Ironman: Kommerz trifft Gleichberechtigung
7. Oktober 2022Ist es eine gute Entwicklung - hin zu mehr Gleichberechtigung? Diese Frage stellt sich bei der Ironman-Weltmeisterschaft, die nach drei Jahren Corona-Pause endlich wieder auf Hawaii steigt. Die Frauen kämpften zwei Tage vor den Männern um die Krone des Triathlon-Sports.
Sie ging in diesem Jahr an eine Überraschungssiegerin: die US-Amerikanerin Chelsea Sodaro. Zweite wurde die Britin Lucy Charles-Barclay. Für die Deutsche Anne Haug, die die letzte Ausgabe des legendären Rennens 2019 gewonnen hatte, reichte es dieses Mal nicht für einen erneuten Triumph - sie holte Bronze und damit ihre vierte WM-Medaille in Serie. Mitfavoritin Laura Philipp landete durch eine fünfminütige Zeitstrafe wegen Windschattenfahrens auf dem Rad auf Platz vier.
Ein eigenes Rennen - das bringt mehr Aufmerksamkeit, Sendefläche und bessere Bedingungen für die Profi-Frauen, so argumentiert der Veranstalter. Alles positive Punkte für die Athletinnen, deren Spitzenleistungen in der Vergangenheit häufig im Aufmerksamkeitsstrudel der gleichzeitig ausgetragenen Männer-Konkurrenz untergingen. "Es entsteht ein deutlich fairerer Rennverlauf", unterstrich Triathletin Philipp vor dem Wettkampf wohlwollend, "dennoch ist es logistisch sicher eine große Herausforderung, ein so großes Rennen in so einem kleinen Ort zwei Tage aufeinander stattfinden zu lassen."
Mammut-Event stößt an Grenzen
Gerade mal 20.000 Einwohner hat Kailua-Kona, das Mekka und Sehnsuchtsziel der Triathlon-Gemeinde. Schon in normalen Jahren ächzt der Ort unter der Besucherschar aus etwa 2500 Teilnehmenden plus Begleitung. Diesmal sind jedoch 5500 gemeldet. "Es wird hier sehr kontrovers diskutiert", beobachtet auch DW-Reporter Tobias Oelmaier, der selbst als Starter vor Ort ist. "Die Infrastruktur ist dafür nicht ausgelegt", erzählt er, "im Supermarkt gibt es beispielsweise zeitweise kein Wasser und keine Nudeln mehr zu kaufen." Kona stößt an seine Grenzen: "Wir können das nicht beschönigen", gibt auch Renndirektorin Diana Bertsch zu, die große Mühe hat, genug freiwillige Helfer für beide Rennen zu organisieren. Die Startenden werden es während der Hitzeschlacht spüren: Es gibt deutlich weniger Verpflegungsstationen auf der Radstrecke und beim Marathon.
Hintergrund des diesjährigen Mammut-Feldes sind die Starterinnen und Starter in den Altersklassen, die sich bei Wettkämpfen weltweit für Hawaii qualifiziert haben. Da es drei Jahre lang keine Austragung gab, hat sich ihre Zahl summiert. Deshalb sah man sich gezwungen den Wettkampf in Frauen- und Männerrennen zu splitten und so auch doppelt so vielen Amateursportlern die Chance zu bieten, argumentiert die World Triathlon Corporation, der kommerzielle Veranstalter der Ironman-WM. Dass durchaus auch wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle spielen, zeigt die Tatsache, dass eine solche Mammut-WM auch für 2023 fix ist. "Ich finde es mutig, das direkt fürs nächste Jahr auch schon so festgelegt zu haben. Ich hätte es vielleicht erst mal in einem Jahr ausprobiert", sagt Philipp. Reporter Oelmaier gibt zu bedenken: "Durch die vielen Teilnehmenden geht auch der WM-Charakter verloren."
Explodierende Preise greifen um sich
72 Millionen US-Dollar spült das Triathlon-Event in die Wirtschaft des Bundesstaats Hawaii, rechnete ein US-Marktforschungsinstitut 2019 aus. Diesmal sollen es über 100 Millionen US-Dollar sein. Doch die Schattenseiten sind groß: Die Preise für Anreise und Aufenthalt Anfang Oktober haben sich vervielfacht. Eine Unterkunft kostet auf der Insel für die Rennwoche bis zu 15.000 Euro. Erfolgstrainer Dan Lorang kritisierte das in einem Zeitungsinterview: "Ich finde es vor allem für die Agegrouper extrem, wie viel Geld sie für die Teilnahme in die Hand nehmen müssen. Auch die Preisgelder bei den Profis stehen nicht in Relation zu den Kosten."
Die explodierenden Preise sorgen für Frust. In einem Instagram-Post machte der Brite Joe Skipper, Sieger des Ironman Wales, seinem Ärger Luft. Seine Vermieterin in Kona hatte die Buchung widerrufen und kurzerhand das Dreifache des Preises verlangt.
Lange kritisiert Format
Angesichts solcher Entwicklungen sieht auch der zweifache Hawaii-Sieger Patrick Lange das neue Format kritisch. "Ich habe lange überlegt, wie ich dazu stehe, aber ich habe immer mehr negative Faktoren für die Verdopplung gefunden", sagte der 36-Jährige der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: "Ich finde generell, dass die klassische Variante viel besser ist. Ein Tag, ein Rennen. So viele Starter wie bisher."
Dieser Artikel wurde am 06.10.2022 veröffentlicht und nach dem Wettkampf der Frauen aktualisiert.