"Irgendwann müssen wir anfangen"
28. Januar 2005Omar Fadhil sitzt in seinem Berliner Büro und raucht eine Zigarette nach der anderen. Immer wieder tippt er etwas in die Tastatur vor ihm: Er chattet mit seinem Radiokorrespondenten in Bagdad, seiner Heimat.
Wegen der Wahlen kam Fadhil nach Berlin, um sein Team zu koordinieren. Er leitet seit einem Monat den Radiosender "Election Monitor Iraq". Das Programm wird von Berlin über das Internet in den Irak geschickt. Dort strahlen lokale Radiosender es aus: einmal pro Tag, fünf Tage die Woche. Das Projekt wird von einer deutschen Stiftung finanziert und vom deutschen Außenministerium unterstützt. Es soll den Irakern etwas bieten, das für sie zurzeit Mangelware ist: Verlässliche Nachrichten über die Wahlen, bei denen die Iraker erstmals seit mehr als 50 Jahren wirklich eine Wahl haben. "Wir wollen den Leuten erklären, warum es wichtig ist zu wählen, warum sie wählen gehen sollten", erklärt Fadhil.
Ob der Irak für die Wahlen am 31. Januar bereit ist, wurde in den vergangenen Monaten heiß diskutiert. Tödliche Anschläge sind an der Tagesordnung und der jordanische Fanatiker Abu Mussab al-Sarkawi droht, die Wahlen im Chaos versinken zu lassen.
"Momentan sind Tiere besser dran"
Doch Fadhil ist zuversichtlich. Er prophezeit, dass mangels Alternativen mindestens genauso viele wählen gehen werden, wie aus Angst vor Anschlägen am Wahltag daheim bleiben. "Ich will Sicherheit", sagt Fadhil. "Momentan können wir daheim nach 19 Uhr nicht auf die Straße. Wenn ein Hund Hunger hat, muss er nur rausgehen und fressen. Im Moment sind die Tiere besser dran als die Menschen."
Der 27-Jährige wird in Deutschland wählen, genau wie 26.000 Iraker in Wahllokalen in Mannheim, München, Köln und Berlin. Insgesamt haben sich weltweit mehr als 280.000 Exil-Iraker in 14 Ländern für die Wahl registrieren lassen, meldet die International Organization of Migration (IOM). Die Organisation koordiniert die Wahlen im Ausland. "Die Leute scheinen unbedingt teilnehmen zu wollen", sagt Jana Kristic von der IOM in Deutschland. Ein Iraker, der seine Stimme in Berlin bereits abgegeben hat, sagte danach zu DW-TV, dem Fernsehsender der Deutschen Welle: "Wenn man selbst teilnimmt, ist das unbeschreiblich."
"Wir brauchen das jetzt"
Zwei Tage vor der Auslandswahl kamen deutsch-irakische Wahlhelfer in Berlin zusammen. Es ging hauptsächlich um technische Details für die Organisation in letzter Minute, doch der besonderen Bedeutung des Moments waren sich alle bewusst.
"Ich habe immer von Wahlen im Irak geträumt. Und jetzt bin ich hier und helfe mit", freute sich Zaimab Hassin. Die 34-Jährige war 1994 aus Bagdad nach Köln geflohen. Ihre Familie in Bagdad erfreut sich trotz des Chaos und der Gefahr bester Gesundheit. Die chaotische Sicherheitslage sei vielleicht einer der wichtigsten Gründe, Wahlen abzuhalten, sagte sie. "Wir brauchen das jetzt. Irgendwann müssen wir anfangen."
Geburtswehen der jungen Demokratie
Geburtswehen gehörten zu jeder jungen Demokratie, erklärt Baker Schwani, ein 37-jähriger Kurde. Er war 1996 aus dem Irak geflohen. Von der siebten Klasse an im Jahr 1980 bis zu seinem Universitätsabschluss 1991 habe er nur Krieg und Diktatur gekannt, sagte er.
"Demokratie kann man nicht einfach kaufen, wir müssen dafür kämpfen", sagt Schwani. Er ist einer der Wahlhelfer, die am Wochenende die 10.000 irakischen Wähler in Köln betreuen werden.
Am Ende sei es nicht einmal wichtig, wer gewinnt, sagte er. Es reiche, wenn ein Großteil der Bevölkerung wählen ginge. Denn das wäre ein Zeichen, dass die noch zerbrechliche Demokratie langsam Wurzeln schlägt. Und momentan würde ihm das ausreichen.