Italien steht im Finale der EURO
7. Juli 2021In einem Fußballdrama - wie dem 4:2 (1:1, 0:0) im Elfmeterschießen der Italiener gegen Spanien - kann man schnell vom Helden zur tragischen Figur werden. Das musste der Spanier Alvaro Morata im EM-Halbfinale gegen Italien schmerzlich erfahren. Erst rettete der Stürmer mit seinem Treffer zum 1:1-Ausgleich in der 80. Minute sein Team in die Verlängerung, nachdem Federico Chiesa die Italiener in Führung gebracht hatte (60.). Die Verlängerung brachte keine Entscheidung, das Elfmeterschießen musste her. Nach drei Schützen stand es 2:2. Morata trat an - und scheiterte mit seinem unplatzierten Schuss am italienischen Torwart Gianluigi Donnarumma. Jorginho traf anschließend und sorgte dafür, dass Italien im Finale der Europameisterschaft 2021 steht.
Achterbahn der Gefühle
Irgendwie war dieses hochklassige Halbfinale vor etwa 57.000 Zuschauern im Londoner Wembleystadion für Alvaro Morata wie ein Abbild des gesamten Turniers: eine Achterbahn der Gefühle. In der Vorrunde galt der 28-Jährige zunächst als Chancentod. Der Nationalspieler und seine Familie wurden beleidigt und sogar bedroht. Morata konnte aus Angst um seine Lieben nicht schlafen und suchte die Hilfe des spanischen Teampsychologen.
Dann wendete sich das Blatt. Im Achtelfinale gegen Kroatien (5:3 n.V.) brachte Morata seine Mannschaft mit seinem Tor in der Verlängerung zum 4:3 auf die Siegerstraße und wurde plötzlich gefeiert. Doch nur bis zum Viertelfinale gegen die Schweiz, in dem Nationaltrainer Luis Enrique ihn nach 54 Minuten auswechselte.
Gegen Italien stand Morata erstmals in diesem Turnier nicht in der Startelf, sondern saß nur auf der Ersatzbank. Vielleicht wollte Enrique ihn einfach nur schützen. Denn Morata saß gewissermaßen zwischen spanischen und italienischen Stühlen: Er steht beim spanischen Traditionsklub Atletico Madrid unter Vertrag, verdient sein Geld aber als Leihspieler bei Juventus Turin. Und dann ist der Spanier auch noch mit einer Italienerin verheiratet.
Italien eiskalt
Ohne Morata machten die junge spanische Mannschaft und nicht das eigentlich höher gewettete italienische Team zunächst das Spiel. Die Spanier hatten in der ersten Hälfte rund doppelt so viel Ballbesitz, gewannen die meisten Zweikämpfe und ließen den Ball auch deutlich schneller rollen. Einziges Manko: Vor dem Tor fehlte es an Durchschlagskraft, vielleicht auch an einem Vollstrecker mit dem Torinstinkt Moratas.
Die Italiener bestraften dies eiskalt. Nach einem abgefangenen spanischen Angriff machte Torwart Donnarumma das Spiel schnell. Über zwei Stationen landete der Ball bei Federico Chiesa. Der 23 Jahre alte Stürmer fackelte nicht lange und schlenzte den Ball aus 14 Metern ins lange Eck zum 1:0 für Italien. Eine Stunde war gespielt.
Spaniens Nationalcoach Enrique musste reagieren - und wechselte unter anderem Alvaro Morata ein. Der sorgte schnell für deutlich mehr Torgefahr als alle anderen spanischen Stürmer. Dann die 80. Minute: Morata spielte mit dem Leipziger Bundesliga-Profi Dani Olmo am Strafraum Doppelpass und schob den Ball flach ins linke Toreck. Spanien jubelte mit und über Morata. Doch nur bis zum Elfmeterschießen.
"Spinale, oho!"
Die siegreichen Italiener, die im 33. Spiel in Serie ohne Niederlage blieben, treffen am Sonntag im EM-Endspiel im Wembleystadion auf den Gewinner des zweiten Halbfinals am Mittwoch zwischen England und Dänemark. Nach dem für sie glücklichen Ende sangen die Spieler der Squadra Azzurra euphorisch: "Spinale, oho, Spinale, oho!"
Schon vor dem Anpfiff hatten sie angekündigt, dass sie den Finaleinzug Leonardo Spinazzola widmen würden. Der überragende Linksverteidiger hatte sich beim Viertelfinalsieg gegen Belgien die Achillessehne gerissen. Für Alvaro Morata sang hinterher niemand.