Israelische Gegenpole
3. April 2017Israel ist ein Land voller Widersprüche. Seit seiner Gründung im Jahr 1948 befindet sich Israel in einem konstanten Kriegszustand. Seine Bevölkerung besteht aus vielen unterschiedlichen Gruppen, die nicht alle friedlich miteinander auskommen. Arabische Juden, Juden mit Wurzeln in Europa und Afrika - die ethnische Vielfalt ist groß. Hinzu kommt die größte Minderheit des Landes, die arabischen Muslime.
So unterschiedlich die Einwohner Israels, so verschieden ist auch der Fußball. Vielerorts wirkt er verbindend: Juden und Araber feuern Seite an Seite dieselbe Mannschaft an. Aber es gibt auch Fans, die sich deutlich rassistisch äußern. In ihren Schlachtrufen bejubeln sie die Juden und beleidigen die Araber - ohne dass irgendjemand sich daran stören oder gar eingreifen würde. Ein Konflikt, eine Schieflage, die auch beim 11mm-Fußballfilm-Festival in Berlin thematisiert wird..
"Die rassistischste Mannschaft des Landes"
"Forever Pure" erzählt die Geschichte des Vereins Beitar Jerusalem. Beitar ist der Top-Klub der Metropole, sechsfacher Meister, sowohl Premierminister Benjamin Netanjahu als auch Staatspräsident Reuven Rivlin bezeichnen sich mit Stolz als langjährige Beitar-Anhänger. Die Besonderheit: Beitar ist der einzige Verein der israelischen Elite-Liga, der noch nie einen Spieler arabisch-muslimischer Herkunft unter Vertrag genommen hat. Auch darauf sind die Ultra-Fans des Klubs stolz. Sie bezeichnen sich selbst als die "rassistischste Mannschaft des Landes".
Als der russisch-stämmige Besitzer Beitars, Arkady Gaydamak, in der Saison 2012/2013 zwei muslimische Spieler aus Tschetschenien verpflichtete, eskalierte die Situation zwischen Fans und Verein. Die Spieler wurden von den Ultras beschimpft und als einer der Tschetschenen ein Tor schoss, verließen die Anhänger demonstrativ das Stadion.
Die Regisseurin Maya Zinshtein erhielt sogar Todesdrohungen von einigen der extremsten Beitar-Fans, nachdem ihr Film in Israel Premiere hatte. Tenor: Ihr nächster Film werde von ihrer eigenen Beerdigung handeln und nicht im Kino sondern auf Youtube laufen.
Juden und Araber in einem Team
Dass es im israelischen Fußball auch anders geht, zeigt das Projekt "Kaduregel Shefel". Der Name ist hebräisch und bedeutet soviel wie "niederer Fußball". Zwei Fotografen aus Tel Aviv reisten zu Israels abgelegensten Fußballplätzen und brachten von dort Eindrücke mit, die im Ausland viele überraschten: "Wir fuhren zum Besipiel nach Umm al-Fahm, ein Dorf, das als nicht sehr judenfreundlich bekannt ist", erzählt Gad Selner, einer der beiden Macher von "Kaduregel Shefel". "Dort fanden wir eine ausgeprägte Amateurfußball-Kultur."
Hier spielten Juden und Araber - von denen man allgemein annimmt, sie seien erbitterte Feinde - in derselben Mannschaft. Probleme, ethnische Konflikte oder irgendeine Tendenz, sich voneinander abzusondern, gab es nicht. "Leute, die sich in Israel nicht auskennen, sind immer wieder erstaunt, dass arabische Mannschaften sogar in der Lage sind, in Israel Titel zu holen, so wie Sakhnin [Anm.d.Red.: israelischer Pokalsieger 2004 und damit einziger arabischer Verein, der bislang in Israel einen Titel gewinnen konnte], wo Israelis und Araber zusammen spielen und arbeiten", sagt Selner.
"So ist es überall in Israel", behauptet Vadim Tarasov, der zweite Kopf hinter "Kaduregel Shefel" und Selner ergänzt: "Rassismus gibt es im Fußball auch in Deutschland, auf dem Balkan und anderswo." Während "Forever Pure" einen extremen Auswuchs des israelischen Fußballs abbildet, versucht "Kaduregel Shefel" zu zeigen, wie der israelische Fußball ein Beispiel geben kann, wie die Dinge eigentlich sein sollten. Selner ist sogar der Meinung, dass der Fußball einer der "saubersten Bereiche" der israelischen Gesellschaft sei, wenn es um Rassismus gehe.
"Wie kann man diesen Verein unterstützen?"
"Ich glaube nicht, dass Besucher, die sich sowohl den Film als auch die Ausstellung anschauen, eine Verbindung zwischen beidem herstellen", vermutet Tarasov und geht davon aus, dass "Forever Pure" wohl den stärkeren Eindruck hinterlassen wird. "Wir sind froh, die andere Seite zeigen zu können", sagt er. Diesen Eindruck hat auch St. Pauli-Fan Sonja, nachdem sie sich den Film angesehen hat. "Wie kann man diesen Verein nur unterstützen?", fragt sie schockiert. "Wie kann so eine kleine Gruppe Tausende andere beeinflussen? Ich verstehe das nicht."
Damit hat der Film bei Sonja genau das erreicht, was Regisseurin Maya Zinshtein erreichen wollte. "Wenn der Film den Zuschauer aufwühlt und ratlos macht", sagte sie in einem Interview der Zeitung "Ma'ariv", "dann hat er funktioniert."