa am Zug. Der Fonds könne dem hochverschuldeten Euro-Staat kein weiteres Geld leihen, solange er von den EU-Partnern keine finanziellen Zusicherungen erhalte, sagte eine Sprecherin des IWF in Washington. Offenbar macht sich die Institution Sorgen um mittelfristige Finanzierungslücken. "Wir leihen nie Geld, solange wir nicht sicher sind, dass es keine Lücke geben wird", sagte die Sprecherin. "Damit schützen wir das Geld unserer Mitglieder." Die Niederlande kündigten an, keiner weiteren Hilfe zuzustimmen, sollte der IWF seinen Anteil an der nächsten Tranche der Hilfskredite für Griechenland Ende Juni nicht auszahlen.
Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker verschreckte mit der Andeutung einer Aussetzung der IWF-Hilfen die europäischen Finanzmärkte. Er sagte, wenn der IWF den für Ende Juni geplanten Kredit nicht auszahlen würde, müssten die Europäer einspringen. Dies wiederum sei aber wohl wegen fehlender Bereitschaft der Parlamente in Deutschland, den Niederlanden und Finnland nicht möglich. Ein Sprecher stellte später jedoch klar, dass es keine Probleme mit der Juni-Tranche geben werde, wenn die EU- und IWF-Inspektoren von den neuen Sparmaßnahmen überzeugt seien.
Warten auf den Troika-Bericht
Zurzeit prüft eine Kommission der so genannten Troika von IWF, EZB und Europäischer Union die Fortschritte Griechenlands bei der Sanierung seiner Finanzen. Ein positives Testat ist Voraussetzung für die Auszahlung der nächsten Tranche von Hilfskrediten über zwölf Milliarden Euro. Ohne das Geld könnte Griechenland seinen kurzfristigen Finanzbedarf von 13,4 Milliarden Euro nicht decken. Nach Regierungsangaben muss die Abschlagszahlung bis zum 15. Juni eingegangen sein.
Unterdessen wird an den Finanzmärkten nicht mehr die Frage diskutiert, ob Griechenland zum Mittel der Umschuldung greifen wird, sondern wann. Dass es zu einem Haircut kommen muss, bei dem die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten müssen, gilt als ausgemacht, obwohl Europas Politiker dies mit allen Mitteln verhindern wollen. So warnte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vor den unabsehbaren Folgen eines Haircut: "Die Folgen könnten noch katastrophaler sein als nach dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman", sagte er dem Handelsblatt.
Kommt der Haircut?
Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, hat Verständnis für diese Sorgen, sollte dieser Schritt überraschend und ungeordnet erfolgen. "Aber das muss ja nicht der Fall sein", sagt Mayer zu DW-WORLD.DE: "Wir wissen ja aus den Erfahrungen mit der lateinamerikanischen Schuldenkrise aus der 80er Jahren, dass man Umschuldungen auf geordneter Basis durchführen kann." Tatsächlich haben Staaten wie Argentinien oder Russland zum Mittel der Umschuldung gegriffen - und sind nicht von der Landkarte verschwunden.
Mayer hat ausgerechnet, dass ein Haircut von 50 Prozent der ausstehenden Schulden Griechenlands zu Verlusten von rund 160 Milliarden Euro bei den Kreditgebern führen würde. "Diese wären jedoch ungleich verteilt- die griechischen Banken und die EZB wären wohl am härtesten betroffen", schreibt Mayer in den Konjunkturmitteilungen des Deutsche Bank Economic Reseach Bureau Frankfurt. Allerdings seien die griechischen Banken nicht gerade relevant für das Europäische Bankensystem. Für die nach einem Schuldenschnitt überlebensfähigen Banken könne es eine Auffanglösung geben, die anderen könne man geordnet abwickeln.
Eine Umschuldung hätte auch einen erzieherischen Charme. Der Umstand, dass Griechenland für einige Zeit von den Kapitalmärkten abgeschnitten sei und sich kein frisches Geld mehr besorgen könne, habe auch etwas Heilsames: "Das ist so, als wenn man Ihnen oder mir die Kreditkarte sperren würde. Dann müssen Sie auch zusehen, wie Sie Ihre Einnahmen mit Ihren Ausgaben in Einklang bringen", so Mayer zu DW-WORLD.DE.
Autor: Rolf Wenkel
Redaktion: Andreas Becker