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Israel-Hamas-Krieg: Schwere Vorwürfe der UN

12. Juni 2024

Die Vereinten Nationen haben in Genf einen Bericht vorgelegt, der es in sich hat: Demnach sind sowohl Israel als auch die im Gazastreifen herrschende Hamas in ihrem Konflikt für Kriegsverbrechen verantwortlich.

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Schweiz | UN-Zentrale in Genf (03.11.2024)
UN-Zentrale in GenfBild: Siavosh Hosseini/SOPA Images/ZUMA Press/picture alliance

Eine UN-Kommission lässt keinen Zweifel daran, wie der von der radikal-islamischen Hamas initiierte Terrorüberfall auf israelische Ortschaften und ein Popfestival am 7. Oktober und die nachfolgende israelische Militäraktion gegen bewaffnete Gruppen im Gazastreifen zu beurteilen sind: Sowohl Israel als auch bewaffnete palästinensische Gruppen im Gazastreifen haben dabei Kriegsverbrechen begangen. Zu diesem Schluss kommt die vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen bestellte Kommission unabhängiger Expertinnen und Experten, die jetzt ihren Bericht in Genf vorgestellt hat. Auch das UN-Menschenrechtsbüro hat mehrfach von Kriegsverbrechen auf beiden Seiten gesprochen.

Die Vorsitzende der Kommission des UN-Menschenrechtsrats, Navi Pillay, forderte ein Ende der Attacken palästinensischer bewaffneter Gruppen auf Israel und die Freilassung aller Geiseln. Als Kriegsverbrechen des militärischen Arms der islamistischen Hamas und weiterer sechs bewaffneter Gruppen zählt die Kommission unter anderem Überfälle auf Zivilisten, Folter, unmenschliche und grausame Behandlung und Geiselnahmen. "Geiseln zu nehmen ist ein Kriegsverbrechen", sagte Pillay.

UN-Kommission beklagt Beeinträchtigungen ihrer Arbeit

Von Israel forderte sie ein Ende der Militäraktion im Gazastreifen. Zu den Kriegsverbrechen Israels zählt die Kommission unter anderem das Aushungern der Bevölkerung als Mittel der Kriegsführung, vorsätzliche Angriffe auf Zivilpersonen und zivile Objekte, sexuelle Gewalt, Folter und unmenschliche oder grausame Behandlung. Das Vorgehen Israels im Gazastreifen als Reaktion auf den Hamas-Überfall stelle aufgrund der immensen zivilen Todesopfer zudem ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar.

Schweiz | Navi Pillay 16.04.2024
Kommissionsvorsitzende Navi Pillay (Archivbild): "Geiseln zu nehmen ist ein Kriegsverbrechen"Bild: Fabrice Coffrini/AFP/Getty Images

"Es ist zwingend notwendig, dass alle, die Verbrechen begangen haben, zur Rechenschaft gezogen werden", sagte Pillay weiter. Israel habe die Arbeit der Kommission behindert und keinen Zugang zu den besetzten Gebieten gewährt, hieß es. Israel lehnt eine Zusammenarbeit mit der Kommission ab und wirft ihr eine anti-israelische Voreingenommenheit vor.

Nach UN-Lesart gehört zu den besetzten Gebieten auch der Gazastreifen. Die israelische Regierung ist hingegen der Auffassung ist, dass das Palästinensergebiet am Mittelmeer seit dem Rückzug des israelischen Militärs und der Siedler 2005 nicht mehr besetzt ist. Die UN-Kommission hat nach eigenen Angaben Tausende verifizierte Berichte, forensische Analysen, Satellitenbilder und medizinische Berichte ausgewertet sowie mit Opfern und Zeugen in der Türkei und in Ägypten gesprochen.

Israel weist Vorwürfe zurück

Israel wies den Bericht zurück. Die Kommission betrachte die Situation einseitig, hieß es in einer Stellungnahme der israelischen Botschaft in Genf. Sie ignoriere, dass die Hamas Menschen als Schutzschilde missbrauche und Zivilisten damit in die Schusslinie bringe. Israel bezeichnet die Anschuldigungen als "verabscheuungswürdig" und "unmoralisch" und weist sie zurück.

Bei dem Terrorangriff am 7. Oktober wurden in Israel nach Angaben der dortigen Behörden mehr als 1200 Menschen getötet. Zudem verschleppten palästinensische Terroristen bei dem Überfall 250 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen. Etliche befinden sich noch immer in der Gewalt der Hamas, die von den USA, der Europäischen Union und anderen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird. Bei der auf den Hamas-Überfall folgenden israelischen Militäroffensive im Gazastreifen wurden nach palästinensischen Angaben mehr als 37.000 Palästinenser getötet. Diese Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. 

Kommt es zu einer Feuerpause?

Unklar ist weiterhin, ob der vor elf Tagen von US-Präsident Joe Biden vorgelegte Plan für eine Feuerpause im Israel-Hamas-Krieg Erfolg haben wird. Zwar unterstützt der UN-Sicherheitsrat den Vorstoß mit einer Resolution, was ihn völkerrechtlich bindend macht. Aber ob Israel und die Hamas tatsächlich zustimmen, ist noch unklar.

Zustimmung im UN-Sicherheitsrat News York zum Biden-Plan (10.06.2024)
Zustimmung im UN-Sicherheitsrat zum Biden-Plan (am Montag)Bild: Eskinder Debeb/UN/dpa/picture alliance

Die Hamas und die kleinere militante Gruppe Palästinensischer Islamischer Dschihad bekundeten in einer gemeinsamen Erklärung, sich "positiv zu verhalten". Diese Erklärung richtete sich zunächst an die Vermittler aus Katar und Ägypten. Der genaue Inhalt des Textes ist öffentlich bislang nicht bekannt. Es hieß lediglich, die Priorität für Hamas und Islamischen Dschihad bestehe darin, dass der Krieg im Gazastreifen vollständig beendet werde und sich die israelische Armee komplett zurückziehe.

Die USA wollen die Antwort nun prüfen. Eine klare und öffentliche Zustimmung gibt es bislang aber auch von der israelischen Regierung nicht.

Gefechte an der libanesisch-israelischen Grenze

Auch an Israels Nordgrenze zum Libanon kommt es weiter zu militärischen Auseinandersetzungen. Die dort agierende radikal-islamische Hisbollah hat mehrere Raketensalven auf israelisches Gebiet abgefeuert. Die vom Iran unterstützte Terrororganisation reagierte damit offenbar auf den Tod eines ihres Kommandanten. Dieser war am Dienstagabend nach Angaben aus Sicherheitskreisen zusammen mit drei weiteren Hisbollah-Mitgliedern bei einem israelischen Angriff im Südlibanon getötet worden.

Aus libanesischen Sicherheitskreisen verlautete, die Hisbollah habe mehr als 100 Geschosse eingesetzt und damit einen der größten Angriffe seit Oktober unternommen. Israelische Kampfjets griffen daraufhin nach Angaben des Militärs wieder Ziele im Südlibanon an.

Vom israelischen Militär liegt bislang keine Stellungnahme vor. Seit Beginn des Israel-Hamas-Kriegs im Oktober liefern sich die vom Iran unterstützte Hisbollah und Israel im Grenzgebiet zum Libanon regelmäßig Gefechte. Nach Zählung der Nachrichtenagentur Reuters hat Israel bislang rund 300 Hisbollah-Kämpfer und rund 80 Zivilisten getötet. Bei Angriffen aus dem Libanon wurden nach israelischen Angaben bislang 18 Soldaten und zehn Zivilisten in Israel getötet.

AR/kle (rtr, dpa, epd, afp)