Sprachrohr für Wind und Solar
28. Oktober 2013Deutsche Welle: Herr Wouters, IRENA ist 2009 gegründet worden, um als internationale Organisation die Erneuerbaren Energien weltweit voranzubringen und haben den Hauptsitz im Golfstaat Abu Dhabi. Was sind die Aufgaben von IRENA?
Wir haben im Wesentlichen drei Funktionen: Wir sind eigentlich das weltweite Sprachrohr für die Erneuerbaren. So eine Organisation gab es bis jetzt noch nicht. Dann sind wir der Platz, wo alle Informationen zusammenkommen. Und wir unterstützen die Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung ihrer Ziele im Bereich der Erneuerbaren Energien.
Wie sieht diese Unterstützung konkret aus?
Wir haben einige sehr wichtige Hilfsmittel entwickelt. Wir haben zum Beispiel eine Plattform im Internet, wo die Potentiale für Solar- und Windenergie, für die einzelnen Länder ermittelt werden können. Dieses Tool ist sehr erfolgreich und führt dazu, dass die Länder ihre Strategien viel genauer entwickeln können.
Dann haben wir auch eine Strategie entwickelt, die wir gemeinsam mit den Ländern durchführen. Diese Strategie heißt "Renewables Readiness Assesments". Mit dieser Strategie und Methodik können die Länder selber sehr schnell bestimmen, wo sie stehen und was gemacht werden muss, um weiterzukommen.
Was sind die zukünftigen Herausforderungen?
In den letzten Jahren haben wir eine wirklich sehr rasante Entwicklung bei den Erneuerbaren Energien gesehen. Und die Erneuerbaren Energien sind derzeit natürlich ein ganz wichtiger Wirtschaftszweig mit mehr als 260 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr.
Die Herausforderung ist, dass die weltweite Gemeinschaft auf den Klimawandel nicht mit Taten reagiert. Also die Dringlichkeit wird nicht wahrgenommen und deswegen passiert unterm Strich einfach zu wenig. Die wirklichen Potentiale der Erneuerbaren Energien können einfach angezapft werden, wenn relativ schnell die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Und da geht es um große Investitionen in Infrastruktur, die jetzt gemacht werden müssen, damit es später nicht teurer wird.
Welchen Anteil werden die Erneuerbaren Energien im Jahr 2030 in der Welt haben, wenn alle Sektoren, also Strom, Heizung, Industrie und Transport zusammen betrachtet werden?
Wir arbeiten bei IRENA derzeit an einer Roadmap, die die Zielsetzung der Vereinten Nationen unterstützt. Ziel der Vereinten Nationen ist es den Anteil der Erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdoppeln, das wären dann weltweit zwischen 30 und 36 Prozent. Das ist allerdings ein ehrgeiziges Ziel und wir müssten derzeit viel mehr machen, um dieses Ziel zu erreichen. Aber dieses Ziel hätte die Chance, dass der Klimawandel noch gebändigt wird und wir auf dem Pfad der Zwei-Grad-Erhöhung bleiben.
Die Umsetzung dieses Ziels ist durchaus möglich und die meisten Szenarien zeigen auch, dass es wirtschaftlich Sinn macht, denn unter dem Strich muss man mit Erneuerbaren Energien weniger zahlen. Die Bereitschaft für dieses Ziel ist da aber bei der konkreten Umsetzung, da hapert es noch.
Das deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, DLR, hat in Szenarien aufgezeigt, dass es bis 2050 möglich ist den weltweiten Energiebedarf für alle Sektoren, also für Verkehr, Strom, Heizung und Industrie zu etwa 85 Prozent aus Erneuerbaren zu decken. Halten Sie dies für machbar?
Dies ist ein sehr gut durchdachtes Szenario. Und wenn man sich solche Szenarien anschaut, dann zeigen diese auch die wirtschaftlichen Vorteile. Es geht hier nicht nur ums Klima. Auch ohne Berücksichtigung dieser Effekte zeigen diese Szenarien sehr konkret die wirtschaftlichen Vorteile. Die Kosten, die wir derzeit für die fossilen Energien aufbringen, werden, wenn wir die Energiewende nicht vollziehen, rasant steigen. Die kompletten Investitionskosten für diese neue, zukunftsträchtige Infrastruktur, die werden durch die Einsparungen für die fossilen Energien komplett ausgeglichen. Die Machbarkeit eines solchen Szenarios hängt natürlich davon ab, ob wir derzeit bereit sind, auch relativ schnell etwas zu tun. So verhindert zum Beispiel jede Investition in ein fossiles Kraftwerk die Investition in eine zukunftsträchtige Infrastruktur.
