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PolitikAsien

Israel rüstet sich gegen Atom-Deal mit Iran

25. März 2022

Der Westen drückt bei den Wiener Atomverhandlungen mit dem Iran aufs Tempo. Israel sieht dadurch keinen Zuwachs an Sicherheit, im Gegenteil.

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Puzzleteil USA und dem Iran | Symbolbild
Bild: K. Steinkamp/blickwinkel/McPHOTO/picture alliance

Immer wieder hat der israelische Premier Naftali Bennett vor einer Einigung mit dem Iran über die Wiederherstellung der Atomvereinbarung von 2015 (JCPOA) gewarnt. Ein solches Ergebnis der Verhandlungen in Wien werde nicht zu politischer Stabilität im Nahen Osten beitragen, erklärte er Anfang Februar während einer Kabinettsitzung in der Knesset. Im Gegenteil, ein Abschluss werde die politische Spannung in der Region erhöhen. "Er wird (Irans) Uran-Anreicherung vorübergehend verzögern, aber wir alle in der Region werden einen hohen und unverhältnismäßigen Preis dafür zahlen."

Berlin Bundeskanzler Olaf Scholz trifft Naftali Bennett
Scholz und Bennett in Berlin: Verbündete mit konträren Meinungen zur Nützlichkeit einer Atomvereinbarung mit dem Iran Bild: Bundespresseamt/dpa/picture alliance

Nun räumte Bennett ein, dass die israelischen Warnungen offenbar ins Leere liefen. Die Amerikaner seien "fest entschlossen, eine (erneuerte) Vereinbarung zu unterzeichnen, und sie werden es auch tun". Es habe darum keinen Sinn, eine internationale Kampagne dagegen zu beginnen, "denn das Abkommen wird unterzeichnet werden", so Bennett am vergangenen Montag auf einer von der Nachrichten-Webseite Ynet organisierten Konferenz.

Allerdings sei Israel auf ein solches Ergebnis der Wiener Verhandlungen vorbereitet, und zwar in Form einer "massiven Aufrüstung" der Streitkräfte. In sie habe man "Milliarden von Schekel" investiert, "in einem fast beispiellosen Umfang", zitiert die Zeitung "Times of Israel" den Premier.

"Geldstrom zur Terrorismus-Finanzierung"

Mit seinen Warnungen artikuliert Bennett Sorgen, die in der israelischen Öffentlichkeit vielfach diskutiert werden. Die Möglichkeit, Iran könne sich trotz aller Vereinbarungen heimlich in den Besitz der Atombombe bringen, ist ebenso Thema wie die mit einer Einigung verbundene Aufhebung der US-Sanktionen. Dieser Schritt wäre eine "große Katastrophe", heißt es in einem Kommentar der Zeitung "Jerusalem Post" vom 20. März. "Er wird den Ayatollahs einen riesigen neuen Geldzufluss bescheren, mit dem sie die Hisbollah im Libanon, die Hamas und den Islamischen Dschihad im Gazastreifen, die Huthis im Jemen und verschiedene Gruppen in Syrien und im Irak dafür bezahlen können, dass sie Israel angreifen und anderweitig Terrorismus und Chaos fördern."

Hinzu kommt die nicht auszuschließenden Möglichkeit einer verborgenen nuklearen Aufrüstung des Iran. In den vergangenen Wochen habe sich gezeigt, welche Macht der Besitz von Atomwaffen verleihe, auch wenn sie nicht eingesetzt würden, sagt Johannes Becke, Professor für Israel- und Nahoststudien an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg. "Ich fürchte, die Entwicklung im Nahen Osten muss vor dem Hintergrund der russischen Invasion in der Ukraine noch einmal neu bewertet werden. Denn die jüngste Geschichte der Ukraine ist ein bedeutender Hinweis darauf, dass Nuklearwaffen leider eben doch einen großen strategischen Wert haben."

Rafael Mariano Grossi | IAEA Generaldirektor
IAEA-Chef Grossi mit neuer Überwachungskamera für iranische AtomanlagenBild: Askin Kiyagan/AA/picture alliance

Dennoch dürfte sich auch Teheran der Risiken einer nuklearen Bewaffnung bewusst sein, sagt Becke. "Dem Iran dürfte letztlich klar sein, dass das Land in dem Moment, in dem es öffentlich bekannt gibt, eine Nuklearmacht zu sein, eine Kettenreaktion auslöst. Denn dann würden sich andere Staaten um nukleare Aufrüstung bemühen. Dann könnten etwa Saudi-Arabien und wohl auch die Türkei über entsprechende Optionen nachdenken." 

