IWF kritisiert Deutsche Bank
5. Oktober 2016Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat die Deutsche Bank in ungewöhnlich scharfer Form kritisiert. "Die Deutsche Bank gehört zu den Banken, die weiter Anpassungen vornehmen müssen, um Investoren davon zu überzeugen, dass ihr Geschäftsmodell für die Zukunft tragfähig ist", sagte IWF-Geld- und Kapitalmarkt-Experte Peter Dattels am Mittwoch in Washington. Zudem müssten die Anleger überzeugt werden, dass Deutschlands größtes Geldhaus seine Risiken aus diversen Rechtsstreitigkeiten im Griff habe.
Seit das US-Justizministerium die Summe von 14 Milliarden Dollar wegen Vergehen mit Hypothekenpapieren gefordert hat, ist die Aktie der Deutschen Bank in einen Abwärtsstrudel geraten. Reihenweise verkauften Investoren ihre Anteile an der Bank und Hegefonds brachten durch spekulative Transaktionen den Kurs der Deutschen Bank zusätzlich unter Druck.
Auf die Frage, ob das US-Justizministerium bei seinen Forderungen gegenüber europäischen Banken mit unverantwortlich hohen Beträgen hantiere, antworteten die IWF-Experten zurückhaltend. Der europäische Bankensektor müsse sich "erhebliches Fehlverhalten und Unverantwortlichkeit vorwerfen lassen", sagte IWF-Finanzexperte Matthew Jones.
Poker um Milliardenstrafe
Für Deutsche-Bank-Chef John Cryan kommen die mahnenden Worte des IWF zu einem kritischen Zeitpunkt: Das renditeschwache Institut steckt gerade mitten im Verhandlungspoker mit den US-Behörden, um weniger als die geforderte 14-Milliarden-Dollar-Strafe im Streit um faule Hypothekenpapiere bezahlen zu müssen. Das Thema dürfte auch bei der Herbsttagung des IWF in Washington weiter im Mittelpunkt stehen. Dort versammeln sich Ende der Woche zahlreiche Banker, Notenbanker und Politiker, um unter anderem über die Lage an den Finanzmärkten zu diskutieren. Cryan ist auch dabei. Der Deutschen Bank - vom IWF als gefährlichste Bank der Welt eingestuft - haben die Anleger zuletzt massiv das Vertrauen entzogen: Die Aktie stürzte vor wenigen Tagen auf ein neues Rekordtief von 9,90 Euro. Die ersten Kunden ziehen Gelder ab. Manch einer fühlt sich bereits an den Vorabend der Finanzkrise 2007 erinnert.
Die Deutsche Bank selbst argumentiert, sie habe genug Liquidität, eine dicke Kapitaldecke und sei in Sachen Bilanzrisiken noch nie so sicher gewesen wie heute. Doch so lange der Hypothekenstreit nicht gelöst ist, bleibt die Unsicherheit, wie widerstandsfähig das Institut wirklich ist. Denn es schwelen noch viele andere Rechtsstreitigkeiten, die viel Geld kosten können. Hinzu kommen die Niedrigzinsen, die sich bei allen europäischen Banken tief in die Bilanz fressen. Darauf ging der IWF in seinem Bericht zur globalen Finanzstabilität ein: Die allgemeine Ertragsschwäche der hiesigen Institute in einem Umfeld niedriger Zinsen und geringen Wirtschaftswachstums könnte die Kapitalpuffer mit der Zeit aufzehren, hieß es. Hinzu kämen faule Kredite im Gesamtvolumen von schätzungsweise 900 Milliarden Euro.
Schwäche des europäischen Bankensektors?
Die Europäische Zentralbank (EZB) als Aufseherin über die Großbanken auf dem Kontinent ging in Verteidigungsstellung. "Es gibt einzelne Fälle von Banken mit Problemen, aber das System ist solide", sagte EZB-Bankenwächter Ignazio Angeloni in Mailand. Die Voraussetzungen für eine systemische Krise seien nicht gegeben.
Die Deutsche Bank gerät Finanzkreisen zufolge in ihren Gesprächen mit wichtigen Investoren schon seit einiger Zeit unter Druck, sich angesichts ihrer nicht enden wollenden Aufräumarbeiten nach einem Fusionspartner umzuschauen. "Das wurde schon im Frühjahr angeregt und stieß damals bei der Bank auf wenig Interesse", berichtete ein Insider von einem Top-10-Aktionär. Von einem anderen Investor hieß es: "Das Fusionsthema wird unter den Aktionären inzwischen offen diskutiert." Die Deutsche Bank wollte sich zu dem Thema nicht äußern. Aus Aufsichtskreisen hieß es zuletzt, vor allem die französischen Großbanken scharrten mit den Hufen und wollten grenzüberschreitende Deals vorantreiben.
Wer auch immer als Käufer einer Deutschen Bank infrage käme - er bräuchte wohl grünes Licht aus Berlin. Und in der deutschen Politik gibt es momentan eine Präferenz für eine nationale Lösung: einen Zusammenschluss von Deutscher Bank und Commerzbank. Gespräche zwischen beiden Instituten hatte es im August gegeben, wie Insider berichteten. Sie wurden allerdings sehr schnell wieder beendet.
tko/dk (dpa, Reuters)