Und gibt es ein Problem der Machbarkeit, gibt es da Konflikte?
Es gibt derzeit natürlich große Interessengruppen, die auch sehr viel Geld haben. Sie haben natürlich auch die Möglichkeit, die Politik zu beeinflussen und auch die Meinung der Bürger. Derzeit wird natürlich massiv Werbung gemacht für fossile Energien und auch teilweise gezielt gegen die Erneuerbaren.
Die Umstellung auf Erneuerbare Energien bedeutet aber auch, dass ein Großteil der fossilen Energien in der Erde bleiben würde. Das wird auf Widerstand der fossilen Energiewirtschaft stoßen...
Das ist tatsächlich ein Konflikt. Unternehmen die nicht umdenken und umschalten werden verlieren. Und das ist derzeit ein sehr massiver Faktor. Aber die wirtschaftlichen Vorteile sind insgesamt relativ eindeutig. Und deswegen brauchen wir auch eine starke, kontinuierliche Politikführung, die dazu führt, dass wir unsere komplette Infrastruktur modernisieren.
Sie sagen, die wirtschaftlichen Vorteile sind eindeutig. Auf der anderen Seite hört man, die Erneuerbaren Energien sind zu teuer. Was stimmt denn jetzt?
Man muss auf die Fakten schauen. In den letzten Jahren haben sich vor allem Solarenergie und die Windkraft massiv entwickelt. Diese Technologien haben gezeigt, dass sie wettbewerbsfähiger werden. Die Solarenergie ist zum Beispiel in den letzten zwei Jahren um 60 Prozent günstiger geworden und kann sich in vielen Situationen schon im Wettbewerb bewähren. Und diese Entwicklung ist auch noch nicht zu Ende. Insofern sehen wir, dass in mehr und mehr Situationen die Erneuerbaren sich ohne finanzielle Unterstützung schon im Wettbewerb sehen lassen können. Und deswegen muss man hier auf die Fakten schauen.
Das Problem dabei ist, dass diese Dynamik in den Märkten so rasant ist, dass es sehr schwierig ist, sie zu kommunizieren. Wenn ein Politiker sich zum Beispiel dem Thema widmet, dann hat er natürlich ein bestimmtes Meinungsbild. Und wenn sich das innerhalb von ein oder zwei Jahren dramatisch ändert, was wir derzeit sehen, dann ist das schwierig dieses Meinungsbild mit zu verändern. Das ist eine Herausforderung. Deswegen ist es auch wichtig, dass wir als internationale Organisation einen sehr kurzen Draht zu unseren Entscheidungsträgern haben, um auch diese Dynamik richtig in den Griff zu kriegen.
Herr Wouters, Sie leben in den Vereinigten Arabischen Emiraten. IRENA hat ihren Sitz in Abu Dhabi. Abu Dhabi ist eines der Länder mit den größten Ölquellen. Wie wird denn in der Region über Erneuerbare Energien und dem Ausstieg aus der fossilen Energiewirtschaft gedacht?
Was hier derzeit läuft ist eine sehr spannende Diskussion. Wir sehen dies nicht nur in Abu Dhabi, sondern auch in den anderen Golfstaaten. Man wird sich in zunehmendem Maße bewußt, dass die Erneuerbaren ein sehr interessanter Wirtschaftszweig sind, sowohl für die Stromproduktion hier vor Ort als auch eventuell für den späteren Export. Und das ist natürlich sehr spannend.
Wir sehen zum Beispiel auch in Saudi-Arabien, dass ein Umdenken stattfindet. Zunehmend wird realisiert, dass die derzeitige Wirtschaftsweise auch in näherer Zukunft keinen Sinn macht. Dieses Umdenken in der Region ist wirklich sehr spannend, weil es auch eine große Signalwirkung hat. Deshalb ist es auch als Symbol sehr gut, dass wir hier sind, dass IRENA hier ist. Wenn die Leute, die selber das Öl haben, realisieren, dass es schon jetzt und in der Zukunft bessere Alternativen gibt, dann ist das natürlich sehr, sehr wichtig.
Frank Wouters ist der stellvertretende Generaldirektor der Internationale Regierungsorganisation zur Förderung der Erneuerbarer Energien (IRENA). Der Sitz von IRENA ist in Abu Dhabi. Seit ihrer Gründung 2009 in Bonn haben 159 Staaten das Statut der Agentur gezeichnet. 104 Staaten und die Europäische Union haben es ratifiziert.