IT-Gipfel will digitalen Wandel vorantreiben
18. November 2015Vor knapp einem Jahr hat die Bundesregierung die "digitale Offensive" ausgerufen. Ziel sei, europaweit das führende Land in Sachen Digitalisierung zu werden. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Der IT-Gipfel, zu dem sich 1000 Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft versammeln, soll die Weichen stellen und präsentiert erste Ergebnisse. In vielen Bereichen geht es aber wohl vorerst darum, den Anschluss nicht zu verlieren.
Wie steht es um die deutsche IT-Wirtschaft? Die IT-Branche ist der zweitgrößte industrielle Arbeitgeber hinter dem Maschinenbau - und die aktuellen Zahlen können sich sehen lassen. Der Digitalverband Bitkom hob erst kürzlich seine Wachstumsprognosen für 2015 an: So soll der Umsatz um 1,9 Prozent auf 156 Milliarden Euro wachsen. Die Beschäftigtenzahlen steuern auf einen Rekord zu. Bis Jahresende erwartet die Branche zum ersten Mal in ihrer Geschichte mehr als eine Million Mitarbeiter in Deutschland. Was sind die aktuellen Gipfel-Themen und gibt es erste Ergebnisse? Die gibt es und darüber können sich etwa Internet-Nutzer im ländlichen Raum freuen. In Sachen Breitband-Förderung geht ein Milliarden-Zuschuss des Bundes an den Start. Bis 2018 werden zwei Milliarden Euro bereitgestellt. Allen Kommunen und Landkreisen werde das Programm angeboten, "damit es bis 2018 auf der Landkarte keine weißen Flecken mehr gibt", sagte Infrastrukturminister Alexander Dobrindt (CSU).
Die Themen sind nicht neu
Generell sind die neuen Gipfel-Themen größtenteils die alten. Die digitale Transformation der Wirtschaft, neue Formen der Arbeit, Mobilität oder Datenschutz stehen weiter im Mittelpunkt. Reizthema Datenschutz - hat sich hier etwas getan? Ja, Datenschützer können einen Erfolg verbuchen. Bundesregierung und Wirtschaft wollen die Netz-Kommunikation besser absichern und Deutschland zum "Verschlüsselungs-Standort Nr. 1" machen. Es werden Infrastrukturen zur Verfügung gestellt, "um die eigene Identität im Netz besser zu schützen und sicher zu kommunizieren", heißt es in dem Papier, das von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Vertretern der IT-Wirtschaft unterzeichnet wurde. Sie bekennen sich zu einer besseren Nutzerfreundlichkeit oder zu mehr Aufklärung in Sachen Ende-zu-Ende-Kommunikation. Diese garantiert, dass die Nachricht sowohl unterwegs als auch auf den Servern des Providers chiffriert bleibt und nur auf dem Empfängergerät entschlüsselt werden kann.
Das Thema ist umstritten, schließlich ermöglicht die Technik auch Terroristen eine ungestörte Kommunikation. Kommt Verschlüsselung beim Verbraucher an? Bei den Online-Diensten GMX und Web.de erstellten seit dem Start des Angebots im August 250 000 Nutzer einen Krypto-Schlüssel, um ihre Kommunikation mit der Software PGP abzusichern. Die Telekom kündigte am Mittwoch eine einfach bedienbare "Volksverschlüsselung" an. Welche Chancen und Gefahren birgt die digitale Transformation? Die Digitalisierung kann Wirtschaftsbereiche schneller als je zuvor verändern. Wie eine Studie von Cisco kürzlich ergab, hat sie das Potenzial selbst etablierte Unternehmen komplett zu verdrängen. "Neue, schnelle Marktteilnehmer und innovative Traditionsfirmen erzeugen enormen Druck auf alle anderen Unternehmen", sagt Michael Ganser, Zentraleuropa-Chef des Netzwerkspezialisten. Führungskräfte sähen zwar positive Möglichkeiten durch die digitale Transformation. "Doch nur eine Minderheit hat auch einen konkreten Plan."
Welche Branchen sind besonders betroffen?
Die Musikindustrie oder der Mediensektor mussten sich schon früh neuen digitalen Herausforderungen und Konkurrenten stellen. Aber auch Branchen wie die Autoindustrie oder der Maschinenbau sind längst nicht mehr vor Umwälzungen gefeit. In der Fertigungsindustrie werde der 3D-Druck in den nächsten fünf Jahren eine enorme Rolle spielen, sagt Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. "Da sind die Änderungen noch gar nicht ganz absehbar. Die Fertigungsprozesse müssen komplett neu überdacht werden."
Innovationsprobleme scheint es vor allem beim Mittelstand zu geben. Warum? Es mag paradox klingen, aber den Firmen geht es zu gut. "Die Mittelständler haben ein Problem, das sind die vollen Auftragsbücher", sagt Rohleder. "Veränderung entsteht vor allem in Krisensituationen." Die deutsche Wirtschaft befindet derzeit jedoch in einer relativ komfortablen Lage. "Ich will nicht sagen, dass das gefährlich ist. Aber man übersieht dann leicht den Reformbedarf, während sich die Konkurrenz wappnet." Deutschland müsse quer durch alle Branchen die digitale Transformation managen, so der Appell des Bitkom. "Darum geht es in den nächsten Jahren: Also nicht mehr viel reden. Jetzt heißt es machen."
Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich?
Bei der Digitalisierung unserer Wirtschaft sei noch Luft nach oben, meinte kürzlich Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Denn in einem Zehn-Länder-Vergleich der führenden Nationen schnitt Deutschland nur mittelmäßig ab. Demnach fiel Deutschland mit 53 von 100 möglichen Indexpunkten um einen Platz auf Rang sechs zurück. China verbesserte sich dagegen und rückt von Platz sieben zusammen mit Japan auf den vierten Rang vor.