Verstärkte konventionelle Bedrohung

Darum, meint Becke, könnte der Iran womöglich auch einen anderen Weg einschlagen. "Das Land könnte nahe an der funktionalen Einsatzfähigkeit von Nuklearwaffen sein, den letzten Schritt dazu aber nicht umsetzen. Die Drohung, binnen kurzem über Nuklearwaffen zu verfügen, könnte in sich bereits eine hinreichend starke Abschreckung darstellen."

Iran Revolutionsgarden Khaibar-buster Rakete Vorstellung
Diese neue Iranische Rakete mit Festtreibstoff und 1500 Kilometer Reichweite wurde im Februar in iranischen Medien präsentiertBild: Sepahnews via AP/picture alliance

Atomwaffen verliehen Staaten, die über sie verfügen, einen nahezu totalen Schutz, der auch den Einsatz konventioneller Waffen erleichtere, so Becke. "Wenn man sieht, dass die von Iran unterstützten Huthi-Milizen in der Lage sind, Drohnen bis nach Abu Dhabi fliegen zu lassen, dann könnten Drohnen als nächstes auch nach Tel Aviv fliegen. Es geht nicht nur um das Nuklearprogramm, sondern auch um die Ausrüstung ausländischer Milizen mit iranischem Militärmaterial, vor allem etwa mit Drohnen", präzisiert Becke die israelischen Sorgen.

Tatsächlich ist die Ausrüstung verbündeter Milizen mit Raketen und Drohnen Teil der außenpolitischen und militärischen Strategie des Iran. So hatte der Führer der vom Iran unterstützten libanesischen Hisbollah Mitte Februar erklärt, die Organisation sei in der Lage, mit Hilfe von "Experten aus der Islamischen Republik Iran" Standardraketen in Präzisionsraketen umzuwandeln. Diese Produktion sei durch den verstärkten Einsatz von Drohnentechnologie durch den "Erzfeind" Israel vorangetrieben worden, argumentierte der Milizenführer.

Iran Revolutionsgarden Führer Hossein Salami
Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden, Hussein SalamiBild: Irgc Official Webiste via Zuma/picture alliance

Die Führung in Teheran fühlt sich durch den Krieg in der Ukraine offenbar ermutigt. Hussein Salami, Oberkommandierender der iranischen Revolutionsgarden, sagte Mitte vergangener Woche in einer Ansprache vor der Truppe: Irans Feinde wie Israel und die USA hätten ein Verfallsdatum, da sich nun eine neue Weltordnung durchgesetzt habe. Zudem habe die islamische Revolution "Erosion und Verfall der westlichen Zivilisationen beschleunigt". Israel, so Salami weiter, müsse, wenn es nicht vorsichtig sei, "den bitteren Geschmack von Raketen erdulden."

Verschiebungen der regionalen Bündnisse

Derweil geht die Auseinandersetzung zwischen Israel und Iran teils unterschwellig, teils offen weiter, mit Cyberangriffen und Drohnen- sowie Raketenangriffen auf iranischem wie auch irakischem Gebiet. Israel steht dem Iran allerdings nicht allein gegenüber. Immer mehr nähert es sich arabischen Staaten auf der Golfhalbinsel an, insbesondere den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain, die sich durch den Iran ebenfalls bedroht fühlen. Die Beziehungen der beiden Staaten zu Israel wurden im September 2020 durch die Unterzeichnung der so genannten Abraham Accords neu geordnet.

Bahrain | Besuch israelischer Premierminister Naftali Bennett in Manamah
Israels Premier Bennett zu Gesprächen in Bahrain im Februar 2022Bild: Ilan Ben Zion/AP Photo/picture alliance

"Zwar bedrohen Iran und seine Verbündeten aus ihrem schiitischen Korridor von Teheran bis ans Mittelmeer weiterhin Israel", analysierte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" im Februar den israelisch-arabischen Schulterschluss, doch der "nahöstliche anti-iranische Schutzwall" werde stärker.

 

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika