Geächtet und geliebt
7. Februar 2020Behrouz Vossoughi soll zurückkommen dürfen in den Iran. 40 Jahre hat er im US-amerikanischen Exil gelebt, jetzt ist er über 80, und es wäre an der Zeit, dass man ihm die Rückkehr in sein Heimatland gestattet.
Er möge darum "den Bann aufheben", der seit der Islamischen Revolution über Vossoughi hänge, forderte Vossoughis Kollege, der international bekannte, in Cannes ausgezeichnete Schauspieler Shahab Hosseini, den iranischen Staatspräsidenten Hassan Rohani auf. Er, Hosseini, habe den Präsidenten sowohl 2013 als auch 2017 gewählt, schrieb er ihm in einem offenen Brief. "Sie baten einst um die Unterstützung der Bevölkerung. Jetzt wollen wir die gleiche Unterstützung von Ihnen."
Vossoughi solle im Iran wieder spielen dürfen, forderte Hosseini. Auch solle er bei der Präsentation der Originalversion des Films "Lovely Trash" (Ashghal-Haye Doost Dashtani–Asli) auf dem derzeit in Teheran stattfindenden Fajr Filmfestival zugegen sein. Für den 2012 produzierten Film war Regisseur Mohsen Amiryoussefi in die USA gereist, um dort einige Sequenzen mit Vossoughi zu drehen. Anschließend baute er sie in den Film ein. Doch als der Film fertig war, hatte ihn die Zensur in dieser Form nicht zulassen wollten. Stattdessen ordnete sie an, die entsprechenden Sequenzen wieder hinauszuschneiden.
Nun wollte Amiryoussefi die ursprüngliche Fassung auf dem Fajr-Festival zeigen. Doch die Direktion des Festivals lehnte das ab. "Die Nachricht hat den Vorsitzenden des Fajr-Filmfestivals angeblich so erschreckt, dass er sich geweigert hat, den Film anzunehmen", zitiert die Zeitung "Kayhan Life" die in Teheran erscheinende Website "Cinema Cinema".
Zwischen allen Fronten
Über seine Arbeit war Behrouz Vossoughi zwischen alle Fronten geraten. Als die Islamische Revolution 1979 durch den Iran fegte, befand er sich gerade zu Dreharbeiten in den USA. So entschied er sich, dort zu bleiben. Im Jahr 1980 forderte das Revolutionsgericht ihn auf, nach Teheran zurückzukehren und über seine Aktivitäten während der Regierungszeit des Schahs Auskunft zu geben. Vossoughi blieb in den USA.
Bescheide des Revolutionsgerichts gingen auch an andere während der Schah-Zeit beliebte Schauspieler, so etwa Mohammad Ali Fardin, Nasser Malek Motii, Simin Ghfari und weitere. Das Gericht warf ihnen vor, für einen korrumpierenden westlichen Einfluss zu stehen und in ihrer Arbeit nicht den "islamischen Werten" zu entsprechen. Die betroffenen Schauspieler und Schauspielerinnen durften fortan nicht mehr vor die Kamera treten.
Vieler dieser Schauspieler hatten in den Jahren vor der Revolution einen im iranischen Kino damals populären Helden verkörpert: den ganz auf sich gestellten Einzelkämpfer. In diese Rolle war auch Vossoughi wiederholt geschlüpft - und zwar auf eine Art und Weise, die ideologisch durchaus auch zum Geist der neuen, der postrevolutionären Zeit hätte passen können. "Die Kino-Figur des einsamen, kompromisslosen und verwundeten Helden, der ohne jede Hilfe um seine Ehre kämpfte, entsprach den grundsätzlichen Werten der Revolution", schreibt der iranisch-US-amerikanische Autor und Kulturwissenschaftler Babak Tabarraee.
Doch auch jene, die zum Regime in Opposition gingen, hätten sich mit ihr identifizieren können. "Vossoughis kampfbereite, zornige und ausgesprochen männliche Monologe gehörten auch in meiner eigenen Generation noch zum klassischen umgangssprachlichen Protestinventar", so Tabarraee in seinem Aufsatz "Iranian Cult Cinema".
Verlierertypen auf der Leinwand
Allerdings verkörperte Vossoughi auch ganz andere Typen. Zu einem seiner bekanntesten Filme gehört "Das Reh" ("Gavaznha") aus dem Jahr 1974. Darin spielt er einen heruntergekommenen und heroinabhängigen jungen Mann. Der erhält eines Tages Besuch von seinem alten Freund Ghodrat, der bei einem bewaffneten Überfall von der Polizei angeschossen wurde und nun auf der Suche nach einer sicheren Bleibe ist. Beide, der Dieb und der Drogenabhängige, sehen sich als Opfer sozialer Umstände, die stärker sind als sie selbst. Hätten sie trotzdem etwas aus sich machen können? Darum dreht sich die Diskussion der beiden, artikuliert im harten Dialekt der Straße, der auf das damalige Kino-Publikum schockierend wirkte. Der Film endet so düster und unversöhnlich wie er begonnen hat: Als die Polizei den Aufenthaltsort von Ghodrat herausbekommen hat und ihn verhaften will, sterben die beiden jungen Männer beim Sturm auf das Haus.
"Das Reh" wurde auch als unverhohlene Kritik an den sozialen Entwicklungen der vergangenen Jahre verstanden. Seit den 1960er Jahren hatte sich die Landwirtschaft massiv mechanisiert. Viele Landarbeiter suchten ihr Heil in den Städten - verfügten aber nicht über die dort notwendigen beruflichen Fähigkeiten. So gerieten sie in immer größeres Elend, das nicht wenige in Kriminalität und Drogenabhängigkeit trieb - wie die beiden Helden von "Das Reh".
Doch trotz dieser Kritik an den Zuständen der Pahlavi-Gesellschaft kam der Film bei den Revolutionären von 1979 nicht an: Sie konnten mit gebrochenen Menschen ebenso wenig anfangen wie das vorhergehende Regime.
Der Anschlag auf das Cinema Rex
Im August 1978 erlangte der Film ganz unerwartet traurige Berühmtheit: Als er am 19. jenes Monats vor über 400 Besuchern aufgeführt wurde, setzten Terroristen das Kino in Brand. Behörden des Pahlavi-Regimes machten "Islamische Marxisten" für den Anschlag verantwortlich. Kritiker des Schahs hingegen sahen in dem Brand ein Werk der SAVAC, der iranischen Geheimpolizei.
Geklärt ist die Identität der Terroristen bis heute nicht, ebenso wenig die Zahl der Todesopfer. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge reichen sie von 400 bis zu 800 Personen. Der Anschlag gilt als einer der Auslöser für die Proteste gegen das Schah-Regime, die 1979 zu dessen Sturz führten.
In der "Wüste der Revolution"
Nun, nach über 40 Jahren im Exil, deutete Behrouz Vossoughi an, dass er, um Frieden zu finden, nicht unbedingt in den Iran zurückkehren müsse. In der "Wüste der Revolution ohne Wasser" sei er am Durst fast zugrunde gegangen, schreibt er auf seiner Instagram-Seite. Nun aber habe er seinen Frieden gefunden. Es sei wunderbar, die liebevolle Freundschaft seiner Landsleute, insbesondere der Künstler zu spüren, die ihn nach Hause bringen wollten. Er stehe am Ende seines Lebens und habe keine Wünsche mehr. Er spüre aber die Gebete seiner Landsleute, voller Hingabe und Freundlichkeit.
Dieses Gefühl, so lässt sich die Notiz verstehen, genügt Vossoughi. Um Frieden zu schließen, ist die Rückkehr in sein Heimatland nicht mehr nötig.